Lehrer boykottieren kostenpflichtige Parkplätze
Statt 10 Euro im Monat zu zahlen, parken sie lieber kostenlos in nahen Wohnstraßen - Gemeinderat will bisherige Regelung nicht aufweichen

Auf dem Parkplatz am Schulzentrum bleiben in der Regel immer einige Lücken frei, da die Lehrer lieber ins Umland ausweichen. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. An Schultagen ist im Umfeld des Schulzentrums und der Grundschule ein besonderes Phänomen zu beobachten. Während zahlreiche Parkplätze direkt an den Schulen frei bleiben, sind die Wohnstraßen im Umfeld "zugeparkt". Der Grund: Zahlreiche Lehrer weigern sich, für die kostenpflichtigen Parkplätze zu zahlen. Statt zehn Euro im Monat hinzulegen, parken sie lieber etwas weiter weg – aber eben kostenfrei.
Das hat auch die aus einigen Stadträten bestehende Parkraumkommission erkannt und wollte die Regelung wegen des Park-Boykotts durch die Lehrer aufweichen. Doch da machte der ganze Gemeinderat nicht mit. Die Mehrheit wollte die Regelung nicht aufweichen, sondern pochte auf die zehn Euro im Monat. Aus Prinzip. Das Problem ist damit aber nicht gelöst.
Bürgermeister Frank Volk erinnerte daran, dass das Problem bereits ausgiebig in der Parkraumkommission beraten worden sei. Fachbereichsleiter Mario Horvath berichtete, dass das im Jahr 2018 zuletzt geänderte Parkraumkonzept einer Überprüfung unterzogen wurde. Die gewünschte Lenkungs- und Steuerungswirkung sei demnach eingetreten. "Es war zum Beispiel die richtige Entscheidung, den Parkscheinautomaten am Hanfmarkt abzubauen und auf eine Regelung mit Parkscheibe zu setzen", so Horvath. "Das bestätigen auch die dortigen Gewerbetreibenden." Aber leider gebe es auch andere Stellen, an denen nicht alles so kam wie geplant. Problematisch seien insbesondere zwei Bereiche: jene um die Schulen und jener um das Rathaus.
Bürgermeister Frank Volk meinte, dass das Parkraumkonzept seine Wirkung erreicht habe – nur nicht an den Schulen. Gespräche mit den Schulleitungen hätten ergeben, dass es eine Boykotthaltung gebe. "Im Bereich von Grundschule und Schulzentrum ist die gewünschte Steuerungswirkung sogar in negativer Weise eingetreten", bedauerte Horvath. Von 95 Parkplätzen am Schulzentrum zum Beispiel würden nur 17 – also gerade einmal 18 Prozent – genutzt, an der Grundschule sind es vier von 16. "Die Lehrer weichen auf kostenlose legale Parkplätze aus, sodass in den Wohngebieten ein erhöhter Parkdruck herrscht", so der Fachbereichsleiter. Auch bei der Grundschule in der Banngartenstraße und an der Erich-Kästner-Schule gebe es "Verschiebungen", die aber nicht so stark seien. Ein ähnlicher Effekt sei auch im Bereich des Rathauses und des Bauhofes zu beobachten, wo kostenfreie zulässige Parkplätze von städtischen Mitarbeitern gesucht werden.
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Es müsse nun diskutiert werden, ob die bisherige Gebührenhöhe beibehalten wird, es eine Ermäßigung der aktuellen Gebühren bis auf null Euro oder eine Ermäßigung der Jahresgebühr für berechtigte Personen auf null Euro unter Erhebung einer Verwaltungsgebühr von 20 Euro für die Ausstellung der Parkberechtigung geben soll. Horvath empfahl letztere Variante, um den vermeidbaren zusätzlichen Parkdruck und die für die Anwohner zusätzliche Verkehrsbelastung zu verringern oder zu vermeiden.
Der Gemeinderat sah dies nach langer Diskussion (siehe unten) mehrheitlich anders. Mit 15 zu neun Stimmen bei einer Enthaltung wurde die 20-Euro-im-Jahr-Variante abgelehnt. Somit bleibt es bei der bisherigen Regelung. Und bei den leeren Parkplätzen.
