Mostafa N. aus Ladenburg soll nach Afghanistan abgeschoben werden
Der 26-jährige Flüchtling ist erfolgreich integriert und engagiert sich, aber soll nun ausgewiesen werden.

Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises in Heidelberg. Foto: Reinhard Lask
Von Carsten Blaue
Ladenburg. Diese Geschichten gibt es immer wieder. Ein Geflüchteter kommt nach Deutschland, lernt die Sprache, fasst Fuß, bekommt einen Job oder macht eine Ausbildung, ist erfolgreich, integriert und engagiert sich. Die Bleibe-Perspektive ist bestens. Und am Ende wird er abgeschoben. Gerade für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe, die die betroffenen Asylbewerber oft lange begleitet haben, sind solche Erfahrungen extrem frustrierend.
Jetzt erleben sie beim Arbeitskreis "Flüchtlinge und Hilfsbedürftige" (AK) in Ladenburg genau das. Es geht um Mostafa N. "Am Dienstag, 15.40 Uhr ab München", sagt Sabine Weil vom AK am gestrigen Montag. Dann soll N.s Abschiebeflug nach Kabul in Afghanistan starten. Man hört Weils Bestürzung durchs Telefon. Seit Freitag ist klar, dass N. in Deutschland keine Zukunft haben soll.
Was an jenem Vormittag im Büro der Ausländerbehörde im Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises passiert ist, beschreibt Weil in einer Mail. Da die Pressestelle des Landratsamts auf RNZ-Anfrage nicht bestätigt, dass sich das alles so zugetragen hat, sondern stattdessen an das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) verweist, gibt es nur diese eine Version. Zumal auch das RP auf Anfrage nichts sagt, sondern lediglich mitteilt, dass Mostafa N.s Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge "negativ beschieden" worden sei. Er sei somit "ausreisepflichtig". Und zu Rückführungsterminen gebe man keine Auskünfte. Man muss sich also auf das verlassen, was die Sprecherin des Ladenburger AK sagt und zunächst in einer Mail aufgeschrieben hat, die der RNZ vorliegt.
Weils Mitstreiterin, Petra Fuhry, sei demnach am vergangenen Donnerstag schriftlich vom Landratsamt dazu aufgefordert worden, um 11 Uhr am nächsten Tag bei der Ausländerbehörde zu erscheinen. Fuhry hat die Vollmacht für N. Doch sie sollte ihn zu dem Termin mitbringen. Der heute 26-jährige afghanische Staatsbürger kam 2016 nach Ladenburg in eine Flüchtlingsunterkunft. Später schloss er eine Ausbildung im Straßenbau ab – erfolgreich und mit Auszeichnung der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald.
Jetzt absolvierte er eine Aufbaulehre als Rohrleitungsbauer beim Mannheimer Bauunternehmen Diringer & Scheidel. Das hat in der Nähe des Landratsamts eine Baustelle. Also sei N. am Freitag zum Gespräch kurz herübergelaufen, noch in Arbeitskleidung. Trotz Termins, so Weil, hätten N. und Fuhry lange warten müssen. Und als sie dann im Büro gewesen seien, hätten fünf Polizisten N. festgenommen. Dazu schreibt Weil: "Dass hier unsere Helfer als Mitarbeiter der Abschiebung instrumentalisiert und traumatisiert werden, müssen wir mit dem Landratsamt noch extra klären." N. jedenfalls sei am Freitag gegen 14 Uhr einem Haftrichter vorgeführt worden. Inzwischen hätte man einen Anwalt verständigt, und auch zwei seiner Vorgesetzten von Diringer & Scheidel seien dazugekommen. Doch sei N. anschließend in das Abschiebegefängnis in Pforzheim überstellt worden – "noch in seiner Arbeitskleidung", so Weil. Von hier aus soll es am heutigen Dienstag nach München gehen. "23 Kilogramm Gepäck darf er mitnehmen. Petra Fuhry ist gerade bei ihm in Pforzheim", schildert Weil am Montagabend am Telefon.
Sie glaubt, es spielte bei der Ablehnung seines Asylantrags eine Rolle, dass N. im Jahr 2016 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, nachdem er sich in trunkenem Zustand eine Schlägerei mit einem Mitbewohner geliefert haben soll. "Ich habe sonst keine andere Idee", so Weil. Sie betont, dass sich N. seitdem nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Vielmehr habe er sich beim ASV Ladenburg engagiert. Ringerchef Herbert Maier schwärmte im vergangenen Sommer für N. Dieser sei als Helfer und Funktionär gar nicht mehr wegzudenken in der ASV-Ringerabteilung.
Das griff der Ladenburger AK gleich am Freitag in einem Brief an Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf, verbunden mit der Bitte, N. heute von der Passagierliste zu streichen. Der "Fall N." müsse neu geprüft werden. Auch die drei Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Weinheim setzen sich für ihn ein, und eine Online-Petition wurde gestartet. Weil schließt eine Mail mit dem Appell, wer noch eine gute Idee habe, möge sich melden. Der AK kämpft für N. bis zum Schluss.