Heidelberg

Was die GGH heute leisten kann und was nicht

100 Jahre städtische Wohnungsbaugesellschaft: Im RNZ-Interview spricht Geschäftsführer Peter Bresinski über steigende Mieten und die Mittel dagegen.

26.03.2021 UPDATE: 26.03.2021 14:22 Uhr 7 Minuten, 33 Sekunden
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Von Denis Schnur

Heidelberg. Seit 100 Jahren gibt es in Heidelberg eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, die für bezahlbare Mieten sorgen soll. Einer, der die Entwicklung der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH) nicht nur 18 Jahre miterlebt, sondern stark geprägt hat, ist Peter Bresinski, seit 2003 ihr Geschäftsführer. Im RNZ-Interview zum Jubiläum spricht er über steigende Mieten, Mittel dagegen und darüber, warum Wien nicht wirklich als Vorbild für Heidelberg taugt.

Herr Bresinski, Sie haben 18 Jahre GGH-Geschichte als Geschäftsführer geprägt. Was war dabei die größte Veränderung?

Die GGH hat sich in dieser Zeit zu einem Immobiliendienstleister mit einem breiten Angebotsspektrum entwickelt. Außerdem ist neben den sozialen Themen die Ökologie stärker in den Fokus gerückt. Wir bedienen dies alles unter dem Postulat der Wirtschaftlichkeit. Diesen Dreiklang verstehen wir als nachhaltiges Handeln.

Peter Bresinski. Foto: GGH

Als Sie angetreten sind, war die GGH eher eine große städtische Vermieterin mit vielen Sozialwohnungen?

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Genau. Damals ging es vor allem darum, dass die GGH günstigen Wohnraum zur Verfügung stellt, die Qualität war nicht immer sehr hoch. Manche Wohnungen waren nur noch schwer zu vermieten. Es wurde zudem nicht viel gebaut, da die Nachfrage zurückging.

Ihr Jubiläum steht unter dem Motto "100 Jahre soziale Verantwortung". Warum?

Weil das unsere DNA ist. Wenn jemand in der Stadt fairen und bezahlbaren Wohnraum anbietet, dann ist es die GGH.

Dabei gibt es viele, die finden, dass die GGH das noch mehr machen müsste.

Ich weiß nicht, wie man das begründen will. Was wir momentan bauen, ist zu 80 Prozent preisgebunden. Die Durchschnittsmiete der GGH beträgt 6,90 Euro pro Quadratmeter, 88 Prozent unserer Wohnungen liegen unter acht Euro pro Quadratmeter. Dass wir wirtschaftlich leistungsfähiger geworden sind, heißt ja nicht, dass wir das Soziale vernachlässigen – im Gegenteil: In den Nullerjahren haben wir trotz auslaufender Bindungen für die Hälfte unseres Bestandes freiwillig eine Preisbindung festgelegt. Das hat es sonst in Deutschland nirgends gegeben.

Und die andere Hälfte?

Diese Wohnungen haben wir in Richtung mittleres Einkommenssegment entwickelt, dorthin wo sie am dringendsten gebraucht werden. Wir haben in Heidelberg nämlich viele Menschen, die nicht das Geld haben, um Neubaumieten von heute 13 Euro zu zahlen, aber dennoch bereit sind, mehr als sechs Euro zu zahlen und auch eine höhere Qualität wünschen.

Bis 2024 baut die GGH 1500 neue Wohnungen. Geht der Ausbau so weiter – oder ist das aktuell den Konversionsflächen geschuldet?

