Absenkung der Eingangsbesoldung war verfassungswidrig
Baden-Württemberg muss Beamten und Richtern mehr als 180 Millionen Euro nachzahlen

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Das Land Baden-Württemberg hat seinen jungen Beamten und Richtern bis Ende 2017 zu Unrecht nur eine abgesenkte Eingangsbesoldung bezahlt. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hervor. Das Land muss nun über 180 Millionen Euro zurückzahlen. Die genaue Summe wird vom Finanzministerium noch erhoben. Ein Sprecher sagte schnelle Nachzahlungen für die Jahre 2015, 2016 und 2017 zu. Besoldungsansprüche verjähren nach drei Jahren, sofern Betroffene nicht Einspruch erhoben haben.
Laut der Gewerkschaft GEW waren allein mehr als 30.000 Lehrkräfte von den Kürzungen betroffen. GEW-Landeschefin Doro Moritz nannte das Urteil "eine Ohrfeige für alle vier Parteien, die in der Vergangenheit in zwei Landesregierungen auf Kosten junger Lehrkräfte gespart haben". Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, sprach von einer "schallenden Ohrfeige" für den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.
Aus Spargründen hatte die damalige schwarz-gelbe Koalition erstmals 2005 neu eingestellten Beamten und Richtern Sonderopfern abverlangt. Seit 2008 wurde Einsteigern drei Jahre lang das Grundgehalt um vier Prozent gekürzt. 2013 verdoppelte die damalige grün-rote Koalition die Absenkung auf acht Prozent. Die Benachteiligung der Berufsanfänger ist von der jetzigen grün-schwarzen Koalition zum 1. Januar 2018 ganz zurückgenommen worden.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bemängelte eine ganze Reihe von Fehlern in der Regelung. Sie missachte, dass die Besoldungshöhe nach unmittelbar amtsbezogenen Kriterien zu bemessen sei. Auch liege ein Verstoß gegen das Gebot der Besoldungsgleichheit vor, weil die Absenkung nur einen Teil der Beamten und Richter treffe. Es seien nur einzelne Besoldungsgruppen und neu in den Dienst kommende Beamte und Richter betroffen. Außerdem fehle ein schlüssiges und umfassendes Konzept zur Haushaltskonsolidierung als Voraussetzung für die Belastung der Beamten- und Richterschaft.
Auch interessant
Die zur Konsolidierung des Haushalts ersonnene Maßnahme erweist sich nun als finanzpolitischer Bumerang. Mit dem Urteil hatte die Landesregierung nicht gerechnet. Sie geht aber davon aus, die Rückzahlungen 2019 ohne Kürzungen an anderer Stelle stemmen zu können. Die in Frage kommende Summe macht nur einen Bruchteil der jährlichen Personalausgaben des Landes von rund 35 Milliarden Euro aus. Der Landeschef des Beamtenbundes, Kai Rosenberger, forderte die Regierung auf, nach dem Urteil nun auch 2013 erfolgte Eingriffe in die Beihilfe zurückzunehmen.
Thekla Walker, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, zeigte sich "überrascht" vom Urteil. "Es erklärt eine Besoldungsmaßnahme für verfassungswidrig, die über viele Jahre hinweg von mehreren Landesregierungen in unterschiedlichsten politischen Zusammensetzungen praktiziert wurde."
CDU-Landeschef und Vize-Regierungschef Thomas Strobl erklärte: "Umso besser, dass wir als CDU in den Koalitionsverhandlungen darauf gedrängt haben, die Absenkung der Eingangsbesoldung wieder abzuschaffen." Diese sei "geradezu ein unsozialer Akt" gewesen. Bis 2022 habe man das beenden wollen. Gelungen sei es bereits zum 1. Januar 2018. "Das finde ich einen wunderbaren Weg in der Politik: mehr zu tun, schneller und besser zu sein, als man es versprochen hat", so Strobl.