Baden-Württemberg

Was bringen die "Lern-Brücken" wirklich?

Mit speziellen Angeboten sollen Schüler in den Ferien Corona-bedingte Rückstände aufholen. Gewerkschaften zweifeln am Erfolg.

26.08.2021 UPDATE: 27.08.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden
Symbolbild: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Von Roland Muschel und Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Kurz vor Beginn der Neuauflage der Lernbrücken für Schülerinnen und Schüler in der kommenden Woche regt sich Kritik an Zeitpunkt und Ausgestaltung dieser zentralen Maßnahme des Landes zur Schließung von Corona-bedingten Lernrückstanden. "Viele Schülerinnen und Schüler, die von Seiten der Lehrkräfte als geeignet angesehen wurden, sind wenig bis kaum greifbar, da sie im Urlaub sind", sagt der stellvertretende Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Dirk Lederle.

Anders als beim ersten Durchgang seien auch viele Lehrkräfte für das Programm nicht greifbar. "Sie sind schlicht erschöpft." Denn mehr als eineinhalb Jahre Ausnahmesituation in der Pandemie und die sehr hohe Arbeitsbelastung durch Präsenzunterricht, Fernlernen und Notbetreuung hätten in den Kollegien deutliche Spuren hinterlassen. "Es ist diesen Kolleginnen und Kollegen also kaum zu verdenken, dass auch sie eine Pause brauchen", so Lederle.

"Es haben sich wesentlich weniger Lehrerinnen und Lehrer bereitgestellt als im Vorjahr, weil das letzte Schuljahr für alle Beteiligten einfach brutal anstrengend war", schlägt der Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Ralf Scholl, in dieselbe Kerbe. "Und die, die’s 2020 gemacht haben, waren oft vom Erfolg der Lernbrücken nicht überzeugt." Dagegen berichtet die Sprecherin des Landesschülerbeirats, Elisabeth Schilli, dass das Programm im ersten Durchgang vielen Schülerinnen und Schülern geholfen habe. "Generell begrüßen wir daher das Angebot." Auch die Erweiterung der Förderung auf den sozial-emotionalen Bereich sei wichtig.

Unstrittig ist, dass sich für das Angebot weniger Schüler, aber auch weniger Lehrkräfte gemeldet haben als im vergangenen Jahr. 2020 haben etwa 61.000 Schülerinnen und Schüler an den Lernbrücken teilgenommen, diesmal sind es 54.000, jeweils verteilt auf 1900 Standorte. Und haben vor einem Jahr noch 6500 Lehrpersonen die Betreuung übernommen, sind es diesmal 6200. Davon sind etwa ein Fünftel Studierende, die in diesem Jahr erstmals bei den Lernbrücken eingesetzt werden. Der Fokus der Maßnahmen soll auf Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen liegen – und auf der Förderung im sozial-emotionalen Bereich, um etwa Lernblockaden zu lösen.

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Grundsätzlich, sagt Lederle, stehe sein Verband dem Projekt weiterhin positiv gegenüber. Der VBE halte den Zeitpunkt aber für schwierig. "Gerade in den letzten beiden Wochen der Sommerferien wird an den Schulen das neue Schuljahr organisatorisch aufgegleist und die Lehrkräfte selbst planen den Unterricht für das kommende Schuljahr." Es komme damit wieder zu einer zusätzlichen und hohen Belastung für Lehrkräfte und Schulleitungen. Deutlicher äußert sich Scholl. "Die Maßnahme ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist besser als nichts – aber bei weitem nicht ausreichend." Mit dem Lernlücken-Programm könne man möglicherweise Rückstände in einem Fach aufholen, aber nicht die Probleme derjenigen angehen, die während Corona komplett abgehängt worden seien. Viele Lehrkräfte, berichtet auch Lederle, zögen die grundsätzliche Eignung des Programms zur Schließung von Lernlücken in Zweifel. "Eine Art Crashkurs wird nach deren Einschätzung eher als ungeeignet empfunden, Lücken zu schließen." In das mit dem neuen Schuljahr startende Programm "Lernen mit Rückenwind" setzt der VBE daher mehr Hoffnung.

"Wichtiger als die Lernbrücken sind ab dem Schulstart am 13. September dauerhafte zusätzliche Förderangebote und mehr Personal, um Klassen teilen zu können", sagt der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Matthias Schneider. Die GEW erwarte daher weitere personelle Unterstützung für die Kitas und Schulen.

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