Heidelberg

Falsches Masken-Attest brachte Altenheim-Begleiterin vor Gericht

61-Jährige kam ohne Mund-Nasen-Schutz zur Verhandlung. Verteidigerin bezweifelte die Gefährlichkeit von Covid-19.

26.01.2022 UPDATE: 27.01.2022 08:57 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden
Wegen eines falschen Masken-Attests stand eine Heidelbergerin vor Gericht. Foto: dpa

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Über 4000 Maskenatteste soll eine Ärztin aus Weinheim gegen Gebühr ausgestellt haben – die meisten davon, ohne die Patienten gesehen oder eine Diagnose gestellt zu haben. Zwei davon schrieb sie für eine 61-jährige Heidelbergerin. Diese wurde am Montag vor dem Amtsgericht Heidelberg wegen "Gebrauches eines falschen Gesundheitszeugnisses" zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt.

Ende Oktober 2020 hat sich die 61-Jährige, die als Begleiterin in einem Altenheim arbeitet, das Attest gegen eine Gebühr von sieben Euro von der Weinheimer Ärztin ausstellen lassen. Zwei Tage später zeigte sie es einem Polizisten bei einer Versammlung auf dem Theaterplatz als Nachweis dafür, dass sie keine Maske tragen könne. Der Polizist, der am bei der Verhandlung am Montag als Zeuge geladen war, wurde misstrauisch und machte ein Foto des Schreibens. Denn zu diesem Zeitpunkt war ihm bereits bekannt, dass auffallend viele Atteste von der Weinheimer Ärztin ausgestellt worden waren.

Die 61-Jährige saß auch am Montag ohne Mund-Nasen-Schutz vor Gericht. Eigentlich ist das Tragen einer FFP2-Maske im Gebäude obligatorisch – aber sie hatte ein weiteres Attest dabei. Ausgestellt ist es von derselben Weinheimer Ärztin, diesmal datiert es vom 26. Oktober 2021, ist also ein Jahr jünger als das erste Attest. Eine Polizistin, zweite Zeugin im Verfahren und in die Ermittlungen gegen die Weinheimer Ärztin involviert, bestätigte vor Gericht: Den Behörden sei bekannt, dass die Ärztin auch nach dem Jahr 2020 noch Gesundheitszeugnisse ausgestellt habe. Patientenakten habe man indes nur über einen Bruchteil der Attest-Empfänger in der Weinheimer Praxis gefunden. Auch die Ärztin wird sich vor Gericht verantworten müssen.

Die 61-jährige Heidelbergerin bestritt, dass das Gesundheitszeugnis falsch sei. Sie könne die Maske nicht tragen, weil sie "eine Allergie" habe, sagte sie. Auch leide sie unter Müdigkeit und Schwindel, sobald sie den Schutz aufsetze. Ansonsten sagte die Altenbegleiterin nichts weiter zur Sache.

Umso ausführlicher äußerte sich ihre Verteidigerin, die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner. Die Fachanwältin für Medizinrecht bestritt die Gefährlichkeit von Covid-19, sprach von einer "Grippe". Auch Bahner trug während der Verhandlung keinen Mund-Nasen-Schutz – erklärte, sie könne das Maske-Tragen höchstens eine Minute aushalten. In ihrem Plädoyer führte sie Dutzende Studien auf, die beweisen sollten, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes schädlich, überflüssig oder beides sei.

Während der Ausführungen Bahners fielen ihrer 61-jährigen Mandantin mehrmals kurz die Augen zu. Zuvor hatte Bahner zehn Beweisanträge gestellt. Die Rechtsanwältin wollte unter anderem Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, den Leiter des hiesigen Gesundheitsamts und den Landrat vernehmen lassen. Staatsanwaltschaft und Gericht lehnten alle Beweisanträge "wegen Unerheblichkeit" ab. Sie hätten keinen Bezug zur Sache. Die Staatsanwaltschaft betonte, dass es bei dem Verfahren nicht um die Maskenpflicht gehe, sondern einzig darum, ob ein Attest vorgelegt wurde und ob dieses Attest richtig sei.

Daraufhin versuchte Bahner, eine Verfahrenseinstellung zu erwirken. Zugleich erklärte sie, unter Verweis auf ihr 87 Seiten langes Plädoyer, dass "das dann sonst hier heute sehr lange dauern wird". Richterin Walburga Englert-Biedert ließ sich davon nicht beeindrucken. Bahners Plädoyer dauerte schließlich nach Auskunft des Amtsgerichts mehrere Stunden lang. Die RNZ verfolgte dieses für etwa eine Stunde.

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