Kernkraftwerk Obrigheim

Der Rückbau geht "skandalfrei" weiter

Der schon 2014 abtransportierte Druckbehälterdeckel aus dem Kernkraftwerk Obrigheim sorgte für Schlagzeilen.

02.11.2020 UPDATE: 03.11.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 14 Sekunden
Die grüne Wiese ist in Arbeit. Ob es eine Nachnutzung der Gebäude des seit 2005 abgeschalteten Kernkraftwerks Obrigheim geben wird, ist noch offen, ebenso möglich ist ein Abriss. Der Rückbau läuft nach Plan, Mitte der 2020er-Jahre soll er abgeschlossen sein. Fotos: Schattauer

Von Heiko Schattauer

Obrigheim. Es ist still geworden um das Kernkraftwerk Obrigheim (KWO), das mehr als dreieinhalb Jahrzehnte Strom und auch die ein oder andere Schlagzeile geliefert hat. Seit 2005 ist der 1969 in Betrieb genommene Atommeiler abgeschaltet, seit 2008 wird die Anlage zurückgebaut. Die wichtigsten Bestandteile des Kraftwerks am Neckar sind längst demontiert und zum Teil auch bereits abtransportiert oder gar deponiert. Die problematischsten, weil am stärksten radioaktiv belasteten, Reststoffe aus Betriebszeiten hat man 2017 mithilfe mehrerer Castor-Transporte nach Neckarwestheim verschifft. 342 KWO-Brennelemente sind seither im dortigen Zwischenlager geparkt.

Dieser Tage machte das KWO nun aber dennoch mal wieder Schlagzeilen, wenn auch nur im Internet. Von "Vertuschung" war da in Bezug auf den Abtransport des Reaktordruckbehälter-Deckels die Rede. Beim Energiekonzern EnBW weiß man um die Schlagzeile, kann die Entstehung aber nicht nachvollziehen. Auf der Homepage eines Radiosenders war von skandalösen Vorgängen die Rede gewesen, der RDB-Deckel sei "klammheimlich" in die USA verschoben worden, hieß es da.

Mit Verwunderung habe man die Berichterstattung zur Kenntnis genommen, erklärt ein EnBW-Sprecher auf Anfrage der RNZ: "Hier wurde der Versuch unternommen, einen regulären, vorschriftskonformen Vorgang – der zudem noch dem vom Kreislaufwirtschaftsgesetz geforderten Vorrang des Recyclings Rechnung trägt – zu skandalisieren." Mit einer sachgerechten Darstellung habe der Beitrag des Senders "nichts zu tun".

Schon weitgehend zurückgebaut ist das einstige Nasslager des KWO.

Tatsache ist, dass der RDB-Deckel aus dem KWO tatsächlich über den großen Teich gewandert ist – und zwar schon im Jahr 2014. "Der Deckel wurde im Auftrag der EnBW zu einer Fachfirma in den USA zur schadlosen Verwertung transportiert. Transport und Verwertung erfolgten unter Einhaltung aller geltenden Vorschriften", erklärt man seitens der EnBW weiter. Das entsprechende Unternehmen sei für die Verarbeitung qualifiziert, eine geeignete Wiederverwertung gewährleistet.

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Mit dem Fachterminus "schadlose Verwertung" sei gemeint, dass die Verwertung des RDB-Deckels so erfolge, dass dadurch kein Schaden bzw. keine Gefährdung für die Allgemeinheit entstehe. "Man könnte auch einfach nur Verwertung oder Recycling sagen", bekräftigt der Sprecher des Energiekonzerns.

