Wird der neue Markt in Neckargemünd auf Eis gelegt?
Gemeindeverwaltungsverband bittet Stadt um Aufschub bei Entscheidung über Neubau - Neues Gutachten für Einzelhandel

Blick von der Rothsnasenhütte auf Neckargemünd: Der neue Edeka-Markt soll auf dem Areal gegenüber dem Profi-Baumarkt (graue Fassade, am linken Bildrand) entstehen. Foto: Alex
Von Benjamin Miltner
Neckargemünd. Edeka muss warten: Das könnte die Folge aus der jüngsten Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Neckargemünd sein. Denn die Vertreter der Mitgliedsgemeinden Wiesenbach, Gaiberg und Bammental gaben ihren Neckargemünder Kollegen den Appell mit, ihre Entscheidung für den Neubau eines Supermarkts an der Bundesstraße B45 am Stadtausgang Richtung Bammental noch einmal zu überdenken.
Im Gemeinderat der Stadt am Neckar steht am kommenden Dienstag, 11. Dezember, ein entsprechender Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan "Karl-Landsteiner-Straße" auf der Tagesordnung. "Das ist eine salomonische Lösung, besser kriegen wir es heute nicht hin", schloss Neckargemünds Bürgermeister Frank Volk eine lange wie emotionale Debatte um den Einzelhandel im GVV. Zuvor hatte es mächtig Zoff und dicke Luft gegeben, war sogar die Zusammenarbeit der vier Mitgliedsgemeinden generell in Frage gestellt worden.
Hintergrund
Von wegen besinnliche Adventszeit! Bei der jüngsten Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Neckargemünd ging es heiß her. Kein Wunder, stand mit dem gemeinsamen Einzelhandelskonzept doch ein Thema auf der Tagesordnung, das vor allem zwischen Bammental und Neckargemünd
Von wegen besinnliche Adventszeit! Bei der jüngsten Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Neckargemünd ging es heiß her. Kein Wunder, stand mit dem gemeinsamen Einzelhandelskonzept doch ein Thema auf der Tagesordnung, das vor allem zwischen Bammental und Neckargemünd jüngst häufig zum Zankapfel geworden war. So auch diesmal, wie die Stimmen in der Diskussion zeigen:
Albrecht Schütte (CDU/BV Bammental) betonte, dass er wenig Sinn darin sehe, erst Supermärkte zu erweitern oder neu zu bauen und dies erst im Nachhinein zu hinterfragen: "Dann können wir uns die 20.000 Euro für ein Gutachten auch sparen."
Petra Groesser (Grüne Neckargemünd) wollte in keinem Fall auf ein neues Gutachten verzichten, da dieses neben dem Blick auf die Supermärkte auch andere wertvolle Hinweise enthalte. Wenn man das Gutachten fortschreibe, dann müsse man sich aber auch dran halten und dessen Erkenntnis nutzen. "Im jetzigen Gutachten standen ganz klar Sachen drin, die übergangen wurden", sagte sie.
Frank Volk (Bürgermeister Neckargemünd) warnte zunächst davor, die Entscheidung über den Edeka-Neubau zu überdenken. "Für Neckargemünd wären damit viele Risiken verbunden, da hängt viel mehr dran." Schließlich sei mit dem Bebauungsplan auch ein Fitnesscenter vorgesehen, für das Volk auch über die Stadt hinaus einen klaren Bedarf sieht. "Was passiert, wenn eine Gemeinde im Gutachten als überversorgt dargestellt wird? Müssen wir dann Ausgleich schaffen?", fragte er. Schließlich könne man einen Einzelhändler nicht zum Schließen zwingen.
Jürgen Rehberger (Freie Wähler Neckargemünd) erklärte seine Zustimmung zu den Edeka-Neubauplänen: "Der große Schwerpunkt unserer Einkaufsmärkte liegt in Kleingemünd." Die Kernstadt mit dreimal so vielen Einwohnern sei dagegen total unterrepräsentiert.
