Albtraum oder Aufwertung?

"Ozeanriesen" im kleinen Neckar-Dorf und die Hoffenheim-Spieler (Update)

In dem Neckargemünder Ortsteil plant ein Investor ein Großprojekt. Die Bürger sind damit überhaupt nicht einverstanden.

03.05.2021 UPDATE: 04.05.2021 19:43 Uhr 4 Minuten, 1 Sekunde
So stellt sich der Investor die neue Bebauung in Rainbach vor. Visualisierung: Onigkeit-Gruppe

Von Christoph Moll

Neckargemünd-Dilsberg. Dass zahlreiche Menschen an einem Ort zusammenkommen, sollte derzeit vermieden werden. Die umstrittene Neubebauung im Ortsteil Rainbach erschien der Stadt aber so wichtig, dass sie zu einer Einwohnerversammlung lud. Fast alle der 120 Plätze in der Graf-von-Lauffen-Halle waren belegt. Bekanntlich will der neue Eigentümer, die Onigkeit-Gruppe, den Gebäudekomplex mit der historischen Gaststätte "Zum Neckartal" abreißen. Sie zählte einst bekannte Persönlichkeiten – unter anderem Bundeskanzler Helmut Kohl – zu ihren Gästen. Geplant sind mehrere Mehrfamilienhäuser, ein Hotel und Gastronomie. Eine Bürgerinitiative findet die Pläne zu massiv und will einen Bürgerentscheid erwirken.

Die Sicht der Stadt

Bürgermeister Frank Volk reagierte zunächst auf Gerüchte und stellte klar, dass er keine Beziehungen zur Onigkeit-Gruppe unterhalte und ihm Ähnliches auch nicht von Stadt- und Ortschaftsräten bekannt sei. Ebenfalls nicht korrekt sei, dass das Projekt bereits beschlossen sei oder Festlegungen getroffen wurden. "Der Gemeinderat hat nur beschlossen, dass ein Bebauungsplan aufgestellt werden soll und dass Wohnen, Hotel sowie Gastronomie denkbar sind." Das Ausmaß der Bebauung sei noch nicht festgelegt. Volk widersprach auch dem Vorwurf, dass hinter verschlossenen Türen verhandelt werde. Und was den Leinpfad in dem Bereich angehe, der nun im Onigkeit-Eigentum ist, sei kein Nutzungsrecht für die Bevölkerung im Grundbuch eingetragen. Dieses ergebe sich aber aus der Historie.

Fatos Rukiqi (2.v.r.), Architektin Melanie Busch und Onigkeit-Anwalt Frank Maaß (l.) stellten die Planung bei der von Frank Volk moderierten Versammlung vor. Foto: Alex

Der Bürgermeister erklärte, dass es für die Neubebauung zwei Möglichkeiten gebe: Ohne Bebauungsplan müsse sich das Vorhaben an der Umgebungsbebauung orientieren. Dann dürften aber nur die direkten Angrenzer mitreden. Mit Bebauungsplan – und auf diesem Weg sei man – werde eine "umfassende Beteiligung" der Öffentlichkeit ermöglicht. Nicht nur direkte Anwohner könnten sich äußern. "Rainbach ist eine sensible Siedlung", betonte Volk. "Wir sehen es positiv, dass die Bevölkerung großes Interesse zeigt."

Auch interessant
Neckargemünd: Wo der Bürgerentscheid das Ziel ist
Bauvorhaben in Rainbach: "Interessen werden gewährleistet sein"
Neckargemünd: Geplante Neubebauung "Rainbach 2.0" sorgt für große Aufregung

Die Sicht des Investors

"Wir gehen transparent mit unseren Projekten um", betonte Fatos Rukiqi von der Onigkeit-Gruppe. "Wir nehmen gerne Anregungen mit." Der Projektentwickler meinte weiter: "Das Schlechteste wäre, wenn alles so bleibt." Die leerstehenden Gebäude würden zusehends verfallen. Die Bausubstanz gebe – mit Ausnahme des Wohntrakts – einen Erhalt nicht her. "Deshalb wollen wir mit etwas Neuem an das Alte anknüpfen", bekräftigte er. Ziel sei, dass auch wieder bekannte Personen hier zu Gast sind. "Im Moment kommt aber niemand", gab Rukiqi zu bedenken. "Kein Investor richtet das her und verkauft dann Schnitzel für sechs Euro." Die neuen Gebäude sollen im Eigentum der Onigkeit-Gruppe bleiben und vermietet werden. "Wir brauchen die Mieteinnahmen der Wohnungen, um die Gastronomie mitzufinanzieren", so Rukiqi. "Ohne diese Quersubventionierung geht es nicht."

Die frühere Gaststätte „Zum Neckartal“ steht seit acht Jahren leer. Foto: Alex

Geplant seien zwei Gastroflächen sowie ein Hotel mit Tagungsräumen und 28 Betten. Zwölf der 21 Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern sollen in vier Gebäuden entstehen, die schiffsförmig am Neckar geplant sind. "Sie sollen zum Wasser passen – wie parkende Schiffe in einem Hafen", so Rukiqi zur Gestaltung.

