So erschüttert der Verdacht gegen Jugendliche Waibstadt (Update)
Gegen einen 15-Jährigen und einen 16-Jährigen wurde am Mittwoch Haftbefehl erlassen. Gegen einen weiteren 15-Jährigen wird noch ermittelt.

Von Anjoulih Pawelka
Waibstadt. Haben zwei einheimische Jugendliche einen Obdachlosen umgebracht? Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Heidelberg und des Polizeipräsidiums Mannheim spricht einiges dafür. Vor fast vier Wochen brannte ein Wohncontainer in der Straße "Unteres Lohhaus", bei dem der Bewohner ums Leben kam. Die Brandursache war damals nicht bekannt, die Kriminalpolizei ermittelte.
Nun wurden am Dienstag zwei Jugendliche festgenommen, die unter dem dringenden Verdacht stehen, das Feuer gelegt zu haben. Die beiden 15- und 16-Jährigen sind wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Brandstiftung mit Todesfolge im Gefängnis.
Sie sollen am 10. September früh morgens eine abgestellte Mülltonne direkt vor der Tür des Wohncontainers angezündet zu haben. Dabei sollen sie gewusst haben, dass sich in dem Container ein Mann aufhält. Als das Feuer brannte, hätten sie weitere Gegenstände hineingeworfen und damit den einzigen Ausgang aus dem Container versperrt. Die Jugendlichen seien während des Brandes die ganze Zeit vor Ort gewesen. Als die Rettungskräfte eintrafen, befreiten diese den 61-jährigen Bewohner und versuchten ihn noch zu reanimieren, was aber nicht gelang. Der Mann starb an einer Rauchgasvergiftung.
Dass der Brand beispielsweise durch eine brennende Zigarette ausgelöst wurde, konnten die Beamten ausschließen. Durch Zeugenbefragungen sei man dann auf die Spur der Jugendlichen gekommen, erklärte ein Polizeisprecher. Allerdings: "Die Motivlage ist nicht bekannt." Einen rechtsradikalen Hintergrund der Tat hält die Polizei für unwahrscheinlich, da das Opfer Deutscher war.
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Im Laufe der Ermittlungen stellte sich außerdem heraus, dass die Jugendlichen womöglich nicht nur zu zweit, sondern zu dritt waren. Deshalb dauern die Ermittlungen gegen einen weiteren 15-Jährigen noch an. Die zwei Beschuldigten wurden indes in unterschiedliche Justizvollzugsanstalten gebracht und warten dort auf ihren Prozess.
Hintergrund
Vor 16 Jahren töteten Jugendliche einen Obdachlosen
Der Waibstadter Fall weckt böse Erinnerungen an eine grausame Tat vor fast 16 Jahren nahe einer verwahrlosten Waldhütte zwischen Neu- und Altlußheim. Damals, am späten Nachmittag des 15. Oktober
Vor 16 Jahren töteten Jugendliche einen Obdachlosen
Der Waibstadter Fall weckt böse Erinnerungen an eine grausame Tat vor fast 16 Jahren nahe einer verwahrlosten Waldhütte zwischen Neu- und Altlußheim. Damals, am späten Nachmittag des 15. Oktober 2003, hatten mindestens fünf Jungs - bis auf einen keiner älter als 14 - zwei Stunden lang auf den am Boden liegenden Obdachlosen Johann Babies eingetreten und ihn mit Holzknüppeln und einem Besenstiel geschlagen.
Besonders brutal ging der wegen Körperverletzungsdelikten bereits vorbestrafte 19-jährige "Anführer" vor. Der zwei Meter große und 140 Kilo schwere Hüne trampelte auf dem Brustkorb des schmächtigen Opfers herum. Die Gerichtsmedizin stellte später die Todesursache fest: Der alkoholkranke 54-Jährige erlitt mehrere Knochen- und Rippenbrüche sowie eine Unterkühlung. Ein Gutachter verglich Babies’ Verletzungen mit denen bei einem Autounfall. Die Schläger verständigten selbst die Polizei und behaupteten, den Obdachlosen zufällig entdeckt zu haben.
