Mannheim

Lieferanten sind im Stress und die Anwohner unter Druck

Das Gehwegparken erhitzt in der Innenstadt die Gemüter. Deshalb setzt die Stadt jetzt Verwarnungen aus und will ein Konzept erarbeiten.

09.12.2021 UPDATE: 10.12.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
In anderen Straßen verhindern Poller das Parken auf dem Gehweg. Foto: Alfred Gerold

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Am Ende war Andreas Möckel-Wahto so genervt, dass er sogar seinen Job gekündigt hat. Fünf bis sechs Restaurants, Lokale und Clubs in der Fressgasse und Kunststraße belieferte der Lkw-Fahrer bis zuletzt täglich mit Getränken. Morgens um acht begann der Eppelheimer damit, die Geschäfte anzufahren – oder es zu versuchen."In dieser Zeit sind sämtliche Liefer- und Abladeflächen sowie Einfahrten zu den Fußgängerzonen bereits mit Autos zugeparkt", sagt Möckel-Wahto. Die Folge: Dauerdiskussionen mit Pkw- und Laster-Lenkern, Ordnungsdienstmitarbeitern und Passanten. "Denn irgendwo muss ich ja halten." Stellte er seinen Lkw in den engen Seitenstraße ab, kam kein Wagen mehr vorbei.

Zeit ist kostbar. "Wir Zulieferer dürfen nur von 8 bis 11 Uhr in der Kunststraße und Fressgasse abladen", schimpft Möckel-Wahto. "Das ist der Bürokratenunsinn, der alles noch perfekt macht." Eigentlich wollte die Stadt ab Ende August den Durchgangsverkehr in diesem Bereich "unterbrechen": ein erster Schritt zur autofreien City. Kurz vor dem Start musste dann aber der Fahrlachtunnel wegen Sicherheitsmängeln gesperrt, der Verkehrsversuch abgeblasen werden.

Um die Aufenthaltsqualität trotzdem zu erhöhen, wandelte die Stadt Kurzzeitplätze in Parklets um, stellte Pflanzenkübel und Paletten-Sitzmöbel auf und richtete zusätzliche Lieferzonen ein. Das neue Konzept schaffe mehr Freiräume für Fußgänger, begründete Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) die Maßnahme. Was Passanten freut, führt bei Teilen der Einzelhändler und Anwohnern zu Verdruss. "Ich habe keine Probleme mit der Verkehrswende und dem Lärm", sagt eine Frau aus der Nachbarschaft, "aber ich finde es unverständlich, dass es für wegfallende Parkplätze keinen Ausgleich gibt".

In einigen Seitenstraßen ist das Gehwegparken durch Schilder untersagt. Foto: Alfred Gerold  

Und auch Alexander Füßl, Mitinhaber des Feinkostgeschäfts Südlandhaus in der Fressgasse, zweifelt, ob das "zum aktuellen Zeitpunkt das richtige Signal ist". Er vermisst ein Gesamtkonzept und beklagt fehlende Absprachen der Stadt mit den Geschäftsleuten. Wie Füßl fordert Wolfgang Ockert, Vorsitzender des Bürger- und Gewerbevereins Östliche Unterstadt, ein neues Parkleitsystem. "Durch eine digitale Lösung und eine Verknüpfung mit den Navigationsgeräten der Fahrzeuge von Besuchern aus der Pfalz und dem Odenwald würde damit zumindest unnötiger Verkehr bei der Suche nach Parkplätzen verhindert", glaubt er. Zudem sei in den Quadrate-Parkhäusern noch genügend Kapazität vorhanden. "Ich weiß nicht, warum die längst beschlossene Einführung des Systems so lange dauert", hadert Ockert.

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Füßl weiß von Kunden anderer Geschäfte, die wegen fehlender Parkplätze weiter führen ins Viernheimer Rhein-Neckar-Zentrum. "Da, schauen Sie mal", sagt er vor dem Südlandhaus, "innerhalb von 150 Metern haben bereits drei Läden zugemacht". Gegen den Online-Handel habe er nichts, "aber wollen wir den dadurch subventionieren, dass hier Haltebuchten für Amazon-Lieferungen freigehalten werden?", fragt sich Füßl.

Die Stadt hat an einigen Stellen der Fressgasse Pflanzenkübel auf früheren Parkflächen gestellt, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Foto: Alfred Gerold

Ein anderer Einzelhändler kritisiert die hohen Parkgebühren von 3,60 Euro pro Stunde auf der Straße. Andererseits kostet eine Stunde im Parkhaus meist nur zwei Euro – und weniger Stress. In den Seitenstraßen hat die Stadt an manchen Stellen Poller aufgestellt. Das Land schreibt eine Mindest-Rest-Breite von 1,50 Meter vor, damit Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen auf den Gehwegen bleiben können, während der Verkehr fließt. Daneben werden Ecken für Feuerwehr und Rettungskräfte freigehalten.

Dadurch fallen weitere Parkmöglichkeiten für Anwohner weg. Für die Fressgasse und Kunststraße galten ihre Dauerparkausweise schon zuvor nicht. Die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung gehen noch weiter. Danach ist das halbseitige Parken auf Gehwegen generell verboten und muss geahndet werden. Die Stadt hat es trotzdem lange Zeit geduldet.

Als das Ordnungsamt vor Wochen Verbotsschilder anbringen ließ und die ersten Knöllchen verteilte, war der Unmut groß. Mittlerweile hat sich die Verwaltung dafür entschieden, das Straßenrandparken neu zu regeln und die Verwarnungen bis dahin auszusetzen. Ordnungsdezernent Christian Specht schätzte bei einer Ausschusssitzung, dass das Rathaus vermutlich vier bis fünf Jahre für das Konzept brauchen werde. Zumal dieses nicht nur das Zentrum, sondern sämtliche Stadtteile mit einschließt. So lange müsse das Verkehrsministerium der Stadt und anderen Kommunen schon Zeit lassen, so Specht.

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