Die Parkplätze am Neckar sollen künftig für Gäste des Hotels und der Gastronomie reserviert sein. Rukiqi betonte auch, dass die Kastanienbäume stehen bleiben sollen. "Aus unserer Sicht schmücken die Gebäude den Berg und sind eine Aufwertung", meinte er – die Reaktionen zeigten aber, dass das nicht alle so sahen. "Wir verhandeln zudem mit angrenzenden Eigentümern, die ihre Gebäude verkaufen wollen", so Rukiqi.

Die Sicht der Bürger

In der zweistündigen Diskussion wurde vor allem die Dimension der Gebäude kritisiert. Edith Mayer, Vertrauensperson des Bürgerbegehrens, sprach von "Albtraumbildern" der neuen Bebauung. "Rainbach ist ein Stück Heimat, das ich liebe – und nicht einfach fantastisches Bauland", sagte sie. "Die Schiffchen sind eher Ozeanriesen", meinte sie. Die Architektur sei toll und passe in die Stadt, aber nicht aufs Dorf, so Mayer unter Applaus. Sie bezweifelte, dass die Kastanienbäume die Bauarbeiten überleben.

Gefragt wurde auch nach dem Geschäftsmodell der Onigkeit-Gruppe. Der frühere Wirtschaftsprüfer Fritz Münzing sprach von vielen kleinen undurchsichtigen Gesellschaften und mehreren Gebäuden, die teilweise unvermietet seien. Rukiqi erklärte, dass eine Gesellschaft pro Projekt im Immobilienbereich üblich sei. Und die Gruppe erziele Mieteinnahmen.

Anwohner Dirk Staudenmaier kritisierte, dass das Hotel sechs Meter höher werden soll als sein Haus daneben. "Da finde ich leicht überdimensioniert", sagte er. Er fragte nach der Rolle der TSG Hoffenheim. "Es gibt Spieler, die bei uns Mieter sind", so Rukiqi. Staudenmaier, ebenfalls Vertrauensperson des Bürgerbegehrens, betonte: "Wir sind nicht gegen eine Bebauung, aber wir wollen bei Null anfangen." Helga Gunst, ebenfalls im Bürgerbegehren engagiert, wünschte sich lieber bezahlbaren Wohnraum für junge Familien als teure Wohnungen.

Der in Rainbach geborene CDU-Altstadtrat Günther Knobel hielt einen flammenden Appell für eine kleinere Bebauung. "Solch ein Klotz passt nach Heidelberg", sagte er und fügte unter Applaus an: "Wir wollen unsere Heimat nicht verschandeln lassen." SPD-Stadtrat Winfried Schimpf meinte, dass 2400 Quadratmeter Wohnfläche "sehr monströs" seien. Er hinterfragte auch, ob ein Hotel in dieser Dimension sich lohne. Bürgermeister Volk stellte schließlich in den Raum, ob am Hotel festgehalten werden muss. Wann der Gemeinderat sich erneut mit dem Thema befasst, blieb offen.


CDU: Veränderungen klar rechtswidrig

Neckargemünd. (cm) Im Streit um den Abriss der historischen Gaststätte "Zum Neckartal" und eine Neubebauung mit Mehrfamilienhäusern, einem Hotel und Gastronomieflächen meldet sich nun die CDU zu Wort. "Wir sehen den von den Freien Wähler eingebrachten Antrag auf Erlass einer Veränderungssperre äußerst kritisch", so Fraktionschefin Anne von Reumont. "Eine Veränderungssperre, die sich nur auf die Verhinderung eines bestimmten Vorhabens bezieht, ist nämlich klar rechtswidrig." Diese helfe den Anwohnern nicht und hätte für die Stadt einen kostspieligen Prozess zur Folge, den sie wohl verliere. Die CDU sieht in dem Vorhaben "eine große Chance für Neckargemünd" und setzt auf einen Dialog zwischen Einwohnern und der Onigkeit-Gruppe als Investor. Eine Bürgerinitiative hält das Vorhaben für zu massiv und will einen Bürgerentscheid erwirken.

Update: Donnerstag, 6. Mai 2021, 19.39 Uhr


Wird der Abriss in Rainbach verhindert? Lesen Sie unten mehr

Im Streit um die Neubebauung im Ortsteil Rainbach gibt es eine neue Entwicklung: Der Gemeinderat könnte sich bereits in seiner nächsten Sitzung in zwei Wochen mit dem Großprojekt der Onigkeit-Gruppe befassen. Denn die Freien Wähler haben, wie deren Stadtrat Steffen Wachert am Dienstag mitteilte, eine sogenannte Veränderungssperre für das Areal der früheren Gaststätte "Zum Neckartal" beantragt. Diese soll abgerissen werden. Stattdessen sind mehrere Mehrfamilienhäuser, ein Hotel und Gastronomiebereiche geplant. "Durch diese Veränderungssperre wollen wir vermeiden, dass auf dem Plangebiet vorschnell nicht mehr umkehrbare Fakten geschaffen werden", so Wachert.

Update: Dienstag, 4. Mai 2021, 19.43 Uhr

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.