Ein Vorbild für Heidelberg? So sorgt München nachts ganz friedlich für Ruhe
In der bayerischen Landeshauptstadt kümmert sich die Initiative AKIM seit fünf Jahren um nächtlichen Lärm

Von Holger Buchwald
Heidelberg/München. Der Konflikt zwischen Wirten und klagenden Anwohnern in der Altstadt scheint festgefahren. Daher würden einige Stadträte und Altstadtwirte gerne aus den Erfahrungen anderer Städte lernen. Besonders zwischen Heidelberg und München gab es bereits erste Kontakte.
Die Leiterin der Stabsstelle im Amt für Wohnen und Migration, Eva Jüsten, bei der das Projekt AKIM angesiedelt ist, wurde bereits angefragt, um hier vor einem gemeinderätlichen Ausschuss aus der bayerischen Landeshauptstadt zu berichten. AKIM steht für "Allparteiliches Konfliktmanagement in München" und gewann den Eurocities Award. "Ich bin gerne bereit, nach Heidelberg zu kommen, brauche dazu aber eine offizielle Einladung der Stadt", sagt Jüsten auf RNZ-Anfrage. Ob es so weit kommen wird, soll aber der neue Nachtbürgermeister mitentscheiden, so ein Stadtsprecher.
Was macht AKIM? Der nächtliche Lärm ist nur eines der Aufgabengebiete. "Überall, wo sich Menschen im öffentlichen Raum aufhalten, kann dies bei anderen für Irritationen sorgen", so Jüsten. Mal sind es kleine Gruppen Jugendlicher, die laut Musik hören, ein anderes Mal Wohnungslose, die mit Bierflaschen und Hunden im Grünen sitzen, oder Wild-Griller, die mit ihrem Qualm stören. "Wir kümmern uns um die Konflikte im öffentlichen Raum, für die die Polizei nicht zuständig ist", so Jüsten. Seit fünf Jahren gibt es AKIM. Neben der Projektleitung gibt es fünf Konfliktmanager, die im ganzen Stadtgebiet arbeiten. Am Gärtnerplatz, einem zentralen Platz in München, an dem sich abends gerne junge Menschen treffen, um zu feiern und mitgebrachten Alkohol zu trinken, setzt AKIM Honorarkräfte ein, die die Feiernden, wenn sie zu laut sind, gezielt ansprechen.
Gibt es in München auch einen Nachtbürgermeister? Nein. Allerdings kamen die AKIM-Leitung und der Stadtrat zur Erkenntnis, dass besonders die Probleme des nächtlichen Feierns mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr zu bewältigen sind. Darum wird derzeit eine "Fachstelle Nächtliches Feiern" aufgebaut, ebenfalls bei Jüsten angesiedelt. Dabei geht es auch um die Umsetzung von Ideen, die in Zusammenarbeit mit der Nachtkultur und der Kneipenszene entstanden sind. Zum Beispiel Schallschutzmarkisen, aber auch der verstärkte Einsatz von "Silencern", also Lärmschlichtern, die von den Wirten bezahlt werden und zusätzlich zu den Türstehern vor den Kneipen für Ruhe sorgen können.
Auch interessant
Welche Probleme haben in München zu AKIM geführt? Angefangen hat alles mit den Konflikten am Gärtnerplatz. Die Leute haben ihre Getränke selbst mitgebracht, ihren Müll hinterlassen und laute Musik gehört. "Der Lärm für die Anwohner direkt am Platz ist sehr belastend, weil sie nur Zimmer haben, die zum Platz hinausgehen", weiß Jüsten. Doch geschulte Lärmschlichter sorgten dafür, dass die Beschwerden bei der Polizei deutlich zurückgingen. Dabei habe sich die Situation kaum geändert. "Vor allem konnten die Lärmspitzen gekappt werden", so Jüsten. Und die Anwohner hätten nun Ansprechpartner, die sie ernst nehmen. Bewusst habe man sich in München dagegen ausgesprochen, einzelne Plätze wie in Berlin oder Köln, von Ordnungskräften räumen zu lassen. Stattdessen setze man auf friedliches Miteinander.
Und was ist, wenn es mit Bar-Betreibern Probleme gibt? Auch Jüsten kennt diese Konflikte zwischen Anwohnern von Kneipen und den Wirten. In diesem Problembereich arbeiten die Münchner mit ausgebildeten Mediatoren. "Das ist meist nicht mit einer Sitzung erledigt", sagt Jüsten. Mal verpflichtet sich in solchen Verfahren ein Betrieb, "Silencer" einzustellen. Die Anwohner bekommen einen engeren Kontakt zum Bar-Betreiber und können diesen bei Problemen direkt anrufen und müssen nicht den Umweg über die Polizei gehen.
Werden Lärmschlichter von alkoholisierten Heranwachsenden überhaupt ernst genommen? "Wenn ich mit erhobenen Zeigefinger auf solche Gruppen zugehe, habe ich schnell verloren", weiß Jüsten. Daher werden die Lärmschlichter gut geschult. "Wir müssen solchen Leuten auf Augenhöhe, wertschätzend und trotzdem in aller Klarheit begegnen", sagt Jüsten. Und wenn man merke, dass jemand zu stark betrunken sei, müsse man sich eben zurückziehen. Doch mit Humor und Lockerheit komme man meistens weiter. Bis jetzt habe man nur zwei Mal die Polizei dazu rufen müssen.



