Mannheim

Wachsende Kritik am "Fressgasse"-Verkehrsversuch

Die lokalen Händler und Verbände fordern schnelle Nachbesserungen.

30.05.2022 UPDATE: 31.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Mit Leitschwellen und Warnbaken hat die Stadt Mannheim den Bereich zwischen zwei Quadraten so verengt, dass nur noch Radler geradeaus in die gegenüberliegende Kunststraße fahren können. Foto: Alfred Gerold

Von Alexander Albrecht

Mannheim. "Warum Autos wieder in die Fußgängerzonen dürfen" titelte die RNZ vor wenigen Tagen und berichtete über Überlegungen der Stadt Ludwigshafen, Fahrzeuge "verkehrsberuhigt" in zwei Fußgängerzonen zu holen. Auf der anderen Rheinseite geht man seit März genau den umgekehrten Weg: Mannheim will die Blechlawinen aus der City verbannen. Der Aufenthaltsqualität der Passanten und der Umwelt wegen.

Ein Jahr soll der Versuch dauern, in dem Abschnitte der Fressgasse sowie der Kunst- und Marktstraße für den Durchgangsverkehr tabu sind.

Sind es in Ludwigshafen der Naturschutzbund und der Verkehrsclub Deutschland, die gegen die Gedankenspiele auf die Barrikaden gehen, setzt in Mannheim die Wirtschaft die Stadtverwaltung unter Druck. Mehr als 100 Gewerbetreibende aus dem Zentrum forderten zuletzt sogar einen sofortigen Stopp des Langzeittests.

Am Montag sprangen den Selbstständigen die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, der Handelsverband Nordbaden und die Werbegemeinschaft Mannheim-City bei und forderten rasche Nachbesserungen.

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"Der Unmut vieler Innenstadtakteure ist verständlich, ihre wirtschaftliche Situation pandemiebedingt extrem angespannt. Jetzt verhagelt die eingebrochene Konsumlaune den dringend notwendigen Aufschwung", mahnt IHK-Präsident Manfred Schnabel laut einer gemeinsamen Mitteilung. Außerdem kündigten die drei Organisationen eine eigene Umfrage unter den Einzelhändlern an.

Der Forderungskatalog reicht ordnungspolitisch vom Ruf nach permanenten Kontrollen und der Ahndung von Verstößen gegen die neue Verkehrsregelung bis zum raschen Eingreifen der Polizei, wenn es vor Parkhaus-Einfahrten zu Rückstaus kommt.

Die Stadt soll ein neues Informationssystem schaffen, das "klar" zu den Parkhäusern hinführt, und missverständliche Plakate und Schilder entfernen. Außerdem soll sie Verkehrs- und Besucherströme zählen und ein Reinigungskonzept erstellen für die auf den frei gewordenen Flächen aufgestellten Sitzmöbel und Pflanzenkübel.

Die neuen Zonen werden von manchen Besuchern und Händlern als "hässlich" oder "lieblos" empfunden. Stadtsprecherin Corinna Hiss sagt auf RNZ-Anfrage, es werde im Rahmen des Versuchs knapp 1,7 Kilometer Straße für Flaneure attraktiver und grüner gestaltet.

Die neuen Begegnungsräume und Sitzgelegenheiten würden gut angenommen. Da es sich aber zunächst um einen Versuch handelt, "sind sie mit einfachen Mitteln hergestellt und gewährleisten eine gewisse Mobilität, um während der zwölf Monate reagieren zu können".

Deshalb hat die Stadt Sitzgelegenheiten und Blumenkübel auf Paletten platzieren lassen, die ein rasches Umsetzen ermöglichen. Hiss kündigt auch an, dass die Stadt die großen Hinweisbanner an insgesamt 13 Standorten aktualisieren werde. Darüber hinaus stehe man bereits mit dem Handel in engem Austausch, um nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. An einer Stelle hat die Stadt schon konkret nachgebessert. So signalisiert eine rote, großflächig eingezeichnete Fläche den Autofahrern zwischen zwei Quadraten (C1 und D1), dass sie nicht mehr die verlängerte Breite Straße queren und geradeaus in die Kunststraße entlang des Paradeplatzes fahren dürfen.

Das Problem: Rund 40 Prozent der Pkw-Lenker hielten sich trotz Verbots nicht daran, wie die Polizei feststellte. Inzwischen hat die Stadt den Bereich zwischen C1 und D1 mit Leitschwellen und Warnbaken so verengt, dass lediglich Radler geradeaus fahren können und Autos Richtung Schloss abbiegen müssen.

Diese Lösung hat aber ebenfalls ihre Tücken. Denn wenn die Autofahrer nach ein paar Metern auf der verlängerten Breiten Straße wenden, dürfen sie rechts in die Kunststraße einbiegen, das ist erlaubt. Und zwar unabhängig davon, ob sie – wie von der Stadt gewünscht – nun ein Parkhaus ansteuern oder nicht.

Die Kunststraße übt gerade in Sommermonaten einen besonderen Reiz für die Poser-Szene aus, da vor den umliegenden Straßencafés regelmäßig viel los ist.

Hier fordern die drei Wirtschaftsinstitutionen ebenso ein stärkeres Eingreifen der Polizei. Die SPD-Gemeinderatsfraktion schloss sich am Dienstag weitgehend den Forderungen des Handels an und verlangte, sichtbar gewordene Probleme anzugehen, damit der Verkehrsversuch gelinge.

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