Lange Rötterstraße - die hippe Lebensader vor dem Verkehrskollaps
Die Lange Rötterstraße soll mehr Aufenthaltsqualität erhalten - Uneinigkeit über Strategie

Von Marco Partner
Mannheim. Lange war sie eher unscheinbar. Bekannt als reines Wohn- und Arbeiterviertel, das kaum Auswärtige und eigentlich auch wenig Mannheimer anzog. Die Neckarstadt-Ost galt lange als die etwas biedere Schwester des Brennpunktviertels Neckarstadt-West. Doch innerhalb der letzten Jahre hat sie sich zum hippen Ausgeh- und Lebensviertel gemausert, das junge Familien anlockt, aber auch ein steigendes Verkehrsproblem verursacht. Vor allem auf der Langen Rötterstraße kommen sich Fußgänger, Radfahrer, E-Scooter, Autos und Kleintransporter in die Quere. Die Politik reagiert mit unterschiedlichen Plänen, Forderungen nach einer Fahrradstraße werden laut. Doch nicht alle Parteien treten dabei in die gleichen Pedale.
Die "Lange Rötter", ist die Hauptschlagader des Viertels. Pappeln schießen in die Höhe und werfen lange Schatten auf die hellen Klinkersteingebäude aus der Gründerzeit. Alteingesessenes und Trendiges reiht sich Haus an Haus. Auf ein Discounter-Textilgeschäft folgt ein apulischer Feinkost-Italiener, und Traditionsgeschäfte haben ebenso ihren Platz wie Start-up-Unternehmen. Die Versorgung reicht von Apotheke bis Zahnarzt, sogar eine Gelbfieberimpfstelle und einen Weltmeister-Friseur gibt es. Und circa alle hundert Meter taucht eine stilvolle Bar oder ein Café auf.
SPD-Stadtrat Reinhold Götz ist hier geboren und aufgewachsen. Als Kind wohnte er zwei Parallelstraßen weiter in der Schimperstraße. "Damals, in den 1950er- und 1960er-Jahren, hörte man die Bahn vibrieren, die ganze Wohnung hat gewackelt", erinnert sich der 66-Jährige an Verkehrsprobleme der anderen Art. In einem kirchenförmigen Bauwerk am Alten Messplatz rückten damals noch die Brandschützer aus. Heute ist das Gebäude am Neckarufer eine Kulturstätte: die Alte Feuerwache. Auch die "Lange Rötter" war damals anders. Typische Geschäfte wie Schuhmacher, Elektroläden oder auch die meisten Bäckereien und Metzgereien sind verschwunden. Der Dessous-Hersteller "Felina", der einst für sichere Arbeitsplätze sorgte, hat dort zwar immer noch seinen Hauptsitz, die Produktion aber längst nach Ungarn verlagert.
Vieles ist jedoch geblieben. Die mehr als 100 Jahre alte Uhlandschule, die Götz einst besuchte. Der Schreibwarenhandel um die Ecke, die Post, und natürlich das Adria. "Das ist Kult, da habe ich schon als Kind mein Eis gekauft", sagt Götz und zeigt auf das Eiscafé samt Biergarten mit Blick auf Messplatz und Kurpfalzbrücke. Beim entspannt wirkenden Entree der "Langen Rötter" fangen aber auch ihre Probleme an – vor allem in der Hauptverkehrszeit. Lieferwagen sind dann gezwungen, in der zweiten Reihe zu parken. Radfahrer mühen sich links vorbei und werden dabei von Autos überholt.
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Die Grünen fordern deshalb schon länger eine Fahrradstraße. Gewerbetreibende aber fürchten um ihre Umsätze, um ein Ausbleiben der Kundschaft, die auf Parkplätze angewiesen sind. Eins der Probleme: Autofahrer, die aus Richtung Käfertal anrücken, nutzen die "Lange Rötter" als Abkürzung, statt wie vorgesehen über die Friedrich-Ebert-Brücke oder die Schafweide Richtung Quadrate zu fahren. Viele Gewerbetreibende schlugen deshalb vor, eine Autospur zu sperren, um somit den Durchgangsverkehr zu entlasten. Doch die CDU lehnte die Idee ab.
Nun wagen die Sozialdemokraten den Mittelweg. Fahrrad und Auto sollen gleichberechtigt sein, die Parkanordnung verändert, kleine Anlieferzonen gebildet, vor allem aber mehr Aufenthaltsfläche geschaffen werden. "Wir wollen mehr Platz für die Außengastronomie und den Einzelhandel", weist Sascha Brüning vom SPD-Ortsverein auf den schwierigen Spagat zwischen "Nahversorgung erhalten" und "Verkehr herausnehmen" hin.
Im hinteren Bereich der "Langen Rötter" ist bereits ein fester Radweg vorhanden. Dort ist es deutlich ruhiger und schattiger. Die Straße säumen fünfstöckige Wohnhäuser mit kleinen Vorgärten. Es gibt ein paar schicke Cafés und den Fahrradladen des Ex-Weltmeisters Rudi Altig. "Hier hat sich über die Jahrzehnte eigentlich kaum etwas geändert. Nur die Wohnungen sind teurer geworden, das Arbeitermilieu ist inzwischen in der Minderheit", weiß Götz.



