Heidelberg

Klares Bekenntnis zu den Wolfsgärten? (Update)

Ministerpräsident sendet Antwortschreiben an OB Würzner – Stadträte fordern Raumprogramm

05.02.2021 UPDATE: 11.02.2021 21:00 Uhr 5 Minuten, 45 Sekunden
Direkt zwischen Autobahnkreuz und Bahnstrecke liegen die Wolfsgärten - hierhin könnte das Ankunftszentrums für Flüchtlinge verlegt werden. Foto: Priebe

Heidelberg. (ani) ani. Noch in der RNZ-Samstagsausgabe polterte Oberbürgermeister Eckart Würzner: Das Land müsse mit Konsequenzen rechnen, wenn es nicht zügig Stellung nehme zu den offenen Fragen, die den künftigen Standort des Ankunftszentrums für Flüchtlinge betreffen. Fragen wie: Will das Land auf den Wolfsgärten überhaupt bauen – oder nicht? Damit hat Würzner per Brief jüngst auch den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann konfrontiert – am Samstag stand die Antwort noch aus.

Am Dienstag aber, pünktlich zur Gemeinderatssitzung am Mittwochabend, kam endlich die Antwort aus Stuttgart: "Der Ministerpräsident schreibt, dass sich das zuständige Innenministerium weiterhin zu dem Standort Wolfsgärten bekennt, dafür bin ich sehr dankbar", erklärte Würzner in der Sitzung. Konkret heißt es in dem Schreiben, das auch der RNZ vorliegt: Der Standort Wolfsgärten sei vom für das Projekt zuständigen Innenministerium als Kompromiss akzeptiert worden, nachdem festgestellt worden war, dass dort 2000 Menschen untergebracht werden könnten. Diese Entscheidung sei laut Kretschmann wesentlich von den wiederholten Zusagen des Landes an die Stadt getragen worden, den aktuellen Standort des Ankunftszentrums in Patrick-Henry-Village (PHV) zu räumen. Ebenso habe auch das Finanzministerium bestätigt, "die Planungen für das Ankunftszentrum in Heidelberg ,Wolfsgärten‘ so zügig wie möglich durchzuführen", so Kretschmann.

Hintergrund

In mehreren Entscheidungen hat der Gemeinderat Bedingungen für ein Ankunftszentrum in Heidelberg festgelegt. Eine Übersicht:

> Maximal acht Hektar darf die Einrichtung groß sein – unabhängig vom Standort. Das hat der Gemeinderat im Dezember 2019 beschlossen.

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In mehreren Entscheidungen hat der Gemeinderat Bedingungen für ein Ankunftszentrum in Heidelberg festgelegt. Eine Übersicht:

> Maximal acht Hektar darf die Einrichtung groß sein – unabhängig vom Standort. Das hat der Gemeinderat im Dezember 2019 beschlossen.

> Maximal 1500 Menschen sollen dort im Regelbetrieb untergebracht werden, in Ausnahmen bis zu 2000. So haben es Stadt und Gemeinderat mehrfach festgelegt. Nach den hohen Zugangszahlen 2015 und 2016 lag die Belegungszahl im Ankunftszentrum am derzeitigen Standort in Patrick-Henry-Village auch fast durchgehend unter 1500.

> Die Infektionsschutzbestimmungen, die das Robert-Koch-Institut empfiehlt, müssen umgesetzt werden.

> Die versiegelte Fläche müsse bei einer Bebauung der Wolfsgärten eins zu eins ausgeglichen werden – und zwar durch die Entsiegelung eines anderen Areals.

> Freizeitflächen etwa für Sport müssen in die Einrichtung integriert werden. Die letzten drei Punkte hat der Gemeinderat im Juni 2020 festgelegt, als er mehrheitlich für die Wolfsgärten stimmte. (dns)

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Das sei ein klares Bekenntnis, befand der OB im Gemeinderat. Anders sah das Michael Pfeiffer (Grün-Alternative-Liste). Im gesamten Brief erkenne er jedenfalls keine Stelle, in welcher der Ministerpräsident selbst ein Bekenntnis zum Standort Wolfsgärten abgebe. Tatsächlich steht in dem Schreiben, "dass die Landesregierung noch nicht mit dem Projekt befasst" sei. Und weiter: "Eine solche Befassung im Ministerrat erfolgt üblicherweise erst in einem fortgeschrittenen Stadium." OB Würzner allerdings entgegnete: "Es ist absurd zu glauben, dass der Chef eine andere Meinung hat als seine Ressorts im Haus." Wenn man nicht einmal mehr dem obersten Regierungsverantwortlichen in Baden-Württemberg, der den Brief schließlich unterzeichnet habe, glaube – "dann kann ich demnächst den Papst fragen", so Würzner. Für ihn sei mit dem Schreiben klar: "Der Ministerpräsident steht hinter dem Projekt."

