Vertrocknet, befallen, abgestorben - Der Wald leidet
Zu wenig Feuchtigkeit und zu lange Hitzeperioden machen den heimischen Wald anfällig für Schädlinge - Forstexperten fordern Hilfe

Das sieht nicht gut aus: Keine Zukunft mehr haben diese Fichten, deren Zustand Forstdirektor Dietmar Hellmann (r.) Förster Hartmut Friedel (2.v.l.) und Forst-Trainee Anna Haas erläutert. Von zu wenig Feuchtigkeit geschwächt, wurden die Bäume massiv vom Borkenkäfer befallen, ein Teil davon ist schon abgestorben. Leider kein Einzelfall, vielmehr leidet der Wald in der ganzen Region. Fotos: Heiko Schattauer
Von Heiko Schattauer
Region Mosbach. Wer im Sommer 2019 mit offenen Augen durch die Region fährt oder noch besser geht, der muss kein Forstexperte sein, um mit Blick auf den heimischen Wald zu erkennen: Das sieht nicht gut aus. Der Neckar-Odenwald-Kreis präsentiert sich zwar nach wie vor als wunderbar grüne Gegend mit intakter Natur und reichlich Wald. Doch der leidet - und stirbt zum Teil sogar allzu früh.
"Die Lage ist schon prekär", will Forstdirektor Dietmar Hellmann nichts schön- oder gesundreden. Zunehmende Trockenphasen, steigende Temperaturen und eine damit einhergehende Anfälligkeit für Schädlingsbefall setzen den Bäumen in der Region immer mehr zu, vor allem Fichten und Buchen stehen zunehmend auf der Roten Liste der bedrohten Arten im Forst.
Dietmar Hellmann, Förster Hartmut Friedel und Anna Haas (in Ausbildung für die Forstamtsleitung) stehen am Ende des Gewerbegebiets "Oberes Tal" in Aglasterhausen und blicken auf ein Waldstück, dessen Erscheinungsbild auch dem Forstlaien verdeutlicht: Hier stimmt etwas nicht. Die rund 50 Jahre alten Fichten, die da sanft im Wind schwingen, sind "fast alle vom Borkenkäfer befallen, ein Teil davon ist schon komplett tot", wie Dietmar Hellmann unverblümt schildert. "Das muss alles weg", führt er weiter aus, denn ein kranker Baum ist nicht nur für sich gesehen ein Problem: Die Borkenkäfer, die ihr destruktives Treiben in einem Baum begonnen haben, fliegen nämlich gern (zum Fortpflanzen) zum nächsten weiter. "Aus einem befallenen Baum werden mit der nächsten Generation im Schnitt 20 weitere kranke Bäume", erläutert Anna Haas die enormen Folgewirkungen.
Gegen die gibt es eigentlich nur ein Mittel: Die befallenen Bäume müssen gefällt und so schnell wie möglich weiter verarbeitet werden. Da gibt es aber auch schon das nächste Problem: Denn laut Dietmar Hellmann sind die Sägewerke derzeit mehr als voll - das Problem kranker und in der Folge abgeräumter Bäume gibt es nämlich europaweit. Nur fällen und die Stämme mit den Käferpopulationen darin im Wald liegen lassen ist keine Option. "Die Bäume müssen dann mindestens einen Kilometer raus aufs freie Feld", sagt Dietmar Hellmann: "Sonst schaffen es die Borkenkäfer zurück in den Wald." Als Notlösung werden befallene Holzpolter im Wald bis zum Abtransport mit einem speziellen Insektizid behandelt, das eine Ausbreitung der Schädlinge verhindert.
Auch interessant

Geisterbaum: Auch Buchen sind vielerorts schon "vertrocknet".
