"Sonderopfer für Landesbeamte dürfen und können kein Thema mehr sein"
Beamtenbund-Chef Volker Stich fordert attraktiveren öffentlichen Dienst

"Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss das Land Schwachstellen bei der Bezahlung angehen", fordert Stich (Mitte). Foto: Marjan Murat
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Das Land werde "insgesamt mehr Geld für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in die Hand nehmen müssen", wenn es im Wettbewerb um Nachwuchs konkurrenzfähig bleiben will, sagt der Landeschef des Beamtenbunds, Volker Stich. In die grün-schwarze Koalition setzt der 67-Jährige nach enttäuschenden Jahren unter Grün-Rot "große Hoffnungen". Nach 14 Jahren an der Spitze des Verbands gibt Stich den Vorsitz heute ab.
Herr Stich, das Land schafft mehr Stellen, zugleich fehlt in einigen Bereichen Personal. Wie passt das zusammen?
Wenn das Land im öffentlichen Dienst eine normale Altersverteilung hätte, würden jedes Jahr etwa 2,5 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand gehen. Auf die Landesbeamten übertragen hieße das, dass etwa 5000 pro Jahr in Pension gehen würden. Tatsächlich liegen die Zahlen darüber - und zwar in allen Bereichen und das noch mindestens zehn Jahre lang. Parallel haben wir einen Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften. Das macht die Sache so schwierig.
Der Mangel ist im demografischen Wandel begründet?
Ja, aber nicht allein. Für viele junge Leute ist die Wirtschaft eine sehr attraktive Alternative. Vor Jahrzehnten hatte der öffentliche Dienst noch ein alles schlagendes Argument: die Arbeitsplatzsicherheit. Aber bei einer Quasi-Vollbeschäftigung zieht das nur noch bedingt.
Innenminister Thomas Strobl hat gerade verkündet, dass 5000 Bewerber auf die auf 1800 aufgestockten Ausbildungsplätze bei der Polizei kommen. Das klingt doch gut.
Noch haben wir genügend Bewerber, ja. Jetzt kommt mein großes Aber: In der Vergangenheit konnten wir uns die Bewerber in allen Bereichen aussuchen, auch bei der Polizei waren es deutlich mehr Bewerber. Wenn aber der Punkt erreicht ist, wo sich die Zahl der Bewerber und die der Stellen angleicht, kann das Land keine Bestenauslese mehr vornehmen.
Gibt es schon solche Bereiche?
Wir haben verschiedene Bereiche, wo das Land bereits heute keinen qualifizierten Nachwuchs mehr findet. Uns fehlen Techniker sowie Experten für den Denkmalschutz oder Physiker für den Rückbau der Atomkraftwerke. Einen großen Mangel haben wir an medizinischen Fachkräften im öffentlichen Dienst, auch im Lehrerbereich, derzeit an den Grundschulen. Dann gibt es Felder, wo der Bedarf gerade so gedeckt werden kann, etwa in der Finanzverwaltung, teils auch im Polizeidienst.
Was muss das Land tun?
Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss das Land Schwachstellen bei der Bezahlung angehen. Die Rücknahme der Kürzungen bei der Eingangsbesoldung kann da nur ein erster Schritt sein. Die grün-schwarze Regierung muss dringend die seit 2013 wirksamen Verschlechterungen bei der Beihilfe für junge Beamte rückgängig machen. Denn das führt zu monatlichen Einkommensverlusten von bis zu 200 Euro für eine Familie mit Kindern. Für junge Beamte im mittleren Dienst ist das nicht mehr darstellbar.
Wie kommt der Beamtenbund generell mit der Landesregierung klar?
Wir haben inzwischen wieder ein gutes Arbeitsverhältnis aufgebaut. Klar ist aber: Sonderopfer für Landesbeamte dürfen und können in Zukunft kein Thema mehr sein. Wenn es 2019 wieder um die Übernahme des Tarifergebnisses auf die Landesbeamten geht, wird Grün-Schwarz viel mehr bieten müssen, vielleicht einen weiteren Baden-Württemberg-Bonus. Das Land wird insgesamt mehr Geld für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in die Hand nehmen müssen, wenn es konkurrenzfähig bleiben will. Die Finanzlage gibt das auch her.
Sie waren 14 Jahren Landeschef des Beamtenbundes. Mit welchem Regierungschef haben Sie die beste Erfahrung gemacht?
An den Beamten haben sich alle abgearbeitet. Das Verhältnis mit Ministerpräsident Erwin Teufel war getrübt. Mit Günther Oettinger haben wir auch gerungen, aber wir kamen zu vernünftigen Konsenslösungen. Die Interimsregierung von Stefan Mappus war überschattet von anderen Ereignissen. Dann kam Grün-Rot - und das war extrem schwierig und auch enttäuschend, weil Grün-Rot nur bei den Beamten gespart hat. Jetzt haben wir weiterhin Ministerpräsident Winfried Kretschmann, aber mit einem anderen Koalitionspartner, der CDU, und es sieht so aus, als könnte es zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit kommen. Ich setze große Hoffnungen in die grün-schwarze Koalition.