Dietmar Keller (SPD Neckargemünd) sah den Edeka-Markt mit dem bestehenden Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan bereits als endgültig beschlossen an. "Wir können jetzt nicht auf einmal ,April, April’ sagen, sonst machen wir uns schadensersatzpflichtig." Nun ein Gutachten anzustreben, um den Marktneubau zu verhindern, sei nicht in Ordnung.
Holger Karl (Bürgermeister Bammental) stellte klar, dass sich die vier GVV-Kommunen mit dem ersten Gutachten eine Selbstverpflichtung gegeben haben. "Dass Neckargemünd diesen Weg weit verlassen hat, darüber wundern wir uns". sagte er. Karl plädierte für eine Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts, um die Auswirkungen geklärt zu haben. "Wenn das Gutachten alle geplanten und bestehenden Supermärkte hergibt, dann werden wir die Letzten sein, die dagegen stimmen", versprach er.
Eric Grabenbauer (Bürgermeister Wiesenbach) brachte den Aufschub der Entscheidung über den Edeka ins Spiel und pochte auf ein Entgegenkommen Neckargemünds. "Ich bin der festen Überzeugung, dass uns die Zusammenarbeit allen wichtig ist - auch wenn sich das hier gerade nicht so anhört", sagte er.
Anna von Reumont (CDU Neckargemünd) zeigte Verständnis für die Unzufriedenheit in Bammental: "Sie bringen Punkte vor, die ich gut nachvollziehen kann." Wenn man gemeinsam ein Gutachten beauftrage, dann dürfe man künftig nicht herauspicken, was einem selbst am meisten nütze.
Markus Bühler (Grüne Wiesenbach) zeigte auf, dass der GVV keine Befugnis habe, einen Rückzieher Neckargemünds zu erzwingen. Die Stadt habe für sich selbst schon eine gutachterliche Stellung eingenommen, indem sie sage, dass sie den Edeka braucht. Er wünschte sich dennoch von Neckargemünd "einen Akt der Fairness", indem der Gemeinderat noch keine Fakten schaffe.
Jürgen Berger (SPD Wiesenbach) sprach sich klar für ein Gutachten aus: "Erst dann werden wir die Auswirkungen eines neuen Edekas kennenlernen." Er warnte vor der weiter zunehmenden Online-Konkurrenz - auch bei den Nahversorgern - und betonte: "Wir diskutieren hier um Supermärkte, aber es geht um viel mehr, vor allem um die Vielzahl kleiner Geschäfte, die uns vor Ort einen Riesen-Mehrwert bringen." (rnz)
Worum geht es eigentlich? Um die Fortschreibung des Einzelhandelsgutachtens aus dem Jahre 2010. "Es ergibt Sinn, nach gut acht Jahren unser Portfolio zu beleuchten und zu schauen, was vielleicht fehlt", erklärte Frank Volk. Die Welt habe sich weitergedreht, die Bedürfnisse von Einzelhandel und Kunden hätten sich gewandelt. Der Begründung des Neckargemünder Rathauschefs, ein Angebot für ein entsprechendes neues Konzept für maximal 20.000 Euro einzuholen, klang schlüssig. Wäre da nicht die Vorgeschichte. Und das Wissen darum, wie mit dem Vorgänger-Gutachten umgegangen wird.
Denn dieses wurde im Jahr 2011 vom GVV beschlossen, ist heute noch gültig und hatte klare Handlungsempfehlungen festgelegt.
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"Überall wurden die Vorgaben eingehalten - außer in Neckargemünd", meinte Holger Karl. Bammentals Bürgermeister rechnete vor: Das der Stadt am Neckar ausgewiesene Entwicklungspotenzial von 1100 Quadratmetern zusätzlicher Verkaufsfläche sei bereits weit übertroffen worden. Fakt ist: Netto und Lidl haben bereits neu gebaut und erweitert, Rewe hat es beschlossen, Aldi, Edeka und Co. sind am Planen.
Wenn man das Edeka-Projekt mit einberechne, dann habe Neckargemünd laut Karl statt 5400 bald 9150 Quadratmeter Verkaufsfläche marktbestimmender Einzelhändler. "Das hat natürlich auch für die Gemeinden außenrum enorme Auswirkungen", betonte er, zumal er prognostizierte, dass 90 Prozent der Kunden den geplanten Edeka-Markt mit dem Auto ansteuern würden.