Während der Reaktordruckbehälter selbst als schwach- bis mittelaktiver Abfall behandelt wird, treffe für den Deckel eine Kategorisierung zu, die – bezogen auf die gesamte Abbaumasse des KWO-Rückbaus – eher selten ist. "Aufgrund seines Materials (Metall) und seiner insgesamt sehr niedrigen Aktivität war der Deckel optimal geeignet für die so genannte Wiederverwertung im kerntechnischen Stoffkreislauf", skizziert man seitens der EnBW. Weshalb man in diesem Fall einen (genehmigten) Weg gegangen sei, der Vorgabe Wiederverwertung vor Deponierung gerecht werde. Für den Transport besagten Deckels wiederum war ein Spezialunternehmen aus dem Hessischen zuständig. "Das mit dem Transport beauftragte Unternehmen benötigt von seiner Aufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium Darmstadt, eine generelle – aber keine spezifische – Genehmigung für die Durchführung solcher Transporte", erläutert die EnBW auf RNZ-Nachfrage und ergänzt, dass das Unternehmen die Existenz dieser generellen Genehmigung seinerzeit nachgewiesen habe. Die EnBW selbst habe den Transport wiederum beim baden-württembergischen Umweltministerium angezeigt.

Der Reaktordruckbehälter selbst sowie dessen Einbauten wurden bereits vor geraumer Zeit zerlegt (wir berichteten) und verpackt – und lagern in einem am Standort Obrigheim dafür vorgesehenen Gebäude. Angesichts seiner Kategorisierung wiederum ist der in Teile zerlegte RDB für das bereits definierte Endlager Schacht Konrad vorgesehen.

Bis er dort mit reichlich weiterem schwach- bis mittelradioaktivem Abfall eingelagert werden kann, vergeht allerdings noch einige Zeit. Seit Januar 2020 betreibt die BGZ, (Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung), das im Zuge des Rückbaus in einer Halle eingerichtete Abfall-Zwischenlager am Standort Obrigheim. Gelagert werden hier beispielsweise ausgebaute Anlagenteile oder auch Schutzkleidung, in hierfür speziell zugelassene Stahlblechbehälter verpackt. "Die Genehmigung für das Abfall-Zwischenlager Obrigheim ist zeitlich nicht befristet", erklärt Tobias Schmidt, Pressesprecher BGZ-Zwischenlager, gegenüber der RNZ. An die Einrichtungen des Endlagers Konrad in Salzgitter sollen sie ab dem Jahr 2027 abgegeben werden können, so Schmidt weiter.

Und wie sieht es rund um das Zwischenlager aus? Welche Rückbauarbeiten laufen aktuell am Kernkraftwerk Obrigheim? Welche größeren stehen demnächst an? Die Abbauarbeiten im Maschinenhaus sind mittlerweile weitgehend abgeschlossen. Der Reaktordruckbehälter als früheres Herzstück der Anlage wurde vollständig zerlegt. Ebenso beendet sind laut EnBW-Auskunft im Reaktorgebäude die Abbauarbeiten am "Biologischen Schild" (massive Betonstrukturen, die den RDB an seinem früheren Einsatzort umgeben haben), am Reaktorbecken und am früheren Brennelement-Lagerbecken. Begonnen habe man inzwischen auch mit dem Abbau des Reaktorgebäudekrans.

"Gut voran kommt auch der Rückbau des Lagerbeckens für Brennelemente im Nachbargebäude", erklärt ein EnBW-Sprecher. Die Arbeiten am eigentlichen Becken seien bereits abgeschlossen, aktuell laufe auch hier noch der Abbau des Gebäudekrans. Zudem stünden noch letzte, jeweils kleinere Abbautätigkeiten von Systemen, Komponenten und Anlagenteilen an. In den Räumen der Kontrollbereiche sei darüber hinaus damit begonnen worden, die verbliebenen Gebäudestrukturen auszumessen und bei Bedarf Oberflächen abzutragen.

Wann ist mit dem Abschluss des Rückbaus zu rechnen? Auf ein genaues Datum will man sich bei der EnBW offenbar nicht festlegen (lassen). "Hier gilt nach wie vor unsere Aussage, dass die Rückbauarbeiten bis Mitte der 2020er-Jahre soweit erledigt sein sollen, dass das KWO aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen werden kann", lautet die Antwort auf eine entsprechende Anfrage. Konkrete Pläne für eine mögliche Nachnutzung der Gebäude gibt es derzeit noch nicht. Auch ein Abriss der Anlage ist nach wie vor eine Option, wenngleich das Zwischenlager auf jeden Fall bis mindestens 2027 stehen bleiben muss.

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