Natürlich können wir auf den Konversionsflächen viel bauen und von unserer Seite könnte es so weitergehen, wenn wir weiterhin Flächen zur Verfügung haben. Was sich viele wünschen – dass der Anteil der GGH-Wohnungen in der Stadt wächst – können wir prinzipiell erfüllen. Wir müssen dazu aber überproportional zur Stadt wachsen. Wir wissen im Moment jedoch nicht, wo wir die Flächen dazu hernehmen sollen. Nach dem, was wir derzeit bearbeiten, bleibt das Patrick-Henry-Village. Alle Flächen, die darüber hinaus gehen, werden mit Diskussionen behaftet sein: Wo wird nachverdichtet? Geht man auf die grüne Wiese? Es mag trivial erscheinen, aber es gilt: Wenn man mehr Wohnungen will, muss man Flächen opfern oder in die Höhe gehen.

Es gäbe auch eine andere Möglichkeit, den Bestand zu vergrößern: Häuser kaufen. 2020 gab es im Emmertsgrund die Gelegenheit, 320 Sozialwohnungen zu erwerben. Wollten oder konnten Sie nicht?

Selbstverständlich wären wir in der Lage, diese Sozialwohnungen zu bewirtschaften. Aber: Wenn wir mehr Wohnungen wollen, bringt es nichts, welche zu kaufen, die schon da sind. Zudem ist es nicht sinnvoll, Wohnungen zu kaufen, mit denen wir pro Jahr eine halbe Million Euro Verlust machen. Wenn wir das tun, entziehen wir uns Geldmittel, die wir dringend für andere Vorhaben benötigen. Damit schwächen wir die GGH – und das ist auf Dauer keine gute Idee.

Aber es geht ja auch darum, Mieten stabil zu halten.

Das würde nur gelten, wenn zu befürchten wäre, dass die Wohnungen sonst sehr teuer werden. Das wird auf dem Emmertsgrund in der Form nicht passieren.

Aber Sie könnten auch andere leer stehende Gebäude kaufen – und etwa das insolvente "Star Inn"-Hotel in der Speyerer Straße zum Studentenwohnheim umbauen, wie die FDP fordert.

Ich freue mich ja, dass man uns das zutraut. Aber wir sind doch nicht der Straßenfeger für gescheiterte Immobilienprojekte. Wir bearbeiten derzeit ein Projektvolumen von 1,1 Milliarden Euro. Offenbar glauben manche in der Stadt dennoch, wir könnten im Vorbeigehen alles kaufen.

Selbst wenn also der Gemeinderat bereit wäre, die Kosten zu tragen, könnten Sie das nicht umsetzen?

Warum soll man in den Markt eingreifen, um ein Hotel umzubauen, wenn es vielleicht zunächst einmal ein Hotel bleiben kann? Ich wüsste nicht, wie man das dem Steuerzahler vermitteln will. Wir erhöhen unsere Bestände kontinuierlich und verbessern deren Qualität. Dies schaffen wir seit 15 Jahren mit organischem Wachstum. Uns wäre am liebsten, wenn wir diesen Weg fortführen könnten. Wenn wir zusätzliches Geld bekommen, müssen wir das verarbeiten können. Wenn aber die Stadt wächst, sollten wir schauen, dass wir als GGH die Flächenentwicklung machen. Dafür kann man uns gerne zusätzliches Kapital geben.

Der Einwohnerantrag Wohnen sieht vor, dass Sie in sechs Jahren 4000 zusätzliche Wohnungen bauen.

Das kann man sich natürlich wünschen. Aber es ist weit weg von der Realität. Dafür bräuchten wir alleine als Eigenkapital 150 Millionen Euro mehr. Ich wüsste nicht, wo die herkommen sollen.

Von Verhältnissen wie in Wien, wo jede zweite Wohnung der Stadt gehört, kann man hier also nur träumen?

Wenn man Wien kopieren will, muss man sehr viel Geld in die Hand nehmen. Wien hat ja auch mal angefangen – vor 100 Jahren. Und heute schießt Wien pro Jahr 600 Millionen Euro Subventions- und Fördermittel in den Wohnungsbau. Wenn man das auf Heidelberg umrechnen würde, wären das 50 Millionen Euro. Wien ist ja nicht vom Himmel gefallen.

Und wie erreichen wir in Heidelberg günstige Mieten?

