Kernkraftwerk Obrigheim

Bund übernimmt Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle

Bundesgesellschaft übernimmt die vorübergehende Aufbewahrung von Abbaumaterial

29.12.2019 UPDATE: 30.12.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden
Die grüne Wiese nähert sich: Der Rückbau des 2005 abgeschalteten Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) ist bereits weit vorangeschritten. Ab 1. Januar ergeben sich für das Zwischenlager vor Ort nun neue Veränderungen – die Kritiker auf den Plan rufen. Foto: Heiko Schattauer

Von Heiko Schattauer

Obrigheim. Nicht heimlich, aber doch recht still und leise nähert sich das Kernkraftwerk Obrigheim (KWO) seiner "Auflösung". 2005 abgeschaltet, befindet sich das einst dienstälteste deutsche Atomkraftwerk seit 2008 im Rückbauprozess. Der ist inzwischen sehr weit fortgeschritten, 2023 soll der Abbau abgeschlossen, das KWO zumindest in seiner Funktion als kerntechnische Anlage Geschichte sein.

Nachdem 2017 die Brennelemente aus Betriebszeiten mit Castor-Transporten nach Neckarwestheim ins dortige Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle verbracht worden sind, tut sich nun in Sachen Aufbewahrung auch auf dem Gelände in Obrigheim selbst etwas. Zum 1. Januar 2020 übernimmt die neu gegründete Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle am Standort.

In dem werden aktuell rund 1400 Tonnen an Abfällen, die aus dem Betrieb des KWO stammen, und allerhand Material, das beim Rückbau der verschiedenen Anlagen und Gebäudeteile angefallen ist, aufbewahrt. Vorübergehend, denn für die schwach- und mittelradioaktiven Stoffe gibt es "eine klare Perspektive", wie Tobias Schmidt, Pressesprecher bei der BGZ, gegenüber der RNZ schildert: "Sie sind für das Endlager Konrad vorgesehen, das 2027 fertiggestellt ist."

Dessen Fertigstellung sei wiederum von den Kollegen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) für das genannte Datum angekündigt worden, so Schmidt weiter. Für den Einlagerungsbetrieb des Endlagers Konrad seien indes noch einmal rund 30 Jahre zu veranschlagen.

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Doch zurück nach Obrigheim: Ab 1. Januar wird das dort in einem Hallentrakt aufbewahrte schwach- bis mittelradioaktive Abbaumaterial also von Mitarbeitern der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung überwacht. Der Betrieb des Abfalllagers Obrigheim werde von 14 BGZ-Mitarbeitern, die für die Lagerungen in Neckarwestheim und Obrigheim verantwortlich sind, gewährleistet, erläutert Pressemann Schmidt. Am Umgang mit den Reststoffen ändert sich kaum etwas, auch die Nachfrage nach der maximalen Lagerkapazität wird noch von der EnBW beantwortet.

"Deutlich unter 3000 Tonnen" schwach- bis mittelradioaktives Rückbaumaterial werde insgesamt beim Rückbau des KWO anfallen, heißt es: "Für diese Abfallmenge ist das Standort-Abfalllager in Obrigheim auf jeden Fall ausreichend", erläutert ein Pressesprecher des Energiekonzerns. Ein bedeutend größerer Teil des Abbaumaterials wird seinen Weg zurück in den Materialkreislauf finden oder als freigemessener Stoff (wie etwa Betonschutt) auf Deponien wie in Buchen-Sansenhecken eingelagert.

Nachdem die BGZ bereits zu Beginn des Jahres 2019 die Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle von den Energieversorgungsunternehmen übernommen hatte, werde nun mit der Übertragung der Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle auf die BGZ die durch das Entsorgungsübergangsgesetz vorgesehene Neuordnung in der kerntechnischen Entsorgung weiter umgesetzt. Danach sind die Betreiber der Kernkraftwerke für deren Stilllegung und Rückbau sowie die fachgerechte Verpackung der radioaktiven Abfälle zuständig. Zwischen- und Endlagerung liegen in der Verantwortung des Bundes, der zum Zwecke der sicheren Zwischenlagerung im Jahr 2017 die BGZ gegründet hat.

Die finanziellen Mittel (oder zumindest die Basis) für Zwischen- und Endlagerung haben die Betreiber dem Bund in einem öffentlich rechtlichen Fonds zur Verfügung gestellt, in den sie rund 24 Milliarden Euro eingezahlt haben.

"Die Übertragung der Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle auf die bundeseigene BGZ ist ein weiterer wichtiger Schritt bei der gesetzlich vorgesehenen Neuordnung der Aufgaben in der kerntechnischen Entsorgung", findet Dr. Ewold Seeba, Vorsitzender der BGZ-Geschäftsführung. Man werde dafür Sorge tragen, dass die Abfälle "unter höchsten Sicherheitsstandards" aufbewahrt werden".

Dass die Verantwortung für die Reststoffe des Atomzeitalters nun beim Bund liegt, sieht man bei der Initiative "AtomErbe Obrigheim" äußerst kritisch. Für sie ist es ein "vergiftetes Geschenk", das gefährlich sei und Kosten verursache. "Wer bezahlt, wenn das Geld aus dem Fonds nicht reicht, dürfte klar sein", prophezeit man – und meint damit die Allgemeinheit.

Ob das in den Fonds eingestellte Geld für eine dauerhafte Lagerung des Atommülls ausreicht, ist in der Tat fraglich. Die AKW-Betreiber seien mit der Übertragung auf den Bund indes fein raus, werten die Atomkraftkritiker.

Die Initiative fordert auch mit Blick auf die Abbaustoffe, deren radioaktive Belastung unterhalb gesetzlicher Vorgaben liegt, ein Umdenken. Derart "freigemessenes" Material dürfe nicht länger als "normaler Müll" behandelt werden, enthalte er doch weiter künstlich erzeugte Radioaktivität, die gesundheitliche Schäden hervorrufen könne, so die "AtomErben".

Einlagerungen von Betonschutt aus dem KWO auf Deponien wie in Buchen müssten gestoppt werden. Gemeinsam mit anderen atomkritischen Gruppen hat die Initiative einen Brief an die Umweltminister der Bundesländer geschrieben, in dem ein Konzept für die langfristige Aufbewahrung statt einer Verteilung in die Umwelt gefordert wird.

Der Rückbau am KWO geht ungeachtet dessen still und leise weiter. Und was vor Ort auf Zeit aufbewahrt werden muss, untersteht ab übermorgen der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung.

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