Krebsdiagnose aus dem Blut - Jetzt wird der Test marktreif (Update)
Mit wenigen Millilitern Blut sollen Biomarker für Brustkrebs erkannt werden - Expertenmeinung geteilt zu neuem Verfahren

Blutprobe für eine Untersuchung. Foto: Tim Brakemeier/dpa
Heidelberg. (bik/van/dpa/mün) Ein neuer Bluttest soll Brustkrebs künftig besonders schonend erkennen können. Für das Verfahren seien nur wenige Milliliter Blut nötig, teilte das Universitätsklinikum Heidelberg mit. Bei der Untersuchung werden sogenannte Biomarker erkannt, die auf eine Krebserkrankung schließen lassen.
>>> Update: Hier unser Interview mit Prof. Sohn von der Uniklinik Heidelberg <<<
Der Test kann vier verschiedene Tumorarten schon im frühen Stadium erkennen. Der Test, den Mediziner der Uniklink Heidelberg entwickelt haben, ermittelt im Blut zirkulierendes Tumor-Erbgut (ctDNA) und reagiert auf Karzinome von Lunge, Darm, Brust und Eierstock. In einer Studie aus dem Jahr 2017 an rund 200 Patienten hatte das Verfahren auf 62 Prozent der Tumore im frühen und 75 Prozent im späteren Stadium angeschlagen. Diese einfache Blutprobe, die den Nachweis von Krebserkrankungen liefert, wird nun marktreif.
Das neue Verfahren kann die bisherigen Untersuchungsmethoden Mammografie, Ultraschall oder MRT ergänzen, heißt es vonseiten des Uniklinikums Heidelberg. Laut Prof. Dr. Christof Sohn ist das "neue blutbasierte Verfahren deutlich weniger belastend für Frauen, weil es weder schmerzhaft ist noch mit einer Strahlenbelastung einhergeht". Sohn nennt das Verfahren "eine neue, revolutionäre Möglichkeit", eine Krebserkrankung ohne einen Eingriff schnell zu erkennen.
Die Markteinführung des Verfahrens ist noch im laufenden Jahr geplant, heißt es bei Heidelberger Uniklinikum. Dafür wurde eine Gesellschaft, die HeiScreen GmbH, ins Leben gerufen. Mit ihr sollen die Zertifizierungen durchgeführt und die Marktreife sowie die Markteinführung sichergestellt werden.
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Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Im Jahr 2018 sind etwa 70.000 Frauen neu an Brustkrebs erkrankt, das sind etwa 30 Prozent der Krebsneuerkrankungen insgesamt. Bei einer frühzeitigen Erkennung ist die Heilungschance mit 95 Prozent jedoch sehr hoch. Nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts war Brustkrebs bei Frauen im Jahr 2016 die häufigste Krebserkrankung mit Todesfolge: 18.570 Frauen starben daran.
Die Ergebnisse sind allerdings nur schwer einzuschätzen. Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ist bislang keine begutachtete Studie in einem Fachmagazin erschienen. Der DKFZ-Fachmann zu diesem Thema wollte sich am heutigen Mittwoch nicht zu dem neuen Test äußern, da er nur spekulieren könne.
Die Direktorin der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf, Tanja Fehm, spricht von spannenden wissenschaftlichen Daten. Allerdings sei es noch viel zu früh, um den Test als Routineuntersuchung zu etablieren. Zunächst seien Tests an viel mehr Frauen nötig. Viele Fragen seien noch ungeklärt. Es sei schade, wenn in Frauen Hoffnungen geweckt werden, die möglicherweise nicht zu halten seien.
Viele Fragen seien noch ungeklärt: Wie wirken sich beispielsweise Effekte wie Rauchen oder die Einnahme der Antibabypille auf die Ergebnisse aus? Wie lange nach einem negativen Testergebnis können sich Frauen sicher fühlen? Was bedeutet es, wenn ein Bluttest positiv, das Mammografie-Screening aber negativ ist?
Bislang basiert die Früherkennung von Brustkrebs in der Hauptsache auf regelmäßigem Abtasten und dem Mammografie-Screening, einer Röntgenuntersuchung der Brust. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren können alle zwei Jahre auf Kosten ihrer Krankenkasse zur Mammografie in einem spezialisiertem Screening-Zentrum gehen. Laut Expertin Fehm ist bislang kein Bluttest auf Brustkrebs in Deutschland auf dem Markt.
Nach Angaben des Uniklinikums in Heidelberg sind mit dem neuen Bluttest innerhalb von zwölf Monaten gut 900 Frauen untersucht worden - mehr als 500 waren Brustkrebs-Patientinnen, rund 400 Frauen gesund. Bei den Erkrankten sei bei drei von vier Frauen der Krebs erkannt worden. Mit dieser Trefferquote sei die sogenannte "Liquid Biopsy" in den Heidelberger Tests somit in etwa vergleichbar mit der Mammografie, sagt Sohn. Besonders hohe Trefferzahlen habe man bei Jüngeren sowie bei Frauen erzielt, bei denen aufgrund familiärer, genetischer Vorbelastung ein erhöhtes Risiko bestehe.
Auf die Frage, ob es auch bei den gesunden 400 Frauen Fehlalarme gab - in diesen Fällen also einen falscher Befund - antwortet Sohn: "Selbstverständlich." Und: "Wir werden immer eine Unschärfe haben." Eine konkrete Zahl nennt er auf Nachfrage nicht. Fehlalarme gibt es auch bei Mammografien.
Die Düsseldorfer Expertin Fehm, die von "spannenden wissenschaftlichen Daten" spricht, warnt davor, den neuen Bluttest schon jetzt mit Mammografie-Screenings zu vergleichen. Das gebe die Datenlage zum neuen Verfahren derzeit noch nicht her.

Prof. Holger Sültmann. Foto: DKFZ
Die RNZ hatte vor einiger Zeit mit Professor Holger Sültmann, Leiter der Arbeitsgruppe Krebsgenomforschung im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, gesprochen:
Herr Professor Sültmann, was wird bei einem Krebstest im Blut untersucht?
Bei vielen Tumoren weiß man, dass sie Erbgutveränderungen haben. Wir bestimmen mit der Flüssig-Biopsie, wie viel von diesem Erbmaterial aus Krebszellen und wie viele Krebszellen sich überhaupt im Blut befinden. Wir sehen beispielsweise, dass eine Therapie erfolgreich ist, wenn wir im Blut nichts mehr finden. Bei vielen Krebstherapien können wir aber beobachten, dass die Zahl der veränderten DNA-Fragmente, also der mutierten Fragmente des Erbgutes, nach einer gewissen Zeit wieder drastisch ansteigt. Unser Test kann also zeigen, dass der Tumor zurückkehrt, teilweise schon, wenn in der bildgebenden Diagnostik noch gar nichts zu sehen ist.
Ein Patient weiß in diesem Fall also recht früh, dass ein Tumor wiedergekommen ist. Eigentlich keine gute Nachricht. Bringt ihm das Wissen einen Vorteil?
Man hat als Arzt früher die Möglichkeit, einzugreifen, und kann die Therapie ändern, wenn der Tumor resistent gegen einen Wirkstoff geworden ist. Das ist immer ein Vorteil, was die Überlebenschancen betrifft.
Update: 16.30 Uhr, Donnerstag, 21. Februar 2019