"Die Anwohner sind die Leidtragenden"
Parkplatz-Boykott der Lehrer stößt auf unterschiedliches Echo
Neckargemünd. (cm) So positionierten sich die Stadträte in der Diskussion um die leeren Parkplätze an den Schulen (siehe Artikel links):
> Steffen Wachert (Freie Wähler) sagte, dass seine Fraktion mehrheitlich das bisherige Konzept beibehalten möchte. "Die Gleichbehandlung ist wichtig", meinte er. "Warum sollte es eine Ausnahmeregelung für Lehrer geben?" Es gehe nur um zehn Euro im Monat, die indirekt über den Haushalt auch wieder den Schulen zugute kommen würden. Wachert wollte lieber Anreize schaffen, um Lehrer auf den Umstieg aufs Fahrrad oder auf den Nahverkehr zu bewegen. "Ich schätze die Arbeit von Pädagogen sehr, aber hier boykottiert eine ganze Berufsgruppe die Parkplätze", ärgerte er sich. "Die Anwohner sind die Leidtragenden." Wachert bevorzugt, Anwohnerparkplätze zu schaffen, sodass Lehrer nicht mehr in den Wohngebieten parken können.
> Petra Groesser (Grüne) konnte nicht verstehen, dass Lehrer keine zehn Euro im Monat aufbringen können. "Für Anwohner ist es ärgerlich, wenn uneinsichtige Lehrer ihnen die Parkplätze wegnehmen, die Gegend vollparken sowie Garagen und Einfahrten blockieren", meinte Groesser, die ebenfalls eine Regelung zum Anwohnerparken forderte. "Dann wäre das Problem gelöst."
> Dirk Wagner (CDU) dachte an die Anwohner, auf deren Rücken der Boykott ausgetragen werde. "Wir können nicht Bereiche herausnehmen, nur weil sich die Betroffenen querstellen", meinte er. Wagner plädierte für einen Dialog mit den Schulleitern, und das Konzept so zu belassen.
> Jens Hertel (SPD) hingegen wollte die Ermäßigung auf 20 Euro im Jahr. "Die Aufgabe der Parkraumkommission ist die Lenkungswirkung", erinnerte Hertel. "Tritt diese nicht ein, muss etwas geändert werden." In diesem Fall bedeute dies: "Wenn jemand bockt, gewinnt er." Das Problem sei die "sehr hohe Gebühr" von zehn Euro für einen nicht garantierten Parkplatz. "Wenn es genug Möglichkeiten im Umfeld gibt, zahlt das niemand", meinte Hertel. "Eine geringere Gebühr wäre eine niedrigere Hürde."
> Marco La Licata (Linke) meinte: "Wenn ein Konzept die gegenteilige Wirkung von dem erzielt, was geplant war, und es keine Alternative gibt, dann muss etwas geändert werden." Es dürften aber nicht verschiedene Berufsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. La Licata forderte, den Nahverkehr auszubauen.
> Lilliane Linier (SPD) meinte, dass das Konzept nicht aufgegangen sei. "Ich habe in Bammental als Lehrerin fast 30 Jahre umsonst in einer Tiefgarage geparkt", erzählt sie. "Wir sind keine Großstadt."
> Nele Welter (Grüne), Lehrerin am Max-Born-Gymnasium, meinte, dass die Lehrerschaft "aus vernünftigen Leuten besteht": "Man kann sie zum Umdenken bekommen." Welter schlug vor, dass die Parkgebühren direkt in Umweltprojekte der Schule fließen, wie Bäume auf dem Parkplatz, überdachte Fahrradabstellplätze oder eine kostenlos nutzbare E-Ladesäule für Lehrer. Bürgermeister Frank Volk sprach sich gegen so eine "Quersubvention" aus.
> Hermino Katzenstein (Grüne) sah um das Schulzentrum einen "erheblichen Parkdruck". Ein solcher sei Voraussetzung für Anwohnerparken. Fachbereichsleiter Mario Horvath erklärte, dass die Verkehrsbehörde des Landratsamtes Anwohnerparken ablehne, weil das Parkraumkonzept nicht funktioniere. Die Behörde sei auch sehr "autofreundlich", meinte Katzenstein. Man könne auch Widerspruch einlegen. Mit Blick auf die SPD sagte er, dass es nicht sozialgerecht sei, eine Berufsgruppe zu bevorzugen: "Die Fleischereifachverkäuferin soll zahlen, Lehrer nicht."
> Dietmar Keller (SPD) entgegnete: "Es ist Tatsache, dass die Parkplätze nicht genutzt und die Anwohner geärgert werden." 20 Euro im Jahr sei auch nicht "fer umme". "Wenn das die Lehrer nicht zahlen, ist ihnen nicht zu helfen", so Keller.
> Winfried Schimpf (SPD) berichtete, dass um das Schulzentrum oft keine Parkplätze mehr an der Straße frei seien: "Wir müssen einen Tod sterben."
> Manfred Rothe (Freie Wähler) sagte, dass er die "notleidende Lehrerschaft" sehr bedauere. "Wenn Lehrer die für sie angelegten Parkplätze nicht nutzen, sollte man sie anders vermieten", meinte er. Dies sei rechtlich nicht möglich, da die Parkplätze zum Schulzentrum gehören, so Frank Volk.