Nun wird auf die Kanada- und Nilgänse geschossen
Aktion gegen wild lebende Kanada- und Nilgänse am Neckar - Jäger erlegten vier Tiere - Naturschützer befürworten das Vorgehen

Von Christoph Moll
Neckargemünd/Neckarsteinach. Was ist vor einigen Tagen unter der Friedensbrücke in Neckargemünd geschehen? Ein rot-weißes Band mit der Aufschrift "Polizei" riegelte den Bereich weiträumig ab – und sorgte für Rätselraten und Spekulationen: Hat sich hier etwa sogar eine Gewalttat ereignet? Die RNZ forschte nach: Tatsächlich war hier nicht – wie es das Absperrband vermuten ließ – die Polizei im Einsatz, sondern die Ortspolizeibehörde, also die Stadt. Und von dieser erfuhr die RNZ nach mehrmaliger Nachfrage: Der Grund war der Abschuss von mehreren wilden Gänsen.
Stadtsprecherin Petra Polte bestätigt, dass eine "traurige Abschussaktion gegen Nil- und Kanadagänse" stattfand. Diese sei notwendig gewesen, da sich die Tiere zuletzt "wahnsinnig verbreitet" hätten und heimischen Arten Konkurrenz machen würden. Der Abschuss sei mit der übergeordneten Kreisbehörde abgestimmt gewesen, betont Polte. "Unser Gemeindevollzugsdienst hat den Bereich abgesperrt, damit die Bevölkerung vor den Schüssen geschützt ist", erklärt sie. So sei das Schießen auch in diesem ansonsten "befriedeten Bereich" möglich gewesen. Polte bestätigt, dass vier Gänse erlegt worden seien – ob Nil- oder Kanadagänse, konnte sie nicht sagen. Ansonsten verwies die Stadt auf die Jäger, die sie aber nicht nennen wollte.

Die RNZ sprach mit mehreren lokalen Jägern. Alle sagten, dass sie nichts von der Aktion wüssten. Einer von ihnen meldete sich daraufhin aber bei der Stadt. Auf erneute Anfrage teilte Polte dann mit, dass sich die Jäger nicht äußern möchten: "So eine Riesengeschichte sind vier abgeschossene Gänse eher nicht – die meisten waren ohnehin so schnell und haben rechtzeitig das Weite gesucht." So bleiben Fragen unbeantwortet – zum Beispiel, wer die Aktion in die Wege leitete.
Andreas Quell war an besagtem Tag zufällig vor Ort. Der stellvertretende Naturschutzbund-Vorsitzende aus Neckarsteinach beobachtet die Vogelwelt am Neckar seit vielen Jahren aufmerksam. Quell berichtet von offensichtlich sechs Jägern mit Hunden und vier Mitarbeitern der Stadt, die an diesem Tag vor Ort gewesen seien. Drei davon hätten alle Wege zum Campingplatz unter der Friedensbrücke abgesperrt. "Es ist alles in Ordnung", habe ein städtischer Mitarbeiter gesagt, so Quell. "Für mich war klar, dass es um Kanadagänse geht", so der Naturschützer. Diese hätten sich in diesem Jahr auf dem Campingplatz besonders wohl gefühlt, da dieser wegen Corona lange verwaist war. "Das haben die Kanadagänse weidlich ausgenutzt", so Quell. "Sie haben das feine Gras auf der gepflegten Wiese gern."
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Der Naturschützer weiß, dass die Gänse durch ihren Kot – "eigentlich ein pflanzlicher Dünger" – und Lärmbelästigung negativ auffallen. "Die Anwohner haben wohl Druck gemacht", vermutet er und betont: "Ich bin auch dafür, dass die Gänse bejagt werden." Aber vor allem, weil sie überhand nehmen und heimische Arten wie Stockenten verdrängen. Besser als das Abschießen sei das Wegnehmen der Küken oder der Eier, was aber nicht immer möglich sei. So würde in Neckarsteinach auf einer nicht erreichbaren "Insel" an der Schleuse gebrütet.

Am Tag des Abschusses hat Quell 26 Kanadagänse in Neckargemünd gezählt. Einen Tag später waren es 23. Möglich ist, dass unter den vier getroffenen Gänsen auch eine Nilgans war. "Die Aktion war wohl nicht ganz erfolgreich", meint Quell. "Kanadagänse flüchten ins Wasser – da wurde es wohl schwer für die Jäger."
Auch Gertraude Debon hat nichts gegen den Abschuss. "Wir wären dankbar, wenn gegen Nilgänse vorgegangen wird", sagt die Neckargemünder Nabu-Vorsitzende sogar. Diese seien aggressiver und schlimmer als Kanadagänse. Und sie würden sogar inzwischen in Felswänden brüten, wo es sonst Wanderfalken tun.
Während in Heidelberg auch Jagd auf Neckar-Gänse gemacht wird, ist in Neckarsteinach noch keine Gans erlegt worden. "Wir haben es mal geprüft, aber in Hessen war es zumindest damals – leider – nicht möglich", sagt Bürgermeister Herold Pfeifer. Es sei eben schwierig, in befriedeten Gebieten zu schießen.
Bleibt noch die Frage, warum Absperrband der Polizei verwendet wurde. Dieses hatte die Stadt ausgeliehen, weil sie offenbar keines mehr hatte ...