Bezirksbeirat lehnt Abstellanlage für Straßenbahnen in Rohrbach ab
Zwischen Behauptungen und Fakten - Dreieinhalb Stunden hitzige Diskussion

Von Steffen Blatt
Heidelberg. Baubürgermeister Jürgen Odszuck wusste, dass er eine heikle Sitzung zu leiten hatte, als am Donnerstag vergangener Woche der Bezirksbeirat Rohrbach virtuell zusammenkam. Es ging um die Neuplanung des Betriebshofs der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) am bisherigen Standort in Bergheim und vor allem um die geplante zusätzliche Abstellanlage für 18 Straßenbahnen an der Haltestelle Rohrbach-Süd. Nach rund dreieinhalb Stunden Diskussion entschied der Bezirksbeirat, dass er die Anlage in Rohrbach nicht haben will – und besser alle Bahnen in Bergheim abgestellt werden sollen.
"Das ist ein wahnsinnig schwieriges Thema, aber wir wollen alle Befindlichkeiten einfließen lassen. Und es ist noch nichts entschieden." Das sagte Odszuck zur Einführung und moderierte danach aus dem Neuen Sitzungssaal des Rathauses die Online-Zusammenkunft mit erstaunlicher Ruhe und Gleichmut angesichts der vielen kritischen Nachfragen aus dem Gremium.
Hintergrund
> Warum Bergheim? Der RNV-Betriebshof soll am bisherigen Standort in Bergheim bleiben und umgebaut werden. Das hat der Gemeinderat im Oktober 2019 beschlossen, nachdem sich beim Bürgerentscheid im Juli desselben Jahres eine Mehrheit gegen den Neubau auf dem Großen
> Warum Bergheim? Der RNV-Betriebshof soll am bisherigen Standort in Bergheim bleiben und umgebaut werden. Das hat der Gemeinderat im Oktober 2019 beschlossen, nachdem sich beim Bürgerentscheid im Juli desselben Jahres eine Mehrheit gegen den Neubau auf dem Großen Ochsenkopf ausgesprochen hatte – allerdings wurde das Quorum verfehlt, um die Abstimmung bindend für den Gemeinderat zu machen.
> Was ist zu beachten? Das Stadtparlament beschloss ebenfalls, Ziele des "Zukunftskonzeptes Bergheim", das eigentlich nach dem Umzug des Betriebshofs umgesetzt werden sollte, in die neuen Planungen zu integrieren: die Entstehung von bezahlbarem Wohnraum, die Entwicklung von Grünflächen und die Berücksichtigung des Kultur- und Kreativwirtschaftszentrums Dezernat 16.
> Warum weitere Abstellflächen? Für die Bauzeit am alten Betriebshof-Standort – und auch für die Zeit danach – werden zusätzliche Abstellanlagen für Straßenbahnen benötigt. Das "Zielkonzept 2030-2040" der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) geht von einem Bedarf von 50 Bahnen (heute 38) und 57 Bussen (heute 48) aus, wenn etwa Patrick-Henry-Village angebunden ist und es Straßenbahnen ins Neuenheimer Feld und nach Schwetzingen gibt. Im "neuen" Betriebshof in Bergheim wird so viel Platz jedoch nicht sein.
> Wo sollen die Abstellflächen hin? Für die Bahnen schlägt die RNV zwei mögliche Standorte vor: an der Haltestelle "Berufsschule" in Wieblingen (vier Gleise für 20 Bahnen) und an der Haltestelle "Rohrbach Süd" (sechs Gleise für 18 Bahnen). Diesen Standort favorisiert die Verwaltung: Laut Beschlussvorlage ist er billiger (Rohrbach: 13 Millionen Euro, Wieblingen: 20 Millionen zuzüglich weiterer Kosten für Grundstücksankäufe), es entstehen weniger Leerkilometer für Fahrten von den Abstellanlagen zur jeweiligen Starthaltestelle und wieder zurück – und: Die Ökobilanz fällt besser aus.ste
Entstehen mit der Abstellanlage in Rohrbach-Süd wirklich weniger Leerfahrten als am alternativen Standort in Wieblingen? Stimmt die Berechnung der Ökobilanz, die ebenfalls für Rohrbach spricht? Auch kam die Frage auf, ob am alten Standort in Bergheim statt 32 nicht doch alle 50 bis im Jahr 2040 benötigten Bahnen untergebracht werden könnten, wenn man die Emil-Maier-Straße und sogar das Gelände des Dezernat 16 mitberücksichtigen würde.
