Der Leerstand erweist sich als Glücksfall
Die Jugendherberge könnte Kindern und Betreuern aus einem Kiewer Waisenhaus einen sicheren Zufluchtsort bieten. In Mannheim ist man einen Schritt weiter.

Weinheim/Mannheim. (RNZ) Als das Gebäude 1975 fertig gebaut war, galt es als eines der modernsten im Land – zumindest unter den Jugendherbergen. In der Weinheimer Weststadt war eine Übernachtungsmöglichkeit für junge Menschen entstanden, in der alle Zimmer mit Dusche und WC ausgestattet waren. Das Gebäude blieb über viereinhalb Jahrzehnte darüber hinaus eine Anlaufstelle für alle, die auf der Suche nach einer preiswerten Pension in der Zweiburgenstadt waren. Erst mit dem Beginn der Coronapandemie ändert sich das. Der Betrieb ging in den Lockdown, das in die Jahre gekommene Haus ist seither leer. Seit 2021 steht fest, dass es abgerissen und durch eine Jugendherberge mit inklusivem Konzept ersetzt wird. Jetzt erweist sich der temporäre Leerstand als Glücksfall.
Denn das Gebäude könnte unter Umständen schon in sehr kurzer Zeit für Flüchtlinge aus der Ukraine ertüchtigt werden. Während diese grundsätzliche Idee bereits in den ersten Tagen von Putins Angriffskrieg gegen das osteuropäische Land aufkam, erhielt die Stadt Weinheim zuletzt einen weiteren Vorschlag: Das Gebäude könnte Kindern und Betreuern aus einem Kiewer Waisenhaus einen sicheren Zufluchtsort bieten. Das haben die Stadt Weinheim, das Deutschen Jugendherbergswerk und der Rhein-Neckar-Kreis mitgeteilt.
Die Unterbringung in einer großen Erstankunftsstelle sei für Waisenkinder keine gute Lösung, sind sich die Fachleute des Kreises sicher. Die 130 Schlafplätze zählende Herberge bietet sich hingegen an. Der Kreis hat sich bereit erklärt, die Einrichtung zu betreiben, das Herbergswerk stellt die Immobile bereit, die Kommune kümmert sich um die Renovierung. Zuvor müssen die Experten allerdings ausschließend, dass es keine gravierenden Mängel bei Technik oder Hygiene gibt. Die Stadt will ihr Mögliches tun, um die Bürokratie dabei in Grenzen zu halten. Unter anderem hierfür existiert ein Krisenstab, der regelmäßig tagt. Mit diesem Instrument hatte man schon in den schwärzesten Tagen der Coronapandemie gute Erfahrungen gemacht.
Außerdem sind noch ein paar rechtliche Fragen offen. Die wollen die Stadt und der Kreis mit den zuständigen Behörden klären. Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just betonte Ende vergangener Woche, dass die Aufnahme der Waisenkinder im Moment die erste Option ist. Falls das Heim und seine Unterstützer anderswo schneller fündig werden, kommt die Jugendherberge anderen Flüchtlingen zugute. Schließlich kommen diese in absehbarer Zeit in den Kommunen an. Stichwort: Anschlussunterbringung.
In Mannheim ist man bereits einen Schritt weiter. Die dortige Jugendherberge ist bereits am Dienstag als Notunterbringung für Schutzsuchende aus der Ukraine in Betrieb genommen worden und inzwischen voll belegt. Vor diesem Hintergrund mietet die Stadt Mannheim aktuell zudem zwei Wohnheime und ein Hotel an, sodass eine weitere Notunterbringungskapazität von rund 140 Plätzen zur Verfügung steht. "Wir stellen uns darauf ein, dass viele Menschen aus der Ukraine – insbesondere Frauen mit ihren Kindern – innerhalb einer sehr kurzen Zeit, eine Bleibe benötigen werden. Für alle Beteiligten ist es selbstverständlich, dass wir alles in die Wege leiten, um dabei bestmöglich zu helfen. Dies ist unsere humanitäre Pflicht. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation", erklärt Oberbürgermeister Peter Kurz, der sich – ebenso wie sein Weinheimer Kollege Manuel Just – in einer Videobotschaft an die Bürger seiner Stadt gewandt hat.
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In Mannheim ist eine Taskforce ins Leben gerufen worden. Diese prüft derzeit, ob verschiedene Sport- oder Veranstaltungshallen in den Stadtteilen für eine Notunterbringung genutzt werden könnten. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Sanitätsdienste bereiten in einem ersten Schritt die Lilli-Gräber-Halle in Friedrichsfeld für eine Notunterbringung vor, dann die Sport- und Kulturhalle Feudenheim sowie die GBG-Halle Herzogenried. Mit diesen drei Hallen steht eine Belegungskapazität für bis zu 750 Menschen zur Verfügung.
Weitere Hallen könnten – gegebenenfalls auch kurzfristig – folgen. Dies gehe möglicherweise mit Einschränkungen für Bürger, Schüler sowie für Vereine und Kultureinrichtungen einher, so Oberbürgermeister Kurz. Die Stadt Mannheim bemühe sich aber, einen Ausgleich zu finden, wo dieser möglich ist. Ziel bleibe weiterhin, Angebote aus der Bürgerschaft zu nutzen und die Geflüchteten privat unterzubringen.
Info: Wer Wohnraum zur Verfügung stellen möchten, können dies unter der Rufnummer 0621/293 32 99 oder online unter www.mannheim.de/unterbringungsangebot anmelden. In Weinheim können freie Unterbringungsmöglichkeiten telefonisch unter 06201/82-457 oder -391 sowie per Mail an ukraine@weinheim.de gemeldet werden.