Ab 11. März wird die Fressgasse teilweise gesperrt
Mehr Platz zum Flanieren: Die Stadt nimmt einen neuen Anlauf für den Verkehrsversuch. Die Kunststraße soll etwas später folgen.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Eigentlich wollte die Stadt im Spätsommer vergangenen Jahres den Durchgangsverkehr aus der City verbannen – zumindest testweise. Doch weil der Fahrlachtunnel gesperrt wurde, musste das Rathaus den Versuch ändern. Das Ziel aber blieb: Die Innenstadt sollte durch weniger Autos attraktiver werden für Touristen und Anwohner. Mehr Aufenthaltsqualität und Platz zum Verweilen, bessere Luft, so die Devise. Kurzzeitparkplätze entlang der Fressgasse und Kunststraße wurden in den vergangenen Monaten umgewandelt. Dort stehen nun unter anderem Pflanzkübel oder Fahrradbügel, was bei Geschäftsleuten Kritik hervorrief.
Am Donnerstagabend gab die Stadt nun bekannt, dass die neue Verkehrsführung ab dem 11. März starte. Dann wird die Fressgasse in Höhe der Breiten Straße mit der bereits vorhandenen Schranke für Kraftfahrzeuge unterbrochen. Knapp 1,7 Kilometer Straßenraum soll für Fußgänger grüner gestaltet werden. Umleitungshinweise weisen laut Mitteilung ab Anfang März an prominenten Stellen der City auf die geänderte Verkehrsführung hin, zum Beispiel am Rosengarten. So sollen Beeinträchtigungen für die Umgebung möglichst gering gehalten werden. In einem ersten Bauabschnitt entsteht eine neue Fußgängerzone in der Fressgasse auf einer Länge von rund 140 Metern.
Als weitere Maßnahme wird bis Anfang April die Marktstraße zur Fahrradstraße umgewandelt, sodass sie künftig Anliegern und Pedalrittern zur Verfügung vorbehalten ist. Und auch in der Kunststraße wird der Durchgangsverkehr unterbrochen. Für Radler werden hierzu bis Ende April zwei Verkehrsinseln zur Aufteilung der Spuren errichtet. Die Spur für Autofahrer wird verengt.
In einem letzten Schritt werden in der Kurpfalzstraße bis Anfang Mai sogenannte Leitschwellen im Gleisbereich eingebaut, die die Durchfahrt in der Kunststraße Richtung Wasserturm verhindern. Stattdessen kann der Verkehr Richtung Schloss abfließen. Bis zum 6. Mai sollen alle baulichen Veränderungen abgeschlossen sein. Da Verhaltensänderungen der Verkehrsteilnehmenden laut Stadt "erfahrungsgemäß eine längere Eingewöhnungszeit benötigen", werde der Versuch mindestens ein Jahr dauern. Währenddessen würden die Maßnahmen von Gutachtern begleitet und evaluiert, hieß es.
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Die neu entstandenen Freiflächen werden zum Eröffnungswochenende am 11./12. März vom Stadtmarketing bespielt. Durch Aktionen kann der öffentliche Raum neu genutzt und erlebt werden. Soweit es die pandemische Situation zulasse, untermalten ein musikalisches Programm sowie Kinderaktionen den Beginn des Verkehrsversuchs.
In einer gemeinsamen Stellungnahme formulierten die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, der Handelsverband Nordbaden und die Werbegemeinschaft Mannheim fünf Kriterien für den Test. So müsse die Innenstadt für Kunden, Arbeitnehmer und Lieferanten erreichbar bleiben, das Be- und Entladen sowie Handwerks- und Montagetätigkeiten problemlos möglich sein.
Nur dadurch lasse sich vermeiden, dass der Verkehrsversuch Teile der regionalen Wirtschaft von der Versorgung der Bewohner in der City ausschließt. Der Test dürfe auch nicht die Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen vor Ort beeinträchtigen und so ungewollt zum Beispiel den Online-Handel bevorzugen.
Durchgangsverkehre, so eine weitere Forderung, sollten nicht die Innenstadt nutzen müssen. Sie ließen sich auch nicht durch vereinzelte Straßensperrungen vermeiden, sondern nur durch weiträumige Umleitungen. Verkehrsteilnehmende müssten staufrei an den Ort ihrer Wahl gelangen. Wer sich länger in der Stadt aufhalte, müsse grundsätzlich direkt in die Parkhäuser geleitet werden, die bezahlbar sein müssten.
Die Verbände appellierten an die Verantwortlichen, dass die Risiken des Versuchs mit Blick auf die coronageplagten Unternehmen geringgehalten werden müssten. Hierfür bedürfe es eines Monitorings, dessen Muster mit den Organisationen der Wirtschaft abgestimmt werden solle. Die durch den Verkehrsversuch gewonnenen Freiräume müssen nach Auffassung der Verbände genutzt werden, um die Attraktivität der Innenstadt nicht nur als Wohnort, sondern auch als Einkaufsstandort zu erhöhen.
Ein entsprechendes Konzept dazu sollte mit der Wirtschaft abgestimmt sein. Nur so trage der Verkehrsversuch dazu bei, die Anziehungskraft der City zu stärken. Und: Um auf Fehlentwicklungen kurzfristig reagieren zu können, bedürfe es eines Begleitgremiums aus den Reihen der Wirtschaft, in dem die Folgen des Tests regelmäßig bewertet und erörtert werden. Zufrieden äußerte sich die Grünen-Gemeinderatsfraktion, die schon 2019 beantragt hatte, Fressgasse und Kunststraße im Rahmen eines zunächst zeitlich begrenzten Verkehrsversuchs zu sperren. "Dieser Antrag war wichtig für die bitternötige Verkehrswende. Staus, Verkehrslärm, Abgase, Feinstaub und zugeparkte Gehwege sind längst inakzeptabel geworden", sagte der stellvertretende Fraktionschef und Verkehrsexperte Gerhard Fontagnier.
Zu Beginn der aktuellen Wahlperiode habe eine Mehrheit des Gemeinderats dafür gestimmt, endlich einen solchen Versuch zu starten. Seither werde immer wieder versucht, das Experiment zu verhindern oder wenigstens weiter zu verschieben. Erst waren es die Baustellen, die Hochstraße Süd in Ludwigshafen, dann Corona, anschließend der Fahrlachtunnel, und nun seien auch noch die in der Innenstadt aufgestellten Blumenkübel angeblich Gründe gegen eine Durchführung des Verkehrsversuchs.



