Senioren und Corona

Wie war die fünfwöchige Quarantäne im Anna-Scherer-Haus?

Senioren erzählen von ihrem Quarantäne-Alltag - "Im Zimmer ist mir die Decke auf den Kopf gefallen"

26.11.2020 UPDATE: 27.11.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden
Betreuungskraft Lina Grünberg (von links), Alwine Stein und Aaron Elsdon. Foto: Moll

Von Christoph Moll

Bammental. Alwine Stein hatte sich ihren 85. Geburtstag anders vorgestellt. Den 25. Oktober musste die Ziegelhäuserin alleine verbringen – in ihrem Zimmer im Anna-Scherer-Haus in Bammental. In Quarantäne. Denn nach dem Corona-Ausbruch in Haus II des Pflegeheims Mitte Oktober mussten die Bewohner in ihren Zimmern bleiben – für insgesamt fünf Wochen. Nun ist die Quarantäne aufgehoben, doch sie hat Spuren hinterlassen.

"Viele Bewohner haben die Isolation nicht gut verkraftet – und das wirkt noch nach", erklärt Wohnbereichsleiterin Martina Horn. "Viele hatten keinen Appetit und haben nicht gegessen", ergänzt Aaron Elsdon, examinierter Altenpfleger. "Der Allgemeinzustand hat sich verschlechtert – das war schon heftig." Nun trete Besserung ein. "Die Bewohner lachen wieder", erzählt er.

Für Alwine Stein war die Quarantäne nicht allzu schlimm, wie sie erzählt. Auch weil sie ihr Geburtstagsgeschenk – nämlich einen gemütlichen Sessel – schon vor Beginn der Quarantäne bekommen hatte. Darin konnte sie bequem sitzen und lesen, telefonieren, fernsehen, Radio hören Kreuzworträtsel lösen und stricken. "Vier Paar Socken und einen halben Pullover" habe sie geschafft. "Die Ruhe hat mir gut getan", sagt Stein sogar. Denn erst im September war sie nach einer Operation zur Erholung ins Anna-Scherer-Haus gekommen. "Ich kenne keine Langeweile und bin es gewohnt, viel alleine zu sein", erzählt sie. Trotz eines positiven Tests hatte sie keine Symptome gehabt.

Der Test von Gerda Klingmann war zwar negativ, aber die Quarantäne hat der 89-Jährigen aus Heidelberg zugesetzt. "Es war sehr langweilig und ich habe viel geschlafen", erzählt sie. "Ich hatte schon vorher wenig Appetit, aber der hat dann noch einmal abgenommen." Auch hat sie den regelmäßigen Besuch ihrer Tochter vermisst. "Im Zimmer ist mir die Decke auf den Kopf gefallen", so Klingmann.

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Friedlinde Eisenlohr aus Meckesheim hingegen hatte sich infiziert. "Ich hatte zwar kein Fieber, war aber immer müde", sagt die 85-Jährige. "Es war wie eine Erkältung, die nach ein paar Tagen vorbei war." Sie hat sich die Zeit mit fernsehen, telefonieren und Kreuzworträtseln vertrieben. "Es war aber sehr eintönig", sagt sie. Die Quarantäne sei "furchtbar" gewesen. "Ich fühlte mich jeden Tag wie gerädert und auch das lange Sitzen war schlimm", so Eisenlohr. "Ich war ganz lustlos." Ihre Tochter kam sie zwar auch weiterhin besuchen – allerdings blieb sie draußen auf der Straße und beide unterhielten sich durchs Fenster. "Man muss sich nur zu helfen wissen", sagt die 85-Jährige. "Aber viel länger hätte die Quarantäne nicht gehen dürfen." Inzwischen habe sie auch wieder Appetit, erzählt die Seniorin: "Seit wir wieder raus dürfen, ist es viel besser geworden." Gleich am ersten Tag ohne Quarantäne sei sie nach draußen gegangen – "wie ein Hund, der lange eingesperrt war", meint sie augenzwinkernd.

Edeltrud Seppich war anfangs schockiert, als sie erfuhr, dass sie in ihrem Zimmer bleiben müsse. "Wir haben es so hingenommen", sagt die 87-Jährige aus Bammental. "Es war ein Tag wie der andere." Auch ihr Test war positiv. "Ich war heiser, müde und schlapp", erzählt sie. "Aber ich bin eine Kämpfernatur". Nun freut sie sich, dass sie wieder mit ihren Tischnachbarn erzählen kann.

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