Der 19-Jährige verwickelte sich jedoch in Widersprüche. Das Landgericht Mannheim verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren. Er sei im frühen Stadium der Pubertät stehen geblieben hieß es bei der Verhandlung, sein Anwalt sprach von einem "Riesenbaby". Dabei hatte er noch am ehesten ein Motiv, wenn man es denn so nennen kann. Wochen zuvor soll er mit dem Bewohner der Waldhütte gestritten haben. Drei zum Zeitpunkt des Urteils 15-jährige Jugendliche und ein 14-Jähriger erhielten Bewährungsstrafen. Alle vier stammten aus geordneten Familienverhältnissen, besuchten die Realschule oder das Gymnasium. Nicht einer von ihnen hatte sich nach der Tat den Eltern anvertraut. alb)
Bürgermeister Joachim Locher ist hörbar erschüttert am Telefon. "Ich bin total schockiert", sagt er. "Dass so etwas bei uns passieren kann, hätte ich nie gedacht." Er habe gleich, nachdem er die Pressemitteilung gelesen habe, mit der Polizei telefoniert, um zu fragen, ob die Stadt etwas machen könne. Das habe die Polizei aber verneint, erzählt der Bürgermeister. Es sei eine kriminelle Tat gewesen, die nichts mit der Stadt zu tun habe, so hätten es ihm die Beamten gesagt. Locher sieht das ähnlich. Wenn das jemand aus reiner Mordlust mache, sei die Stadt machtlos.
Einen Zusammenhang mit den neuen Containern für Obdachlose, die vor einiger Zeit von Jugendlichen beschmiert worden waren, weist er entschieden zurück. Die Aktion verbuche er unter einem Dummen-Jungen-Streich. Die Jugendlichen haben sich damals reumütig gezeigt und die Container geputzt und das Graffito entfernt. Dass die beiden Jugendlichen, die nun im Gefängnis sitzen, den Obdachlosen wohl vorsätzlich ermordet haben, schlägt Locher "auf den Magen".
Der Obdachlose war in Waibstadt bekannt. Er wohnte seit 2001 in dem Container und fühlte sich dort recht wohl. "Der hat keiner Fliege was zuleide getan", sagt Locher. Er sei aber auch sehr froh, dass die Polizei so gut ermittelt habe, die Jugendlichen festgenommen wurden und nicht mehr frei in Waibstadt umherlaufen.
Update: Freitag, 4. Oktober 2019, 19.02 Uhr
Waibstadt. (dpa/lsw) Nach dem Tod eines 61-Jährigen bei einem Feuer in einer Obdachlosenunterkunft in Waibstadt im September stehen zwei Jugendliche unter Mordverdacht. Sie sollen eine Mülltonne vor dem Wohncontainer angezündet haben, wie die Polizei Mannheim am Freitag mitteilte. Die 15 und 16 Jahre alten Jungen sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen wird auch gemeinschaftliche Brandstiftung mit Todesfolge zur Last gelegt. Das Motiv für die Tat war zunächst unklar.
Die beiden jungen Leute sollen das Feuer in den frühen Morgenstunden des 10. September gelegt haben. Sie hätten zuerst die Mülltonne angezündet und dann weitere Gegenstände in das Feuer geworfen. Und sie hätten gewusst, dass sich in dem Wohncontainer eine Person aufhielt. Das Feuer versperrte den einzigen Ausgang aus dem Container, der Bewohner starb infolge einer Rauchgasvergiftung.
Im Zuge der Ermittlungen verdichteten sich die Hinweise, dass Jugendliche den Brand gelegt haben könnten. Eine Selbstentzündung der Mülltonne sei nicht infrage gekommen, sagte ein Polizeisprecher. Im weiteren Verlauf wurden insgesamt drei Personen identifiziert. Gegen den 15-Jährigen und den 16-Jährigen wurde am Mittwoch Haftbefehl erlassen. Gegen einen weiteren 15-Jährigen wird noch ermittelt.