Nun seien weitere Informationen vom Land einzuholen, um vor dem Bürgerentscheid zur Standortfrage am 11. April die Bürgerinnen und Bürger umfassend über das Vorhaben zu informieren. Ein wichtiger Baustein dazu sei das Raumprogramm für die Wolfsgärten, das derzeit vom Innenministerium erarbeitet werde. Wie Baubürgermeister Jürgen Odszuck erklärte, könne es Aufschluss darüber liefern, wie groß die einzelnen Zimmer für die Flüchtlinge werden, wie groß der Verwaltungstrakt sein wird und wie viel Platz dann noch für Sport- oder Freizeitflächen sei. "Mit dem Raumprogramm werden wir erkennen, wie voll das Ankunftszentrum geplant wird", so Odszuck. Der Auftrag für die Erstellung eines solchen Programms wurde 2018 erteilt, auch das steht im Schreiben des Ministerpräsidenten. Grünen-Fraktionsvorsitzender Derek Cofie-Nunoo forderte deshalb, dass das Innenministerium dies nun endlich vorlege – und, dass der OB entsprechend Druck mache.

Update: Donnerstag, 11. Februar 2021, 21.18 Uhr

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Im Streit ums Ankunftszentrum reagiert Bündnis auf OB Würzner (Update)

Von Denis Schnur

Heidelberg. Nachdem Oberbürgermeister Eckart Würzner die Landesregierung in der RNZ heftig kritisiert hat, weil sie eine klare Ansage zum Ankunftszentrum vermissen lasse, übt nun das Bündnis, das den Bürgerentscheid dazu initiiert hat, wiederum Kritik an Würzner. "Vorwürfe des Vertragsbruchs, Drohungen mit dem Planungsrecht oder mit der Aufkündigung der Kooperation sind nicht zielführend", schreiben sie in einer Stellungnahme. Die Stadt sei gut beraten, mit allen Beteiligten, mit den Heidelberger Bürgerinnen und Bürgern, mit dem Bündnis, mit dem Land und mit dem Bund Gespräche zu führen, für Vorschläge offen zu sein und nach Lösungen zu suchen.

Zwar geben die Vertrauenspersonen des Bürgerentscheides dem OB Recht, dass das Ankunftszentrum nicht an einem Standort konzentriert sein müsse: "Geflüchtete dezentral unterzubringen und nur die Verwaltung zentral einzurichten, ist ein Ansatz, der zunehmend positiv in der stadtplanerischen und stadtsoziologischen Diskussion aufgenommen wird." Die Wolfsgärten, über die am 11. April abgestimmt wird, seien jedoch für eine Unterbringung jeglicher Art ungeeignet. "Werden die Flächen bebaut und versiegelt, sind sie als Acker oder als Grünfläche sowie für die Grundwasserneubildung verloren. Die isolierte Randlage ist integrationsfeindlich, in der Enge sind Epidemien nicht kontrollierbar." Dabei sei unerheblich, ob dort 1500, 2000 oder im Extremfall 3500 Geflüchtete untergebracht würden.

Für das Bündnis ist deshalb klar, dass möglichst schnell ein alternativer Standort gesucht werden muss – und da sei Patrick-Henry-Village (PHV) mehr als naheliegend: "Es ist geboten, nicht weitere Zeit zu vergeuden. Eine einfache und schnelle Lösung bietet sich auf PHV an." Denn die Mehrheit der Häuser dort stünde seit 2013 leer. Die Stadt müsse nun eine Machbarkeitsstudie durchführen, um herauszufinden, ob das Ankunftszentrum am besten im Osten, im Südosten oder im Südwesten des Areals errichtet werde.

Aktuell gehört PHV noch der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die einen Teil selbst entwickeln wird. Das Land könnte zwar Flächen direkt von der Bima erwerben, um ein Ankunftszentrum zu errichten. Alle Verantwortlichen betonen jedoch, dies auf keinen Fall gegen den Willen der Stadt Heidelberg durchsetzen zu wollen. Die Bima hingegen ist laut dem Bündnis durchaus zu einem Gespräch bereit. Das habe sie bereits vor einem Jahr mitgeteilt.

Um auf ihre Forderungen und den Bürgerentscheid hinzuweisen, trifft sich das Bündnis am Mittwoch, 10. Februar, um 16 Uhr – vor der Gemeinderatssitzung – zu zwei kleinen Kundgebungen auf dem Universitäts- und dem Marktplatz.

