Eintagsfliegen sorgen für märchenhafte Stimmung und glatte Straßen
Wie ein Schneesturm im Sommer – nächtliches Spektakel der "Augustfliegen" steht an

Von Nicolas Lewe
Neckargemünd. Es hat etwas Märchenhaftes und gleichzeitig Dramatisches, was sich zu später Stunde in der Neckargemünder Altstadt abspielt: Abertausende der sogenannten "Augustfliegen" umschwirren die dortigen Straßenlaternen und sorgen, angelockt vom künstlichen Licht, für skurrile Szenen. Die dramatische Kehrseite besteht laut Stadtsprecherin Thordis Taag darin, dass es sich bei den "Augustfliegen" um Eintagsfliegen handelt. "Sie fliegen für ein paar Stunden und sterben dann", hat Taag beobachtet. Die toten Fliegen mit ihren weiß schimmernden Körpern erwecken für Passanten den Eindruck, es habe gerade frisch geschneit.
Doch schon am nächsten Tag ist der "Zauber" buchstäblich wie weggeblasen. "Um die Reinigung muss sich die Stadt nicht kümmern. Bereits am Morgen sind durch Wind und Regen die meisten Fliegen verweht", erklärt die Stadtsprecherin. Das Phänomen beschreibt sie als nicht außergewöhnlich, vielmehr wiederhole sich das Spektakel mal mehr, mal weniger ausgeprägt regelmäßig Anfang August – daher auch der Name "Augustfliegen".
Auffällig sei außerdem, dass sich das Naturschauspiel fast ausschließlich in Flussnähe abspiele. Hierfür hat Gertraude Debon eine simple Erklärung. Die Vorsitzende der Nabu-Ortsgruppe Neckargemünd erläutert auf RNZ-Nachfrage, dass die Larven der "Augustfliegen" im Wasser heranwachsen, um dann fast zeitgleich zu schlüpfen. Diese "wunderbare Gleichzeitigkeit" ist nach Worten der Expertin tatsächlich in aller Regel auf nur ein oder zwei Tage beschränkt. Es handele sich dabei auch um nichts Alarmierendes, sondern das sei ein ganz natürlicher Vorgang. Von den Eintagsfliegen, die fast einer Invasion gleich über die Neckargemünder Altstadt und andere an Gewässer angrenzende Zonen kommen, gehe keine Gefahr aus.
Der Begriff Eintagsfliege ist derweil aus biologischer Sicht nur bedingt korrekt. Tatsächlich werden die Tiere, die zuvor als Larven rund zwei Jahre im Wasser heranwachsen, außerhalb des Gewässers noch einmal etwa 30 Stunden alt. Erst nach 24 Stunden wird die "Augustfliege" fortpflanzungsreif. Nachdem die Weibchen ihre Eier abgelegt haben, ist ihr Lebenszweck erfüllt. Überlebensfähig sind die Eier nur, wenn sie wiederum ein Gewässer finden.
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Die nach dem nächtlichen Tanz massenhaft um die Straßenlaternen herumliegenden Insektenleichen dienen Vögeln und Kleintieren als Nahrung. Auch für Angler sei das massenhafte Schlüpfen der "Augustfliegen" übrigens "eine interessante Sache", meint Gertraude Debon. Schließlich hätten auch die Fische ein Interesse an den Fliegen und würden sich entsprechend nah an der Wasseroberfläche bewegen. Von ihrem Sohn, ein Angler, kenne sie die "Augustfliegen" daher auch als "Neckar-Aas".