50 Jahre SAP

Wie alles begann (plus Podcast)

Vor 50 Jahren gründeten fünf Männer in Weinheim ein Unternehmen, das von Walldorf aus zum Weltkonzern wurde.

28.03.2022 UPDATE: 31.03.2022 19:00 Uhr 4 Minuten, 15 Sekunden
Die SAP-Gründer im Jahr 1988 (von links): Klaus Tschira, Hans-Werner Hector, Dietmar Hopp und Hasso Plattner. Claus Wellenreuther war zu diesem Zeitpunkt bereits aus gesundheitlichen Gründen aus dem Unternehmen ausgeschieden. Foto: SAP

Von Barbara Klauß

Weinheim/Walldorf. Vor einem halben Jahrhundert begann im beschaulichen Weinheim eine Geschichte, von der niemand ahnen konnte, wohin sie einmal führen würde: Aus der Firma "Systemanalyse Programmentwicklung", die Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Claus Wellenreuther am 1. April 1972 gründeten, wurde über die vergangenen 50 Jahre ein Schwergewicht der deutschen Wirtschaft: die SAP SE – ein weltweit agierender Konzern mit Sitz in Walldorf, eines der wertvollsten Unternehmen im deutschen Leitindex DAX und Europas größter Softwarehersteller. Rund 28 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die SAP im vergangenen Jahr, unter dem Strich stand ein Gewinn nach Steuern von etwa 5,4 Milliarden Euro.

Die Idee, die am Anfang stand, war damals revolutionär: Die fünf Männer, die sich beim US-amerikanischen IT- und Beratungsunternehmen IBM in Mannheim kennengelernt hatten, wollten eine Standardsoftware entwickeln, die standardisiert für alle Unternehmen anwendbar war und nicht für jeden einzelnen Kunden maßgeschneidert werden musste. Zudem träumten sie von einer Echtzeitverarbeitung: Die Software sollte die Daten nicht mehr über Nacht bereitstellen, sondern dann, wenn sie gebraucht wurden.

Zu Beginn waren sie ein kleines, junges Team, das aber rasant wuchs. "Auch wenn wir uns gute Chancen beim Start ausrechneten, hätten wir es uns natürlich bei der Gründung nicht vorstellen können, dass sich die SAP einmal zu so einem globalen Konzern mit über 100.000 Mitarbeitern weltweit entwickeln wird", erklärt einer der Gründer, Dietmar Hopp, nun in einem Interview. Bei der Gründung hätten sie noch "einige alte EDV-Hasen" für verrückt erklärt. Das Vorhaben habe fast eine kleine Revolution bedeutet. "Die vorherrschende Meinung war damals, dass die Abläufe in den Unternehmen zu unterschiedlich seien, um dafür eine Standardsoftware entwickeln zu können", erinnert sich Hopp.

Er und Plattner, damals noch Hopps Assistent, hätten bei einem ihrer IBM-Kunden von großen Abwicklungsproblemen erfahren und eine Pilotanwendung entwickelt, erzählt Hopp. Sie verließen IBM, sicherten sich die Rechte an der Software und vereinbarten mit ihrem Kunden "eine auskömmliche Bezahlung, die Computernutzung in der Nacht und an Wochenenden sowie die kostenlose Nutzung von Büros", erklärt Hopp. "Das war die Geburtsstunde von SAP."

Tage und Nächte lang saßen die Gründer vor den Computer-Bildschirmen und schrieben die aufwendigen Programme – meist in den Rechenzentren ihrer Kunden, wie etwa in der deutschen Niederlassung von Imperial Chemical Industries (ICI) in Östringen. Eigene Computer hatten sie nicht. Reichten die Stühle nicht aus, setzten sie sich auf Stapel aus Endlospapier.

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Am Anfang stand also die Idee zu einem neuen Produkt – und nicht der Plan, vom beschaulichen Nordbaden aus einen Weltkonzern zu erschaffen. Doch wuchs das Unternehmen rasant. Und die Kunden, die zwar aus der Region kamen, zum Teil aber bereits weltweit agierten, nahmen SAP mit. "Die wollten natürlich, dass unsere Systeme auch in Österreich, der Schweiz, in den USA oder in China verfügbar waren", erklärte Rainer Kaiser, der seit 1982 bei SAP arbeitete, vor zwei Jahren im Gespräch mit der RNZ. Also folgte das Unternehmen auf diese Märkte. Heute hat der Konzern gut 107.400 Mitarbeiter in 140 Ländern weltweit und mehr als 400.000 Kunden.

Und nicht nur dieser wirtschaftliche Erfolg ist besonders, sondern auch die Kultur, die im Konzern herrscht und die bereits durch die Gründer angelegt wurde.