Update: Montag, 8. Februar 2021, 21.18 Uhr


Im Streit um das Ankunftszentrum droht OB Würzner dem Land

Heidelberg. (dns) Fast zwei Wochen ist es her, dass Oberbürgermeister Eckart Würzner in einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine klare Ansage in Sachen Ankunftszentrum forderte: Will das Land auf den Wolfsgärten bauen oder nicht? Doch noch immer habe das Stadtoberhaupt keine Antwort bekommen – im Gegenteil: Mittlerweile hat auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Uli Sckerl, die Pläne für die Wolfsgärten in der RNZ als "Notlösung" bezeichnet. Zehn Wochen vor dem Bürgerentscheid ein fatales Signal, findet Würzner, der langsam die Geduld verliert: "Das kann ich so nicht stehen lassen", sagt er. Und: "Die, die sich jetzt geäußert haben, haben dem Projekt keinen Gefallen getan."

Eckart WürznerFoto: Rothe

Als Verwaltung könne man nicht in einen Bürgerentscheid gehen, wenn von der Landesebene "extrem unterschiedliche Signale" kämen: Einerseits arbeite man mit Mitarbeitern des Innenministeriums konstruktiv an Plänen für die Wolfsgärten, andererseits äußerten immer wieder Landespolitiker Zweifel am Areal. Im Kern geht es um die Frage, ob die acht Hektar reichen, um ein Ankunftszentrum zu betreiben. Denn eigentlich plant das Land ein Zentrum mit Platz für 3500 Menschen. Dafür sind die Wolfsgärten zu klein. Das Innenministerium hatte deshalb eine "regionale Lösung" mit einem Kern in Heidelberg mit 2000 Plätzen und weiteren 1500 im Umland vorgeschlagen. Die Grünen im Land bevorzugen jedoch die "große Lösung" an einem einzigen Standort.

Für Würzner ist das unverständlich: "Die Landesregierung folgt scheinbar noch der alten Konzeption – aber eine solche Großeinrichtung ist nicht zukunftsfähig, sondern inhuman, integrationsfeindlich und in einer Pandemie nicht kontrollierbar." Das sehe man auch daran, dass die Geflüchteten derzeit zuerst in Schwetzingen auf Corona getestet und untergebracht werden, bevor sie ins Zentrum nach Heidelberg kommen. "Das funktioniert doch schon lange nicht mehr zentral an einem einzigen Standort." Das sei auch nicht schlimm, finden Würzner und Baubürgermeister Jürgen Odszuck. Ginge es nach ihnen, würde das Ankunftszentrum auf das reduziert, was es zu Beginn gewesen sei: ein Registrierzentrum, in dem das Asylverfahren zwar eingeleitet wird, in dem die Menschen aber nicht Monate warten, bis es abgeschlossen ist. So könne man das Zentrum problemlos auf den Wolfsgärten unterbringen – und weitere Plätze im Umfeld schaffen.

3500 Plätze seien dagegen in Heidelberg nicht realisierbar – egal wo, so der OB. "Da gibt es eine klare Linie der Stadt: Wir bieten gerne Platz für ein Registrierzentrum, aber nicht für eine Großeinrichtung." Im Regelbetrieb dürften hier nicht mehr als 1500 Menschen untergebracht werden. "Wenn das Land weiter 3500 Plätze für nötig hält, müssen wir sagen: Das geht hier nicht." Diese Ansage – oder das Bekenntnis zu den Wolfsgärten – müsse jedoch zügig kommen. "Wir brauchen das Signal vor dem Bürgerentscheid."

Wenn aber Abgeordnete und Minister davon redeten, ein größeres Zentrum in PHV zu errichten und vom Ministerpräsidenten komme auch auf Nachfrage kein Kommentar, "dann heißt das für mich, dass das Land einen Vertragsbruch gegenüber der Stadt begehen will", so Würzner. Denn es sei immer klar gewesen, dass PHV ein Provisorium sei. "Es war nie die Rede davon, dass Heidelberg zwangsweise eine ähnlich große Fläche zur Verfügung stellen muss."

Für den Fall, dass das Land nicht auf den Wolfsgärten baue und keinen anderen Standort präsentiere, droht Würzner mit dem Planungsrecht: "Einen weiteren Betrieb des Ankunftszentrums in PHV würde ich dann nicht genehmigen. Das Land muss mit den Konsequenzen rechnen." Denn es sei nicht nachvollziehbar, warum in den vergangenen Jahren mehrere geeignete Landesflächen abgegeben wurden – etwa in Stuttgart –, aber Heidelberg weiter darauf warten müsse, PHV zu entwickeln. "Das Zentrum ist dort nur geduldet", warnt auch Odszuck, "wir brauchen die Flächen dringend für den Wohnungsbau."

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