Mit den Plänen von RNV und Stadt ist kaum jemand zufrieden
Entscheidung oder Denkpause? "Urban Innovation" präsentierte Alternativen. Einige Fraktionen wollen noch keinen Grundsatzbeschluss.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Heidelberg braucht einen neuen Betriebshof für Straßenbahnen und Busse. Das steht seit vielen Jahren fest, doch wo er gebaut wird, ist noch immer offen. Das soll sich eigentlich am 22. Juli ändern, wenn der Gemeinderat in einem Grundsatzbeschluss die Planungen für einen Neubau in Bergheim absegnen könnte – doch im Vorfeld zeichnet sich ab, dass das Gremium sich noch einmal mehr Zeit lassen könnte. Denn zufrieden ist mit den Plänen von RNV und Stadtverwaltung kaum jemand – das wurde am Mittwochabend auch in einer Veranstaltung von "Urban Innovation" erneut deutlich. Deshalb hatte der Verein drei Menschen gebeten, ihre alternativen Vorstellungen zu präsentieren. Die RNZ gibt einen Überblick und erklärt, wie es nun weitergehen könnte:
> Die aktuelle Planung: Nach dem Bürgerentscheid 2019 hatte der Gemeinderat Stadt und RNV beauftragt, einen Neubau am jetzigen Altstandort in Bergheim zu planen. Damit der Betriebshof dort errichtet werden könne, brauche man jedoch zusätzliche Abstellflächen für die Bahnen. Deshalb sollen in Rohrbach-Süd und in Wieblingen kleinere Anlagen errichtet werden. Damit würde der Standort in Bergheim zumindest ein wenig entlastet, sodass eine städtebauliche Aufwertung rund um das Gelände möglich wäre. Gleichzeitig müsste jedoch in Rohrbach und Wieblingen Fläche versiegelt werden, außerdem gäbe es drei Abstellanlagen, die man koordinieren müsste.
> Alternative 1 – Alles in Bergheim: Karin Weber von der Bürgerinitiative Ökologische Mobilität will ebenfalls einen neuen Betriebshof mit größerer Kapazität – jedoch ohne neue Flächen zu versiegeln. Deshalb pocht sie darauf, dass in Bergheim die gesamte zur Verfügung stehende Fläche genutzt wird. Dann könnte man dort wie benötigt 50 Bahnen und 30 Busse unterstellen. Wenn man den Betriebshof zudem in Etappen baue, seien keine dezentralen Abstellanlagen nötig – "auch nicht während des Umbaus". Das führe zwar dazu, dass das Areal dichter bebaut werden muss, aber laut Weber biete die Variante dennoch auch "große städtebauliche Chancen" für Bergheim.
So könne man einen Teil der Hallen überbauen und damit Wohnraum und Gewerbe schaffen. Die Emil-Maier-Straße könnte man zur Grünfläche ausbauen und das Areal der Alten Feuerwache nur teilweise für den ÖPNV nutzen – etwa mit Bushallen im Erdgeschoss und Raum für die Kreativwirtschaft darüber. Ihre Vision, davon ist Weber überzeugt, sei nicht nur aus Verkehrssicht besser, sondern auch 20 Millionen Euro günstiger als die Variante der Stadt und könne einfacher realisiert werden.
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> Alternative 2 – Eternithalle nutzen: Der Architekt Till Schweizer will mit seinem Vorschlag mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er plädiert dafür, die leerstehende Halle auf dem Eternitgelände in Rohrbach-Süd als Teil des Betriebshofes zu nutzen. Somit könnte man nicht nur auf Flächenversiegelungen verzichten und würde jede Menge "Graue Energie" beim Neubau sparen – und so deutlich weniger CO2-Emissionen verursachen. Man würde gleichzeitig für das denkmalgeschützte Gebäude die ideale Nachnutzung finden: "Viel näher an der ursprünglichen Nutzung geht es kaum", so Schweizer. Entsprechend sei auch der Denkmalschutz kein Problem. In der Halle könnten 24 bis 38 Straßenbahnen und ebenso viele Busse untergestellt werden, auch die Werkstätten hätten Platz. Damit wäre immer noch ein zweiter Standort nötig, aber Bergheim würde "massiv entlastet" und könnte aufgewertet werden.
Der größte Nachteil ist die Lage: Nach Rohrbach-Süd führen aktuell nur zwei Straßenbahngleise durch West- und Südstadt. Über diese müssten dann täglich Dutzende Bahnen fahren. Langfristig gesehen könne man dieses Problem jedoch lösen. Wenn nämlich das Straßenbahnnetz, wie von der RNV erhofft, in Richtung Süden deutlich ausgebaut wird, läge die Halle deutlich zentraler. Zudem könne man Ringschlüsse bauen, um die Zufahrt aus verschiedenen Richtungen zu ermöglichen und das Netz gleichzeitig stabiler zu machen.
> Alternative 3 – Betriebshof im Keller: Die beeindruckendste Vision stellte der Architekt Nils Herbstrieth bei der Veranstaltung vor. Er will den Betriebshof zwar ebenfalls komplett in Bergheim lassen, dort aber gleichzeitig ein hochwertiges Quartier schaffen. Dafür will er die Straßenbahnen und die dazugehörigen Werkstätten in eine Tiefgarage unterhalb des Areals verbannen. Die Zufahrt erfolge über eine Rampe in der Karl-Metz-Straße sowie einen Tunnel vom Hauptbahnhof aus. Die Busse könnte man in einer Halle darüber abstellen. Diese bräuchte jedoch deutlich weniger Platz, sodass außenrum "eine relativ normale urbane Bebauung" möglich sei. Etwa 400 Wohnungen ließen sich dort unterbringen, dazu Platz für Gewerbe.
Zudem erhalte die Halle ein begrüntes Dach, das als große Freizeitfläche für ganz Bergheim funktioniere. Natürlich sei die Variante teurer als ein überirdischer Betriebshof, gab Herbstrieth zu. Aber eine Stadt wie Heidelberg könne es sich nicht erlauben, mitten in Bergheim die bisherigen Ideen zu realisieren. "So eine Planung an so einem Ort – das kann nicht sein", betont der Architekt.
> Wie geht es weiter? Der Gemeinderat kann in knapp zwei Wochen RNV und Stadtverwaltung grünes Licht für ihre Pläne geben und daran natürlich noch Änderungen vornehmen. Geht es nach Christina West von "Urban Innovation" vertagt er das Thema jedoch noch einmal: "Es sind noch lange nicht alle Fragen besprochen und nicht alle Alternativen durchdacht." Die Anregungen ihrer drei Gäste seien es etwa wert, in die Überlegungen einbezogen zu werden. Deshalb solle der Gemeinderat sich selbst, aber auch der Stadtgesellschaft "etwas mehr Zeit geben". Sonst bestehe die Gefahr, dass erneut ein Bürgerentscheid die Pläne stoppe.
Zwar drängen RNV, Stadt, der Fahrgastbeirat und auch einige Stadträte auf eine schnelle Entscheidung – da der bisherige Betriebshof marode ist –, doch es gibt es auch Fraktionen, die den Fuß vom Gas nehmen wollen. Die CDU hatte etwa schon im Mai betont, man solle die Eternithallen prüfen und die Entscheidung bis dahin vertagen. Bei der Veranstaltung am Mittwoch zeigte sich auch Manuel Steinbrenner (Grüne) offen für eine weitere Denkpause: Der Druck bei der RNV sei zwar riesig, aber seine Fraktion sei ebenfalls nicht überzeugt von den Plänen: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass zeitliche Not kein guter Ratgeber war."