Ärger um die SPD beim Thema Zukunftswerkstatt
Der Gemeinderat vergab bei dem Beteiligungsprojekt begleitende Dienstleistungen. Die Kosten dafür belaufen sich auf knapp 360.000 Euro. Die SPD enthielt sich.

Von Philipp Weber
Weinheim. "Das finde ich persönlich schade." OB Manuel Just hielt nach dem Redebeitrag von Rudolf Large (SPD) mit seinem Ärger nicht hinterm Berg. Large hatte vergangene Woche im Gemeinderat beim Tagesordnungspunkt zur Zukunftswerkstatt angekündigt, dass sich die SPD ihrer fünf Stimmen enthalte. Damit waren die Sozialdemokraten zumindest unter den Fraktionen die Einzigen, die die Zustimmung zur Vergabe von externen planerischen Dienstleistungen für das Bürgerbeteiligungsprojekt verweigerten. Die große Mehrheit votierte dagegen dafür, die Prozessbegleitung einem Büro aus Saarbrücken und die planerische Begleitung Experten aus Frankfurt anzuvertrauen.
> Die Begleitung der Zukunftswerkstatt: Die Vergabe der beiden Dienstleistungspakete zum Preis von 366.000 Euro ist einer von mehreren vorbereitenden Schritten, die dem Projekt vorausgehen. Ziel der Zukunftswerkstatt selbst ist, Leitlinien für die langfristige Entwicklung der Stadt zu definieren – und einen städtebaulichen Rahmenplan zu erarbeiten. Verwaltung und Fraktionen sind sich weitestgehend einig, dass solch ein Vorhaben unbedingt externe Begleiter benötigt. Allerdings war man von niedrigeren Kosten ausgegangen, die Rede war von rund 200.000 Euro. Tatsächlich aber förderte das EU-weite Vergabefahren sowie die Auswahl der Bewertungskriterien – Honorarangebot und Bieterpräsentation sind in einem Verhältnis von 1:4 gewichtet worden – nun teurere Büros zutage.
> Was die Verwaltung sagte: OB Just blickte auf "intensive Verfahren" und viel samstägliche Arbeit zurück, in deren Zuge Verwaltungs- und Fraktionsvertreter die jeweils geeignetsten Büros ermittelt hätten. In Bezug auf die Corona-Pandemie stellte er klar, dass sich das Beteiligungsprojekt nicht gänzlich digital machen lässt. Somit entstehe ein Verzug, der so lange andauere, "bis man sich auf eine vernünftige Grundlage begeben kann". Er denke positiv und rechne mit einem halben Jahr. Das Projekt werde Weinheim prägen und sei sein Geld wert.
> Was die zustimmenden Fraktionen sagten: Elisabeth Kramer (GAL) plädierte zunächst für eine Aussetzung der Vergaben, bis die Pandemie einigermaßen beherrschbar ist und die daraus entstehenden Kosten absehbar sind. Auch die Tatsache, dass die externen Dienstleister nun fast doppelt so teuer sind wie angenommen, bereite ihr Sorge. Letztlich lenkte die GAL aber ein: Verwaltungsvertreter erklärten, dass im Falle einer Nicht-Vergabe Schadensersatzforderungen der Bieter drohen. Es sei festgeschrieben, dass die Arbeit erst beginnt, wenn es die Pandemie zulässt.
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Oliver Kümmerle (Freie Wähler) fand, dass zwei Büros zum Zuge kommen, "die ihr Handwerk verstehen". In Bezug auf Corona schloss er sich Just an.
Thomas Ott (CDU) forderte Ideen ein, wie eine Auftaktveranstaltung im Präsenzmodus eventuell umgesetzt werden könnte. In Sachen städtebaulicher Rahmenplan plädierte er dafür, den Teilnehmern von vorne herein zu verdeutlichen, wie realistisch ihre Ideen sind, etwa bei der Finanzierbarkeit.
Carsten Labudda (Die Linke) hatte grundsätzlich Verständnis für die Forderung nach Haushaltsdisziplin – sowohl bei den Dienstleister-Kosten als auch bei den Zukunftsideen im Allgemeinen. Dennoch gelte es, die Bürger sinnvoll und unter Zuhilfenahme unabhängiger Dienstleister in die Zukunftsplanungen einzubinden – und Ideen erst mal zuzulassen, ohne gleich ein "Preisschild" mitzudenken. Labuddas Stellungnahme zeugte von Fairness: Als unterlegener OB-Kandidat von 2018 stimmte er in den Wahlkampfschlager des heutigen OBs ein – obwohl die hohen Dienstleisterkosten eine offene Flanke darstellen.
Auch Wolfgang Wetzel (FDP) sah in der Zukunftswerkstatt ein "zentrales Projekt der Stadtgesellschaft". Ein Rückzieher sei auch politisch falsch: "Bürgerbeteiligung darf nicht hinten runterfallen." Damit stand eine große Mehrheit.
> Was die SPD kritisierte: Die SPD habe schon im Mai beantragt, den Prozess zur Zukunftswerkstatt auszusetzen, bis eine angemessene Haushaltslage erreicht ist, so Stadtrat Large. An dem Bieterverfahren sei zwar ebenso wenig auszusetzen wie an den beiden erfolgreichsten Büros, aber allein durch deren Arbeit entstünden hohe Kosten – von den aufzuwendenden Personenstunden innerhalb der Verwaltung und möglichen Kostensteigerungen durch die Pandemie gar nicht erst zu reden. Ein "Augen zu und durch" sei nicht zu verantworten. Andererseits sei das Vergabe-Verfahren so weit fortgeschritten, dass ein "Nein" nicht infrage komme. Die SPD löste ihr "Dilemma" – und enthielt sich.