Weinheim

Ein Treppenlift im Schloss soll Inklusion und Denkmalschutz verbinden

Verwaltung kann Bauvoranfrage einreichen und Denkmalschützern eine klare Ratsmehrheit vorzeigen.

27.01.2022 UPDATE: 28.01.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden
Ein ziemlich offensichtliches Hindernis ist auch die Stufe, die das Pflaster des Schlosshofs vom Eingangstor trennt. Auch diese Barriere soll eingeebnet werden. Foto: Kreutzer

Weinheim. (web) Es ist durchaus ein "robuste Mandat" – aber kein einstimmiges. Der Gemeinderat hat am Mittwoch mit breiter Mehrheit für die Einrichtung eines Treppenlifts plädiert, der den Rathauseingang am Vorderen Schlosshof mit den Ratssälen und dem Trauzimmer verbinden soll. Damit sollen künftig zum Beispiel Rollstuhlfahrer die Möglichkeit erhalten, ohne (Trage-)Hilfe in die öffentlichen Räume zu gelangen, um an den dortigen Veranstaltungen teilzuhaben.

Kein "Kniefall" vor fehlendem Klo

Mit dem Beschluss ist jedoch noch kein unmittelbarer Planungs- oder gar Bauauftrag verbunden. Die Ratsmehrheit konnte die Verwaltung lediglich beauftragen, eine entsprechende Bauvoranfrage einzureichen. Das historische Treppenhaus des Saalflügels steht unter Denkmalschutz. Das Landesamt für Denkmalpflege muss dem Vorhaben zustimmen. Bisher hatte die Behörde den Einbau eines Treppenlifts abgelehnt.

Umso deutlicher bekannten sich GAL, Freie Wähler, CDU und SPD zu dem Treppenlift. Aus Sicht der vier großen Fraktionen stellt dieser den tragbarsten Kompromiss zwischen Inklusion, Denkmalschutz und Finanzierbarkeit dar. Die "Kleinen" taten sich schwerer. Matthias Hördt (Die Linke) ging zwar am Ende mit der Mehrheit mit, bedauerte aber das Aus für die mehrfach diskutierten Lösungsvarianten mit einem Vorbau samt Aufzug. Ein solcher stelle für Menschen mit Handicaps das zügigere und komfortablere Transportmittel dar, mache das Treppenhaus nicht unnötig schmal – und sei auch die Lösung, die ein Karlsruher Experte ursprünglich empfohlen hatte, so Hördt.

OB Just und Cornelia Lauinger, Leiterin des Amts für Immobilienwirtschaft, hielten dagegen. Die Fahrzeit bleibe auch beim Treppenlift in einem vertretbaren Rahmen, Gehandicapte hätten einen Generalschlüssel für derartige Vorrichtungen und wüssten diese zu bedienen. Dies funktioniere an anderen Stellen längst. Und im Brandfall müssten Gehandicapte ohnehin übers Treppenhaus gerettet werden, da Aufzüge dann ihren Betrieb einstellen. Das politische Nein zum Aufzug hatte sich darüber hinaus bereits in zwei vorhergehenden Sitzungen des technischen Ausschusses manifestiert. Wolfgang Wetzel (FDP) blieb auch im Gemeinderat bei seinem Kritikpunkt: Ohne barrierefreie Toilette im Schloss ergebe der barrierefreie Zugang keinen Sinn, so der Mediziner. Ein glasklar normgerechtes WC für Menschen mit Behinderungen sei aber nicht machbar – ebenfalls aus Gründen des Denkmalschutzes. "Schafft man hier wirklich eine konsequente Lösung?", fragte er sich. Fehlende Toiletten seien beileibe "kein Randproblem".

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OB Just plädierte jedoch "gegen einen Kniefall vor einer fehlenden Toilette". Die meisten Schlossbesucher blieben ja nicht länger als eineinhalb Stunden, sagte er. Doch auch politisch setzt der Verwaltungschef auf den Faktor Zeit: Er könne sich kaum vorstellen, dass der Gesetzgeber auf die Dauer die Teilhabe Gehandicapter an Details wie ungeeigneten Klos scheitern lässt, so Just. Doch auch die Einzelstadträte taten sich schwer. Susanne Tröscher sah in dem Treppenlift eine "teure und provokante" Lösung und plädierte für barrierefreie Zugänge an der Rückseite des Saaltrakts. Wogegen laut Just freilich eine Reihe von Argumenten spricht, nicht zuletzt das Nein des Schwerbehindertenverbands zu Hintereingängen für Gehandicapte. Somit waren die Argumente ausgetauscht. Die eindeutige Mehrheit stimmte für den Treppenlift, die Einzelstadträte und Karl Bär (FDP) blieben bei ihrer ablehnenden Haltung, Wetzel enthielt sich.

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