Wie gelingt der Kampf gegen zu hohe Mieten?
Stadt: Ausweitung des flexiblen "Hospital-Modells" ist nicht sinnvoll - Mieterverein fordert mehr preisgebundenen Wohnraum und mehr Kapital für die GGH

Foto: Lisa Ducret/dpa
Von Denis Schnur und Sebastian Riemer
Heidelberg. Wer sich in Heidelberg mit sozialer Gerechtigkeit befasst, kommt am Thema Mieten nicht vorbei. Die werden seit Jahren immer teurer; Menschen mit geringen oder durchschnittlichen Einkommen haben Probleme, hier eine Wohnung zu finden. Auf den ehemaligen US-Armee-Flächen entsteht deshalb vor allem geförderter Wohnraum: In der Südstadt müssen 70 Prozent aller neu entwickelten Wohneinheiten im bezahlbaren Bereich liegen.
Für besonders viel Aufmerksamkeit hat jedoch das bundesweit einmalige Modell gesorgt, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft GGH auf der Konversionsfläche "Hospital" in Rohrbach erproben wird: Bei 250 geförderten Wohnungen soll die Miete maximal 30 Prozent des Nettoeinkommens der Bewohner betragen. Steigt das Einkommen, steigt die Miete - und umgekehrt. Zwischen 6,84 und 12,50 Euro Kaltmiete ist jeder Betrag möglich. Somit sind die Kosten immer in einem Rahmen, den Sozialexperten für zumutbar halten. Andererseits vermeidet man so das Problem einer "Überförderung", also dass Mieter bezuschusst werden, die dies eigentlich nicht nötig hätten. Da dieses Modell entsprechend auf viel Begeisterung stieß, fragte nun Grünen-Stadtrat Peter Holschuh bei der Verwaltung nach, wie teuer es wäre, es auf alle 7044 GGH-Wohnungen auszuweiten.
Diese nimmt jedoch Abstand von der Idee: In ihrer Antwort schreibt die Stadt, das Modell sei "nur auf Neubauvorhaben (begrenzte Gebiete) und bei gesicherter Finanzierung sinnvoll" anwendbar. Denn die regelmäßige Überprüfung der Einkommen bedeute nicht nur einen hohen Verwaltungsaufwand, bei Bestandsmietern gibt es dafür schlicht keine Rechtsgrundlage. Zudem geht die Verwaltung davon aus, dass "die Festschreibung einer Mietbelastungsquote von 30 Prozent des Nettoeinkommens" bei den meisten GGH-Mietern eher zu einer Mieterhöhung führen würde.
Nicht zuletzt muss diese Mietförderung auch gegenfinanziert werden. In Hospital funktioniert das dadurch, dass die GGH dort alle Wohnungen entwickelt und einen Teil auf dem Freien Markt verkauft. Mit diesen Einnahmen kann der Mietzuschuss für die Geringverdiener und mittleren Einkommen für 21 Jahre gesichert werden. Bei Bestandsgebäuden müsste eine entsprechende Mietförderung aus dem städtischen Haushalt finanziert werden. Die Chancen für eine Ausweitung des "Hospital-Modells" sind also gering.
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Für Christoph Nestor, Leiter des Heidelberger Mietervereins, liegt das Problem aber ohnehin tiefer: "Der Wohnungsmarkt ist kaputt, und zwar nicht nur in Heidelberg, auch in der Region." Die Zahl der preisgebundenen Wohnungen sinke seit über zwei Jahrzehnten. "Das war politisch von den Bundes- und Landesregierungen spätestens seit 1990 so gewollt", so Nestor. Für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen habe "der Markt" aber keinen Ersatz geschaffen. "Und die schauen jetzt in die Röhre."
Nachdem ab Anfang der 2000er Jahre bei immer mehr GGH-Wohnungen die gesetzliche oder vertragliche Preisbindung ausgelaufen war, beschloss die GGH 2007 mit ihrer "Strategie 2015" eine freiwillige Selbstbindung für die Hälfte ihres Wohnungsbestands. Damit konnte die Zahl der preisgebundenen Wohnungen auf gleichem Niveau gehalten werden. Aktuell haben 3870 GGH-Wohnungen eine Preisbindung, das sind 54,9 Prozent des Gesamtbestandes. Die Durchschnittskaltmiete aller GGH-Wohnungen liegt bei 6,33 Euro pro Quadratmeter, bei den preisgebundenen Wohnungen beträgt sie 5,21 Euro.
Mietervereins-Leiter Nestor fordert schon lange einen Paradigmenwechsel in der städtischen Wohnungspolitik: Er fordert den Gemeinderat auf, "keinerlei Bebauungspläne mehr für Renditeprojekte zu machen", sondern nur noch für gemeinwohlorientierte Wohnungsbauträger wie Baugruppen, Baugenossenschaften - und natürlich die GGH, auf die Nestor besonders setzt. "In den nächsten Jahren sollte die GGH weitere 5000 bis 6000 Wohnungen im gebundenen Bereich mit Mieten für die geringen und mittleren Einkommensbezieher bauen." Damit sie das leisten könne, müsse der Gemeinderat ihr regelmäßige Eigenkapitalerhöhungen finanzieren.