Dass die sich im Wald in der Region so (un)gut vermehren können, liegt an der schlechten Versorgung der Bäume. Lang anhaltende Trockenheit und Hitze setzen den Bäumen zu, vor allem die Fichten- und Buchenbestände sind aktuell massiv geschwächt. Und ein geschwächter Baum ist im wahrsten Wortsinn ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. "Der extrem trockene Sommer 2018 wirkt immer noch nach", weiß Hartmut Friedel, der im Kleinen Odenwald als Förster ein Waldgebiet mit einer Fläche von rund 1350 Hektar betreut, in der sich etwa 50 Prozent Nadel- und 50 Prozent Laubbäume finden. Die Anteilsverhältnisse in den Mischwäldern variieren, das Grundproblem bleibt allerdings überall gleich. Es gibt inzwischen zu viele unterversorgte, geschwächte, kranke oder eben schon tote Bäume.
30.000 Kubikmeter Holz habe man im Altkreis Mosbach im Jahr 2019 schon eingeschlagen, oder besser: einschlagen müssen, berichtet Dietmar Hellmann. Das sei dreimal so viel wie im Vergleichszeitraum 2018. Allein in Schefflenz etwa habe man 4000 Kubikmeter Buchenholz aus dem Waldbestand entfernt, da die Bäume vertrocknet waren. "Meist ist es eine Kombination, es gibt auch etliche Bäume, die schlicht aufgrund von Wassermangel zugrunde gegangen sind", sagt der Forstdirektor.
Am Gemeindeverbindungsweg zwischen Breitenbronn und Neckarkatzenbach zeigt uns Hellmann ein paar dieser Baumleichen, die - von der Sonne angeleuchtet - wie Geister mit ihren kahlen Gerippen neben den im halbwegs sattem Blätterkleid stehenden Nachbarbäumen auf den endgültigen Zerfall warten. Maximal noch Brennholz kann aus ihnen werden.
"Die Zahl und Dauer der extremen Hitzeperioden hat in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen", nennt Dietmar Hellmann den Grund für die schlechte Grundversorgung der Wälder, auch in der Region. In der fänden sich durchaus bodenbedingte Unterschiede. So haben es laut Forstdirektor die Bäume, die in den Löss-Lehm-Böden des Kleinen Odenwalds wurzeln, einfacher als diejenigen, die auf den Muschelkalkuntergründen Richtung Bauland wachsen. Ausreichend versorgt sind aber auch die Wälder auf dem "besseren" Boden nicht. Denn der ist im ganzen Kreis nicht (mehr) feucht genug. Bis in eine Tiefe von 30 bis maximal 50 Zentimeter reiche die Feuchtigkeit aktuell, beschreibt Dietmar Hellmann. Eigentlich sollte sie auch in einem Meter Tiefe im Erdreich noch vorhanden sein.
Der Regen, der in den vergangenen Tagen niedergegangen ist, sei für die Landwirtschaft wohl ausreichend, mutmaßt Forstdirektor Hellmann. Für den Wald reiche diese Niederschlagsmenge bei Weitem nicht: "Vier Wochen Landregen würden helfen."
Und der gemeine Bürger? Kann der dem leidenden Wald auch helfen? Direkt nicht, indirekt aber schon: "Jeder kann energiebewusster leben", findet Dietmar Hellmann, im Alltag, bei der Ernährung, beim Einkauf. Auch beim Thema Hausbau müsste das Material Holz aufgrund seiner CO2-Speicherfähigkeit eine viele größere Rolle spielen.
Mittel- und langfristig helfen sollen auch neue Konzepte für den Wald, die Durchmischung wird sich ändern, der Sortenanteil ebenso. Auch die eigene Arbeitsweise wolle man kritisch beleuchten, so Hellmann. Parallel gibt es aber auch eine klare Forderung an die Politik: "Der Wald und die Waldbesitzer brauchen Hilfe!" Den akuten Problemen könne man nicht ohne finanzielle Unterstützung begegnen, sinnvolle Aufforstung koste viel Geld, die nötige umfangreichere Kontrolle auf Schadbäume ebenso. "Da muss was passieren", verdeutlicht Dietmar Hellmann, den die katastrophale Lage des Waldes auch persönlich trifft: "Es ist schon schwer, wenn man zusehen muss, wie das Objekt, mit dem man arbeitet, so unglaublich leidet."