Fressgasse ist keine Durchfahrtsstraße mehr
Mehr Aufenthaltsqualität oder Staufalle? Seit Freitagmittag ist die Straße zwischen den Quadraten P1/Q1 und E1/F1 dicht.

Von Marco Partner
Mannheim. Die Schranken sind unten. Seit Freitagvormittag ist die Fressgasse keine Durchfahrtsstraße mehr. Auf Höhe von Galeria-Karstadt-Kaufhof müssen die Fahrzeuge vom Wasserturm kommend nach rechts Richtung Ring abbiegen. Doch der Start des Verkehrsversuchs wird mit gemischten Gefühlen betrachtet. Auf der einen Seite flanieren Passanten über den mit grünem Rollrasen ausgelegten neuen Fußgängerbereich. Auf der anderen Seite quälen sich Autofahrer und Lieferanten durch die Erbprinzenstraße, die nun zum neuen Nadelöhr wird.
11 Uhr: Die Blinker der abbiegenden Fahrzeuge weisen kontinuierlich nach rechts. Verwirrt bleiben manche Fahrer vor der Schranke stehen, Smartphones werden gezückt und wild auf Navigationsgeräten herumgetippt. Trotz etlicher Ankündigungen haben nicht alle Mannheim-Besucher die neue Verkehrsführung auf dem Schirm. Ein Lkw sorgt für einen langen Rückstau, Kleintransporterfahrer schauen genervt und müssen nun bis zum Luisenring stottern, um Richtung Ludwigshafen, oder über die Marktstraße zum eigentlichen Ziel in den Quadraten zu gelangen.
Zum Beispiel zum Headshop Asia, der seit 1996 in F1 Tabak- und andere Raucherfreunde begrüßt. Der große Holzindianer, den Inhaber Wolfgang Gebauer jeden Morgen am Eingang platziert, blickt nun auf ein völlig neues Szenario. Wo sonst Autos vorbeifahren, gibt es jetzt einen kleinen Kaffeestand mitten auf der Straße, Strandliegen, den grünen Rasen und sogar eine Bühne mit Live-Musik. Gebauer weiß, das Tamtam zum Auftakt des Verkehrsexperiments wird nach dem Wochenende wieder verschwinden. Welche Auswirkungen aber wird die Straßensperre haben? "Ich bin selbst gespannt, es ist für uns Sonne und Schatten. Unsere Lieferanten müssen sich erst an die neue Verkehrsführung gewöhnen", sagt der Einzelhändler.
Vorbeifahrende Autofahrer werden nun nicht mehr auf den nach Duftstäbchen riechenden Laden aufmerksam. Dafür aber vielleicht die Passanten, die den neuen, 140 Meter langen Fußgängerzonenbereich von P1/Q1 bis E1/F1 für sich entdecken. Ungewohnt ist es schon, als Passant an der Breiten Straße bei Rossmann, Blumenladen und Co. nicht mehr an der Ampel warten zu müssen. Dafür schweift der Blick nun eher nach links und rechts, auch die alteingesessene Konditorei Herrdegen in E2 rückt durch die neue Verkehrsführung näher an die Fußgängerzone heran. Inhaberin Martina Herrdegen aber sieht viele Fragezeichen. "Eine Stammkundin aus Ludwigshafen hat heute Morgen angerufen, ob sie überhaupt noch in die Stadt kommt. Wenn Geburtstagstorten bestellt werden, holen Kunden sie nicht mit der Straßenbahn oder dem Fahrrad ab. Wir wissen nicht, wie es sich entwickelt", betont sie.
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Viele kleine Läden befürchten ausbleibende Kundschaft, wenn neben Straßensperrungen auch das Kurzzeitparken erschwert wird, aber wenig Anreize geschaffen werden, um in die Innenstadt zu fahren und der ÖPNV nicht parallel an Attraktivität zunimmt. Für die nahe zur Fußgängerzone in den Seitenstraßen gelegenen Geschäften aber könnte sich die Verkehrsberuhigung positiv auswirken. Maximilian Hartmann zum Beispiel hat mit seinem Sohn schnell den grünen Rasen im P 1 als Spielwiese erobert. "Ich finde es super, es schafft Aufenthaltsqualität. Endlich mal etwas Grün in der Stadt", sagt der Mannheimer, der nur ein paar Blöcke entfernt wohnt.
Auch Ines Joneleit von der Initiative "QuadRadEntscheid" ist eine Befürworterin der Maßnahme. Mit einem Stand auf dem nun von Autos leer gefegten neuen Fußgängerzonenabschnitt wirbt sie für mehr Raum und Lebensqualität – und ist auch überzeugt, dass langfristig die Einzelhändler davon profitieren. "Fußgänger und Radfahrer gehen eher mal in ein Geschäft als Autofahrer, die einfach nur durchfahren wollen", betont sie. Jörg Martin ist jedoch skeptisch. "Wurde eine neue Verkehrs- oder eher eine neue Stauführung geschaffen", fragt er mit Blick auf die Erbprinzenstraße, die von Q1/Q2 zum Ring führt. Die dortigen Anwohner dürften kaum erfreut über den zunehmenden Lärm und die Abgase sein.
16 Uhr: Auch zu Beginn des Feierabendverkehrs herrscht zäh fließender Verkehr in der Fressgasse. An der Einfahrt am Wasserturm staut es sich gelegentlich. Aber das war auch vor dem Verkehrsversuch nichts Ungewöhnliches. Die Auswirkungen des Experiments werden erst in einigen Tagen absehbar sein.
Info: Als weitere Maßnahme wird vom 21. März bis zum 3. April ein Abschnitt der Marktstraße zur Fahrradstraße umgewidmet. Autofahrende sollten dann nur noch in die Marktstraße fahren, wenn sie zu den Parkhäusern K 1 oder G 1 möchten oder Anlieger sind. Wer Richtung Schloss fahren möchte, solle dem Luisenring weiter folgen. Am 4. April wird der Durchfahrtsverkehr in der Kunststraße unterbrochen.