Auf den Listen der beliebtesten Arbeitgeber steht SAP regelmäßig ganz weit vorne. Die Bedingungen sind gut bei Deutschlands größtem IT-Konzern: Die Mitarbeiter dürfen arbeiten, wo sie wollen. Sie können kostenlos Sport treiben und in der Kantine essen. SAP engagiert sich für Diversity – also Vielfalt – im Unternehmen. Früh wurden die Mitarbeitenden über Aktien am Unternehmen beteiligt. Gute Leistungen müssen belohnt werden – das ist das Credo des SAP-Managements bis heute.

Hierarchien gab es in den Anfangsjahren nicht, erzählen die, die damals dabei waren. "Alle waren gleich", erzählte etwa Rainer Kaiser. "Wer die bessere Idee hatte, setzte sich durch – nicht der Vorgesetzte." Gerade Dietmar Hopp, dessen Tür immer offen stand und den sie intern "Vadder Hopp" nannten, habe von Anfang an großes Vertrauen in die Mitarbeiter gesetzt und auch mal Fehler toleriert. Aus Kaisers Sicht schuf Hopp so ein Umfeld, in dem die Mitarbeiter angstfrei Ideen entwickeln konnten. "Dadurch hat er Kreativität frei gesetzt."

Auch eine Kontrolle der Arbeitszeit gab es bei SAP von Anfang an nicht. "Wenn das Wetter es zuließ, ging man auch mal morgens joggen und dann mit freiem Kopf an die Arbeit", erinnerte sich Kaiser. Aus seiner Sicht revolutionär zu damaligen Zeit. Reihenweise seien Personaler anderer Unternehmen bei der jungen Firma zu Gast gewesen, um zu erfahren, wie das funktioniere.

Andererseits hätten die überwiegend jungen Kollegen manchmal lange bei einer Pizza zusammengesessen, zum Teil auch die Nacht durchgearbeitet. "Wenn einem solches Vertrauen entgegengebracht wird, will man das nicht enttäuschen", meinte Kaiser. "Vielleicht hängt man sich deshalb noch mehr rein."

Durch diese Art des gemeinsamen Arbeitens entstand eine enge Verbundenheit. Persönliche Beziehungen, sagte Kaiser, hätten bei SAP schon immer eine wichtige Rolle gespielt.

Gestärkt wurde das auch durch den gemeinsamen Sport. Die Mitarbeiter spielten gemeinsam Fußball, Volleyball oder Tennis, alles kostenfrei – und gerne auch im Wettbewerb gegeneinander: "Es gab eine Hasso-Fraktion und eine Dietmar-Fraktion", erinnerte sich Kaiser – je nachdem, zu wessen Unternehmensbereich man gehörte. Beide Gruppen maßen sich immer wieder spielerisch: in Bezug auf den unternehmerischen Erfolg und auf dem Sportplatz.

Im Mittelpunkt stand schon damals der Mensch, sagte Kaiser – "die wichtigste Ressource gerade in einem Softwareunternehmen". Bei allem Erfolg und bei allem Wachstum hätten die Gründer immer darauf geachtet, dass diese besondere SAP-Kultur stabil geblieben sei. Bis heute ist dieser Gedanke seiner Ansicht nach tief im Konzern verankert.

Die Gründer haben den Konzern – abgesehen von Hasso Plattner, der noch immer Vorsitzender des Aufsichtsrats ist – inzwischen alle verlassen. Doch der Geist, in dem sie das Unternehmen aufgebaut und groß gemacht haben, ist noch immer überall zu spüren. Er macht SAP zu einer besonderen Firma: weltweit erfolgreich und bekannt – und doch fest verwurzelt in der Region Rhein-Neckar, fernab der Tech-Hochburgen in den Metropolen. Ein globales, aber bodenständiges IT-Unternehmen.

Dietmar Hopp sei es immer gelungen, das Bewährte und den Fortschritt zu verbinden, sagte Rainer Kaiser.

Nun ist es mit Christian Klein wieder ein recht junger Mann aus der Region, der den kurpfälzischen Weltkonzern in die Zukunft führen soll. Und Mitgründer Hopp sieht SAP mit dem 41-Jährigen an der Spitze sehr gut aufgestellt. Es sei bewundernswert, wie Klein die Transformation vorantreibe, sagt er. Klein müsse dabei "viele Prozesse innerhalb der SAP komplett verändern, an die sich viele Mitarbeiter über Jahre gewöhnt haben", fügt Hopp hinzu. "Dies ist wirklich eine große Aufgabe, die er mit vollem Elan angeht."

Sofern SAP den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolge, sehe er das Unternehmen auf einem sehr guten Weg, sagt Hopp. Das Marktpotenzial sei nach wie vor enorm, da sich nahezu alle Firmen in ihrer IT-Strategie kontinuierlich weiterentwickeln müssten.

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