Die Stadt hat aktuell den Plan, 800 Wohnungen im Jahr neu zu erstellen. Wenn die Nachfrage bleibt, wie sie ist, wohnen zwar mehr Menschen in Heidelberg, aber die Auswirkung auf die Preise ist dennoch marginal. Selbst wenn diese Wohnungen komplett im sozialen Wohnungsbau erstellt würden, würde sich die Durchschnittsmiete nur um ein paar Cent verändern. Das bringt also nicht viel. Aber das heißt nicht, dass man keine Wohnung findet. Die Leute werden sich mit weniger Fläche zufriedengeben müssen. Ich weiß, dass manch einer das nicht gern hören will, aber attraktive Städte werden immer teurer sein, als andere, die nicht so viel zu bieten haben.

Das muss man als Stadt so hinnehmen?

Das Problem ist, dass neben der hohen Nachfrage in den Städten viele Faktoren dafür sorgen, dass Wohnen teuer wird, vor allem die Nullzinspolitik, die Bodenwertsteigerungen und Spekulationen auslöst. Die Investoren treibt es dahin, wo es noch Rendite gibt. Die Baukosten steigen, weil Baustoffe teurer geworden sind und die Nachfrage nach Bauleistungen hoch ist. Darüber regt sich seltsamerweise niemand auf.

Man könnte doch auch mal ein ernstes Wort mit der Bauindustrie sprechen und nicht alles auf die Wohnungswirtschaft abwälzen. So erklären sich Neubaumieten von aktuell 13,50 Euro pro Quadratmeter – ohne dass man eine große Rendite hätte. Worüber man reden kann, ist, dass Lagegewinne abgeschöpft oder begrenzt werden. Es gibt auch Vermieter, die einfach den Markt mitnehmen und ihre Wohnungen wesentlich teurer anbieten, ohne zu investieren. Da gibt es Angebote, die an Unverschämtheit grenzen.

Wie kann man dem Einhalt gebieten?

Das Zweckentfremdungsverbot ist auf jeden Fall wichtig und an der Intensivierung des Baulandmanagements wird ja in Heidelberg sehr umfangreich gearbeitet. Diese Maßnahmen kosten eine Stadt nicht viel und bringen einiges. Ein Mietendeckel hemmt hingegen die Investitionen und treibt den Schwarzmarkt. Ansonsten müssen wir einfach mehr Wohnraum schaffen. Die GGH kann aus organischem Wachstum heraus pro Jahr 200 Wohnungen beitragen – das wären 25 Prozent der Wohnungen, die in Heidelberg entstehen. So würden wir auch langsam unseren Anteil am Markt vergrößern. Alles aufkaufen können wir jedoch nicht, zumal dann die Preise noch weiter in die Höhe gehen würden, sobald wir das machen.

Zu fairen Preisen aber schon?

Klar, das machen wir immer wieder. Wir haben etwa in der Alten Eppelheimer Straße ein Ensemble gekauft mit Wohnungen und einer Schreinerei. Ein Bauträger wollte es sanieren und verkaufen, war aber noch in Austausch mit dem Denkmalschutzamt. Wir haben dann ein Angebot gemacht, das wir gerade noch vertreten konnten, und haben den Zuschlag bekommen.

Was wurde aus dem Ensemble?

Wir haben es denkmalgerecht saniert, und die Schreinerei, die schon die Kündigung hatte, als Mieter halten können. Die Wohnungen vermieten wir jetzt für etwa zehn Euro. Das ist für die Lage ein sehr fairer Preis.

Auf den großen Entwicklungsflächen der letzten Jahre spielte die GGH immer eine große Rolle. Wie sieht die auf PHV aus?

Wir haben ein ähnliches Modell wie auf MTV vorgeschlagen: Wir wollen in einer gemeinsamen Gesellschaft mit Partnern aus dem Stadtkonzern auch den Hochbau betreiben und einen Teil der Flächen oder Wohnungen verkaufen. Damit wollen wir den preisgebundenen Wohnraum quersubventionieren.

