Allein in Leimen müssen 1700 Knöllchen korrigiert werden
Doch "bezahlt ist bezahlt" – Nicht alle Betroffenen profitieren

Von Christoph Moll
Leimen/Eppelheim. Angela Föhlisch ist sauer. "Ich finde es ja prinzipiell richtig, dass Raser bestraft werden – also auch ich", sagt die Heidelbergerin. "Aber das ist eine Frechheit." Vor etwas mehr als einem Monat wurde die 75-Jährige in der Rathausstraße in Leimen geblitzt. Statt der zulässigen zehn hatte sie 25 Kilometer pro Stunde auf dem Tacho. Die Stadt schickte ihr ein Knöllchen über 50 Euro.
Damals galt schon der neue Bußgeldkatalog, der härtere Strafen vorsah. Doch Mitte Juli kam heraus, dass dieser Fehler enthält. Seither gelten auch rückwirkend wieder die alten Strafen. Die Stadt korrigierte den Bußgeldbescheid auf 25 Euro. Doch Angela Föhlisch hatte schon gezahlt. Und bekommt nun kein Geld zurück. Und sie ist kein Einzelfall.
Hintergrund: Ende April war die neue Straßenverkehrsordnung mit einem schärferen Bußgeldkatalog und höheren Strafen für Raser in Kraft getreten. Doch die Juristen im Verkehrsministerium hatten einen Formfehler bei der Verordnung begangen, der auch dem Justizministerium nicht aufgefallen war. Deshalb waren die neuen Vorschriften und Strafen unwirksam – auch rückwirkend. Seit Mitte Juli wird also nun wieder der alte Bußgeldkatalog angewendet.
Dies führt zum Beispiel in Leimen zu viel Arbeit, sehr viel Arbeit. Alleine in der Großen Kreisstadt müssen sage und schreibe 1700 Knöllchen korrigiert werden. Dabei handelt es sich um alle Verfahren seit Ende April, die noch nicht abgeschlossen sind. "Wurde das Verwarnungs- oder Bußgeld aber bereits gezahlt, gilt das Verfahren als rechtskräftig abgeschlossen", betont Stadtsprecher Michael Ullrich. Diese Gelder werden dann auch nicht zurückbezahlt. Ullrich betont, dass es sich um eine Anweisung aus dem Landesverkehrsministerium handelt: "Wir führen diese nur aus."
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Die Stadt habe dennoch viel Arbeit, da die Betroffenen anrufen, schreiben, mailen oder persönlich kommen und 15 oder 25 Euro wiederhaben wollen. Ein Bürger sei sogar schon zwei Mal aus dem Stadtteil Gauangelloch ins Rathaus nach Leimen gekommen, obwohl es nur um einen kleinen Betrag ging. "Viele wollen die Rechtslage nicht akzeptieren und diskutieren lange", berichtet Ullrich. Widersprüche würden alle angewiesen. "Bezahlt ist bezahlt", betont Ullrich.
Bezahlt hat auch Angela Föhlisch – ein paar Tage zu früh, wie sie nun weiß. Am 2. Juli erhielt sie das erste teure Knöllchen, am 20. Juli dann das günstigere. Doch da hatte sie gerade die 50 Euro an die Stadt überwiesen. Wäre der neue Bescheid da nicht schon auf dem Postweg zu ihr gewesen, hätte sie wohl nie von ihrem eigentlichen Glück erfahren.
Also meldete sich die frühere Nußlocherin bei der Stadt Leimen, um die vermeintlich zu viel gezahlten 25 Euro zurückzubekommen. Doch sie erhielt eine Absage. "Das ist nicht in Ordnung", meint Föhlisch. "Es ist eine Frechheit, dass ich nicht dagegen angehen kann." Überhaupt findet es die Rentnerin unfassbar, welche Zusatzkosten durch den Formfehler entstehen.
Ähnlich erging es Lothar Patheiger aus dem Stadtteil Gauangelloch. Der 77-Jährige wurde bereits Ende Mai ebenfalls in der Rathausstraße geblitzt – mit 16 Kilometer pro Stunde statt der erlaubten zehn. Dafür erhielt er – nach dem neuen Bußgeldkatalog – ein Knöllchen über 30 Euro. Erst im Juli zahlte er dieses in der Annahme, dass er bei einer Korrektur das zu viel gezahlte Geld zurückerstattet bekommt. Wenige Tage später erhielt er einen neuen Bescheid über 15 Euro.
So wie Angela Föhlisch bekam auch er sein Geld nicht zurück – trotz einem Besuch und mehrerer Anrufe im Rathaus und sogar einem Telefonat mit dem Verkehrsministerium in Stuttgart. Juristisch sei alles in Ordnung, habe es dort geheißen. Schließlich stehe auf dem neuen Bescheid, dass dieser "gegenstandslos" sei, wenn das Bußgeld bereits geleistet wurde. Auch die Überweisung ließ sich nicht mehr rückgängig machen. "Das ist eine Ungerechtigkeit", findet auch Patheiger.
Wären Angela Föhlisch und Lothar Patheiger in Eppelheim geblitzt worden, würden sie ihr Geld wiederbekommen. In Heidelbergs Nachbarstadt, die eine Verkehrsbehörde hat und somit auch selbst blitzen darf, sind "insgesamt 202 Verfahren von den Korrekturen betroffen", wie Bürgermeisterin Patricia Rebmann auf RNZ-Anfrage berichtet. Diese gehen auf Verstöße zwischen Ende April und Mitte Juli zurück. 265 Verfahren seien derweil in diesem Zeitraum durch Zahlung abgeschlossen worden.
Aktiv habe kein Betroffener Geld bei der Bußgeldstelle zurückgefordert. Allerdings habe die Stadt bei 25 Fällen das zu viel gezahlte Verwarngeld an die Betroffenen zurückgezahlt, so Rebmann – und zwar freiwillig. "Es ist folgerichtig, dass wenn mehr als gefordert bezahlt wird, der zu viel gezahlte Betrag zurückerstattet wird", ergänzte Reinhard Röckle von der Stadtverwaltung auf RNZ-Nachfrage. "Man wartet nicht auf einen Antrag des Betroffenen." Dabei handelte es sich um Fälle wie bei Angela Föhlisch und Lothar Patheiger: Die Betroffenen hatten bereits gezahlt, bevor sie das neue Knöllchen erhielten.
Bei Fahrverboten sieht es übrigens anders aus: Auch wenn hier Verfahren schon abgeschlossen waren, können diese durch ein "Gnadengesuch" wieder zurückgenommen werden. In Leimen erhielt tatsächlich ein Betroffener seinen "Lappen" wieder. In Eppelheim wurde derweil seit Ende April gar kein Fahrverbot ausgesprochen.