Nach den Baumfällungen ging's im Gemeinderat rund
Bürger beschwerten sich massiv - Anwalt rechtfertigte Vorgehen beim Neubaugebiet

Gaiberg. (agdo) Die Emotionen kochten hoch, zeitweise war die Stimmung aggressiv. "Wie kann man ohne ein endgültiges Urteil vom Verwaltungsgericht anfangen, Bäume zu fällen? Sind Sie sich eigentlich der Risiken bewusst, die dieses Verhalten mit sich bringt?", fragte ein Bürger. Ein anderer wollte wissen, ob die Wohnungen und Häuser im geplanten Wohnbaugebiet für junge Familien überhaupt bezahlbar sind. Auch wurde gefragt, wann der "versprochene Supermarkt" kommt. Und auch die neue Ortsmitte war ein Thema. Sie sei "ein Schandfleck für unsere Gemeinde", hieß es.
Rund 80 Gaiberger kamen am Mittwochabend zur Gemeinderatssitzung in das Alte Schulhaus. Zusätzliche Stühle mussten organisiert werden. Die Stimmung war aufgeladen und erhitzte sich während der Sitzung zunehmend. Es schien, als ob die am Montag begonnene Baumfällung ohne eine endgültige Entscheidung über die noch laufende Klage des "Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland" (BUND) beim Mannheimer Verwaltungsgerichtshof gegen das Neubaugebiet "Oberer Kittel/Wüstes Stück" das Fass zum Überlaufen brachte. Bei der Bürgerfragestunde entluden sich aufgestaute Emotionen.
Die Gemeinde war darauf vorbereitet, ein Mikrofon war für die Fragesteller bereitgestellt. Bürgermeisterin Petra Müller-Vogel musste immer wieder ermahnen, dass Bürger Fragen stellen dürfen, Aussagen oder Anschuldigungen aber unterbleiben müssen.

"Warum konnten Sie mit der Rodung nicht warten, bis die Entscheidung getroffen ist?", fragte ein Gaiberger. Der Bebauungsplan sei im November in Kraft gesetzt worden, antwortete Jürgen Behrendt von der Kanzlei "Schlatter Rechtsanwälte" aus Heidelberg, die die Gemeinde bei der Umsetzung des Neubaugebiets berät und vertritt. Eine Woche später sei eine Normkontrollklage des BUND gegen die Rechtmäßigkeit des beschlossenen Baugebiets sowie kurze Zeit später eine Zwischenverfügung eingereicht worden, die die Fällung der Bäume bis zur Rechtmäßigkeit des Baugebiets untersagt. Der Verwaltungsgerichtshof habe diese Zwischenverfügung abgelehnt. Deshalb habe man davon ausgehen können, dass auch die Normkontrollklage "aller Wahrscheinlichkeit nach" abgewiesen werde, so Behrendt. Falls doch nicht, dann würde es allenfalls zu Verzögerungen kommen. "Es besteht kein Zweifel, dass dort ein Baugebiet umgesetzt werden kann", betonte der Rechtsanwalt.
Die Gemeinde hätte bis zum endgültigen Bescheid warten können, gab Behrendt zu. Sie musste es aber nicht. Mit der Rodung werde die Umsetzung des Baugebiets beschleunigt, da ein Normkontrollverfahren laut Behrendt sich bis zu zwei Jahren ziehen könne. Bei der Erfolgsprognose noch länger zu warten, sei schwer nachvollziehbar, so der Rechtsanwalt. Einzig der Gemeinderat könne mit einer Entscheidung das Neubaugebiet verhindern – die Mehrheit sei aber für die Umsetzung. Die Gaiberger Bevölkerung werde älter und es fehle an Zuzug. Der Kindergarten sei für 100 Kinder ausgerichtet, momentan sei er nur zur Hälfte belegt, erinnerte Bürgermeisterin Müller-Vogel.
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Zwischenzeitlich gab ein Bürger zu bedenken: "Vielleicht können einige Leute das Langzeitgedächtnis einschalten und sich erinnern, dass dort, wo ihre Häuser stehen, auch mal Bäume standen." Applaus brandete auf. Die Kosten für die Rodung betragen übrigens rund 30.000 Euro. Die Erschließungskosten liegen bei 140 Euro pro Quadratmeter. Diese müssen die Käufer zahlen. Zu den Grundstückspreisen könne sie momentan nichts sagen, so Müller-Vogel.
Zur Sprache kam auch die neue Ortsmitte. Der "billige Granit aus China" wirke klotzig und kalt, er passe nicht in die schöne Umgebung, sagte ein Bürger. Weiterhin wurde moniert, dass im Gaiberger Wald in Zeiten des Klimawandels viele Bäume gefällt würden, obwohl die Gemeinde finanziell so gut wie nichts davon habe. Zudem wurde gefragt, wann der versprochene Nahversorger angesiedelt werde. Da noch kein Bauantrag vorliege, nicht in diesem Jahr, sagte Müller-Vogel. Ein Bürger gab zu bedenken, dass er eine E-Mail an die Bürgermeisterin und die Gemeinderäte geschickt und darauf aufmerksam gemacht hätte, dass eine Rodung ohne das endgültige Urteil "Öl ins Feuer" gießen und den Ort weiter spalten werde.