Das Problem: Auch mit diesem Areal entsteht nur ein sehr ungünstiger "Grundriss", der die Planer nicht wirklich weiterbringt. Odszuck erklärte, dass 50 Bahnen nur mit einer zweigeschossigen Bebauung abgestellt werden könnten, also mit einer Art Tiefgarage inklusive einer spindelförmigen Rampe, über welche die Bahnen dann zum Betriebsstart nach oben fahren würden. "Diese Variante ist erstens wahnsinnig teuer, und zweitens hat die RNV sie abgelehnt, weil es den gesamten Betrieb gefährdet, wenn mal eine defekte Bahn die Rampe blockiert."
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In der Diskussion balancierten die Bezirksbeiräte oftmals haarscharf an der Grenze zwischen – völlig legitimen – kritischen Rück- oder Verständnisfragen und dem Infragestellen jeglicher Kompetenz der Planer bei Stadt und RNV, die sich seit einem Jahr mit jeder Weiche, jeder Schiene und jedem Kurvenradius im neuen Betriebshof beschäftigen. Nach gut zwei Stunden war die Grenze für Odszuck überschritten – und ihm platzte der Kragen. Anlass war eine 20-minütige Wortmeldung von Karin Weber (Bunte Linke), in der sie unter anderem behauptete, die heutige Fläche in Bergheim inklusive der Emil-Maier-Straße reiche sehr wohl für 50 Bahnen. "Ich habe Ihnen eine Skizze mitgebracht, wie man den Betriebshof in sechs Abschnitten umbauen kann und keine Abstellanlage braucht", sagte die Verkehrsingenieurin, die bis zu ihrer Pensionierung bei der Bundesbahn angestellt war.
Da reichte es Odszuck: "Es ist schon einzigartig, mit welcher Chuzpe hier Dinge behauptet und als Fakten in den Raum gestellt werden, die in keinster Weise belastbar sind. Sie unterstellen uns, dass wir Ihnen hier irgendetwas vorenthalten und im Geheimen etwas vorbereiten. Und nebenbei präsentieren Sie uns mit einem Federstrich eine super Planung, die alle unsere Probleme löst." Dann fiel der Baubürgermeister wieder in den Buddha-Modus zurück und moderierte unaufgeregt weiter.
Viel besser gefiel ihm die Wortmeldung von Karin Weidenheimer (CDU), die eine Fundamentalopposition gegen die Abstellanlage ankündigte. "Zwei Demos haben wir schon organisiert, und wir sind noch steigerungsfähig. Wir werden alles tun, um die Umsetzung für die Stadt so unattraktiv wie möglich zu machen." Odszuck: "Ich danke Ihnen für diesen ehrlichen Beitrag. Sie führen keine DIN-Normen oder anderen Kokolores an, sondern sagen einfach ‚Wolle mer net‘. Das ist Ihr gutes Recht."
Am Ende wurde ein von Volker Gaukel (Grüne) formulierter Antrag mit großer Mehrheit angenommen, der die Abstellanlage ablehnt und die Prüfung weiterer Varianten fordert, auch die Unterbringung aller Bahnen in Bergheim oder dezentral im Straßenbahn-Netz, etwa an Endhaltestellen. Die so geänderte Beschlussvorlage der Verwaltung wurde danach ebenfalls angenommen und damit etwa auch der unstrittige Punkt, dass die RNV Bauherrin für das Projekt sein soll. Die Abstellanlage in Wieblingen war kein Thema.
Info: Als Nächstes diskutieren die Bezirksbeiräte Bergheim (16. März) und Wieblingen (17. März) das Thema. Die endgültige Entscheidung trifft der Gemeinderat.