Wie MTV: Hieße das, dass 70 Prozent geförderter Wohnraum entstehen?

Nein, da geht es erst mal um die Organisationsform und eine Finanzierungsidee. Wie hoch der Anteil der geförderten Wohnungen liegen wird, hängt vor allem von den Bodenpreisen ab sowie den sonstigen Rahmenbedingungen, die bisher noch nicht vollständig definiert sind.

PHV soll ein ökologisch vorbildlicher Stadtteil werden. Dabei werfen Ihnen Kritiker vor, Sie hätten etwa beim Thema Solarenergie selbst noch Nachholbedarf.

Da ist die GGH seit vielen Jahren aktiv. Wir haben noch nicht unsere ganzen Dächer voll mit PV-Anlagen, das stimmt. Ich habe aber bereits 2005 die Solarpotenziale aller Dachflächen bewerten lassen. Wir hatten nur lange das Problem, dass wir das wirtschaftlich nicht abbilden konnten, vor allem im Bestand ist es schwierig.

Nun wollen Sie das aber forcieren?

Ja. Eine Potenzialanalyse, die die Stadtwerke 2018 für uns gemacht haben, zeigt, dass wir insgesamt neun Megawatt Strom auf unseren Dächern erzeugen können. Ein Megawatt erzeugen wir bereits und 2,5 haben wir in Prüfung, Planung und Bau. Ich gehe davon, dass wir die bis 2025 realisieren. Bis 2030 könnten wir das gesamte Potenzial ausreizen.

Für den Klimaschutz noch wichtiger wäre eine schnelle energetische Sanierung des Bestandes. Wie sieht es da aus?

Wir haben einen Durchschnittsverbrauch von 125 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter für Raumwärme und Warmwasser. Das ist ein guter Wert, weil wir auch schon viel gemacht haben: 60 Prozent unserer Bestände sind zumindest teilweise energetisch saniert worden. Einen genauen Plan, bis wann wir wie viele Gebäude angepackt haben, haben wir noch nicht. Eine feste Sanierungsrate, die vollständig warmmietenneutral abgebildet werden soll, wird jedenfalls nicht darstellbar sein.

Was ist realistisch?

Das schauen wir uns an und legen dann einen Sanierungsplan als Teil einer umfassenden Klimastrategie vor. Die erstellen wir unter anderem auch in Zusammenarbeit mit der "Initiative Wohnen 2050", in der wir Gründungsmitglied sind – ein Zusammenschluss mit dem Ziel, die Wohnungswirtschaft bis spätestens 2050 klimaneutral zu gestalten. Leider ist das eine äußerst komplexe Angelegenheit und nichts für einen Schnellschuss. Sie fragen drei Leute und bekommen fünf verschiedene Ansichten.

Aber es ist doch klar, dass eine gute Dämmung immer besser ist, oder nicht?

So klar ist das gar nicht. Selbstverständlich ist ein gedämmtes Gebäude energetisch besser, als ein nicht gedämmtes. Wenn man aber überlegt, dass der Strom und unsere Fernwärme in den nächsten Jahren immer grüner werden, darf man sich schon die Frage stellen, wie viel Geld man unbedingt in die Gebäudehülle investieren muss und wie viel Material – also graue Energie – ich dafür verbrauche. Reicht nicht weniger, wenn ich weiß, ich kann mit grünem Strom heizen? Die Gesamtschau ist entscheidend und damit der konkrete CO2-Ausstoß, nicht allein der theoretische Wärmebedarf.

Zum Schluss ein Blick nach vorne: Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?

Ich wünsche mir, dass wir unseren bisherigen Weg souverän weitergehen können und man der GGH auch in Zukunft dasselbe Vertrauen entgegenbringt, wie in den vergangenen 100 Jahren. Das hilft der Wohnbevölkerung in unserer Stadt am meisten.

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