Mehr Teilhabe für Menschen mit Handicap
Das "Forum Behinderung" will ein Handlungskonzept mithilfe von Bürgerbeteiligung erstellen.

Von Heike Warlich-Zink
Mannheim. Wie kann ein gehörloser Mensch an einer Veranstaltung teilnehmen? Was braucht es, damit Sehbehinderte sich sicher durch die Stadt bewegen können? Wo finden Eltern inklusive Betreuungsangebote für ihre Kinder? Es gibt viele Barrieren – sichtbare wie unsichtbare –, die die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Handicap erschweren oder sogar verhindern. Daher hat sich Mannheim im Jahr 2011 auf den Weg zur inklusiven Stadt gemacht und zahlreiche Anregungen zum Thema Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit ins Leitbild 2030 aufgenommen.
"Wir werden jedoch nicht müde zu betonen, dass die Aufgaben rund um die Themen Inklusion und Barrierefreiheit ein Thema der gesamten Stadtgesellschaft sind, und die Verbesserungen, die wir erzielen einen Nutzen für alle haben", betont Ruth Kupper vom Team Bürgerschaft und Beteiligung jetzt beim "Forum Behinderung". Daher sei es nur konsequent, die gesamte Bürgerschaft in die Erstellung des dafür notwendigen Handlungskonzeptes einzubinden. Den Auftakt dieses Bürgerbeteiligungsprozesses machte im Frühsommer des vergangenen Jahres eine Online-Umfrage mit circa 400 Beteiligten sowie 25 Interviews in Leichter Sprache.
Dieser erste Input aus der Stadtgesellschaft heraus sowie die Bestandsaufnahme der Verwaltung waren Basis für die eigentliche Arbeit der vier Projektgruppen. In zwei großen Workshops bewerteten rund 60 Personen – sowohl Experten und Expertinnen in eigener Sache als auch Vertreter von Institutionen, Verbänden, von freien Trägern sowie aus Politik und Verwaltung – die bereits bestehenden Maßnahmen, formulierten und priorisierten weitere Handlungsschwerpunkte und diskutierten über Umsetzungsmöglichkeiten. Man verständigte sich auf zehn Handlungsfelder, die sich rund um die Themen Bauen, Bildung und Arbeit, Gesundheit und Soziales oder Teilhabe an Sport und Kultur bewegen.
"Wir haben jeweils Ziele formuliert und nennen Handlungsmöglichkeiten", erklärte Ursula Frenz, die Beauftragte von Menschen mit Behinderung der Stadt Mannheim. So soll zum Beispiel nach Möglichkeiten gesucht werden, wie gehörlose Menschen Katastrophenalarme oder Notfallmeldungen bekommen oder in Hotlines hinterlegte Informationen abrufen können. Gewünscht ist es auch, private Bauherren für das Thema Barrierefreiheit zu sensibilisieren und Menschen dabei unterstützen, barrierefreien, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
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Für Eltern behinderter Kinder sollen Informationen zu inklusiven Betreuungsangeboten leichter zugänglich gemacht sowie eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle geschaffen werden. "Viele Informationen sind bereits vorhanden, aber nur schwer auffindbar", beschreibt Frenz ein Problem, dass es auch in anderen Bereichen gibt. Das Handlungskonzept beschreibt auch, unter welchen Voraussetzungen lebenslanges Lernen für Menschen mit Behinderung möglich ist. Für den inklusiven Unterricht an Schulen beispielsweise brauche es klare Konzepte und die durchgängige Begleitung von ausgebildeten Fachkräften. Praktika sowie das inklusive freiwillige soziale oder ökologische könnten von der Stadtverwaltung angeboten werden, die damit zugleich eine Vorbildfunktion für andere Arbeitgeber einnehmen würde.
Verkehrskontrollen sollten mit Blick auf das Freihalten von Gehwegen, Kreuzungsbereichen, Blindenleitsystemen und Behindertenparkplätzen intensiviert werden. Nur einige Beispiele von vielen, die zugleich zeigen, worauf es Frenz und ihrem Team ankommt: "Wenn wir Strukturen verändern wollen, müssen wir alle einbinden und den Austausch auf Augenhöhe führen".
Berufliche Teilhabe sei wichtig, um mit dem Kollegen mithalten zu können, erklärte Maria Huber als Vertreterin des Badischen Blinden- und Sehbehindertenvereins. Hilfreich ist für sie der Screenreader, der Bildschirminhalte in Sprache umwandelt oder in Blindenschrift ausgibt. "Toll wäre auch, wenn sich die angekündigte Buga-App realisiert lässt, die mich über das Ausstellungsgelände navigiert."
Noch vor der Sommerpause soll der Gemeinderat über das Handlungskonzept Inklusion und Barrierefreiheit beschließen. Das "Forum Behinderung" wird, eventuell unter neuem Namen, weiterarbeiten und will in regelmäßigen Abständen über die Umsetzungsschritte berichten und mögliche neue Handlungsfelder formulieren. "Teilhabe ist, wenn wir gar nicht mehr darüber reden müssen", brachte es Martin Köhl als Vertreter der AG Barrierefreiheit Rhein-Neckar auf den Punkt.
Info: Mehr dazu unter www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de/inklusion