Hintergrund
Das erste Einzelhandelskonzept für den Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Neckargemünd hat die "LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH" aus Stuttgart (KE) im November des Jahres 2010 verfasst. Es knüpfte an die "Marktstudie Einzelhandel" für Neckargemünd aus
Das erste Einzelhandelskonzept für den Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Neckargemünd hat die "LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH" aus Stuttgart (KE) im November des Jahres 2010 verfasst. Es knüpfte an die "Marktstudie Einzelhandel" für Neckargemünd aus dem Jahr 2007 an und arbeitete erstmals für die vier GVV-Mitgliedskommunen Neckargemünd, Bammental, Wiesenbach und Gaiberg "Leitlinien zur Entwicklung und Steuerung des Einzelhandels mit Schwerpunkt der Lebensmittel" aus. Dabei flossen Statistiken zur Einwohnerzahl, zur Kaufkraft und zur Marktlage des Gebietes in die Bestandsaufnahme ein. Die KE sah für den GVV Neckargemünd damals eine "nahezu gesättigte Marktsituation bei Nahrungs- und Genussmitteln". In Gaiberg und Wiesenbach waren im Jahr 2010 Ansiedlungen von Nahversorgern weder geplant noch wurden sie empfohlen. Für die Gemeinde Bammental wurde der schon damals geplante und immer noch nicht vollzogene Neubau des Netto-Markts als Ersatz für die aktuelle Filiale in direkter Nachbarschaft erwähnt. Für Neckargemünd wurde ein Entwicklungspotenzial von 1100 Quadratmetern Verkaufsfläche zu den bereits bestehenden Nahversorgern ausgewiesen. (rnz)
Bammentals Rathauschef erhielt neben Albrecht Schütte (CDU/BV) aus dem eigenen Lager auch Unterstützung aus Neckargemünd von Petra Groesser (Grüne) und Anne von Reumont (CDU). Frank Volk verteidigte dagegen die Pläne für den Edeka-Markt. "Die Anwohner sehnen sich nach einem fußläufigen Versorger", betonte er. Der Rathauschef sieht für die Stadt am Neckar mit "zwei Vollsortimentern aktuell eine Unterversorgung, auch wenn ich gerne zugebe, dass wir bei den Discountern an der Grenze oder sogar drüber sind."
Bekräftigt wurde Volks Position von Jürgen Rehberger (Freie Wähler) und vor allem von Dietmar Keller (SPD). Das Einzelhandelskonzept sei kein bindendes Gesetz, an das man sich halten müsse. "Es ist ein Gutachten, aus dem wir uns rausnehmen können, was wir wollen", stellte Keller unmissverständlich klar. "Dann brauchen wir es auch nicht zu machen - so müssen wir aber auch gar nicht mehr zusammenarbeiten", erklärte Holger Karl die Sache zur Grundsatzfrage.
Erst als nach weiteren Beiträgen von Eric Grabenbauer (SPD), Markus Bühler (Grüne) und Jürgen Berger (SPD) aus Wiesenbach sowie von Bürgermeisterin Petra Müller-Vogel aus Gaiberg weiterer Widerstand offenkundig wurde, lenkte Frank Volk ein und formulierte die Beschlussvorlage um. Letztendlich wurde - bei Bammentaler Enthaltung - der GVV beauftragt, ein Angebot zur Fortschreibung des Einzelhandelsgutachtens einzuholen.
Dies ist aber geknüpft an zwei Bedingungen: Die Bürgermeister werden bereits vor der nächsten Verbandsversammlung am 27. März über das Angebot entscheiden. Und an den Neckargemünder Gemeinderat erfolgte der ausdrückliche Appell, die Entscheidung für den geplanten Edeka-Markt noch einmal auszusetzen. Ob dieser sich daran hält, wird der Dienstagabend zeigen ...
Info: Sitzung des Neckargemünder Gemeinderats am Dienstag, 11. Dezember, um 19 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses, Bahnhofstraße 54.



