Auch in Eberbach brannte vor 80 Jahren die Synagoge
Milena, Pio und Keanu folgen den Stolpersteinen - Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums zeichnen Lebenswege nach

Deportiert und ermordet wurden auch ehemalige Eberbacher Mitbürger, an die solche Stolpersteine in der Altstadt erinnern. Foto: bnc
Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Deutschlandweit brannten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Synagogen, wurden die Schaufenster jüdischer Geschäfte eingeschlagen - auch in Eberbach. Deutschlandweit finden heute, am 80. Jahrestag dieser Verbrechen, Gedenkveranstaltungen dazu statt - auch in Eberbach.
Wo hier einst das jüdische Gotteshaus stand, wurde vor fünf Jahren auf dem heutigen Synagogenplatz ein von Schülerinnen des Hohenstaufen-Gymnasiums gestaltetes Mahnmal errichtet. Dort wird die im Rahmen der Herbstreihe "Vom Untertan zur Bürger*in" stattfindende Gedenkveranstaltung um 17 Uhr von Bürgermeister Peter Reichert eröffnet. HSG-Kunstlehrer Dr. Sebastian Schäuffele wird die Teilnehmer mit der Entstehungsgeschichte des Mahnmals vertraut machen. Anschließend laden Schülerinnen und Schüler des Neigungskurses Geschichte zu einem Weg entlang der in der Innenstadt verlegten "Stolpersteine" ein, wo sie an die Lebenswege und Schicksale der einst dort wohnenden jüdischen Mitbürger erinnern.
Den Abschluss bildet eine Gedenkfeier in der Michaelskirche mit Bürgermeister Reichert, Dekan Ekkehard Leytz von der evangelischen und Diakon Joachim Szendzielorz von der katholischen Kirchengemeinde. Musikalisch mitgestaltet wird die Feier vom HSG-Neigungskurs Musik und dem Kammerchor der Singschule.

Am HSG besuchen sie den Neigungskurs Geschichte in der zwölften Klasse. Zum 80. Jahrestag der Pogromnacht setzen sich Schüler - im Bild mit Bernhard Schell - dafür ein, diese Vergangenheit nicht ruhen zu lassen. Foto: bnc
Am Mittwochmorgen waren die sieben Zwölftklässler des Neigungskurses Geschichte mit ihrem Lehrer Bernhard Schell bereits in der Oberen Badstraße, der Kellereistraße und auf dem Leopolds- platz anzutreffen. Ausgestattet mit dem mobilen Lautsprecherequipment der Stadtverwaltung waren sie in einer Art Generalprobe für die Auftritte der einzelnen Schüler bei den jeweiligen "Stolpersteinen" unterwegs, und vor dem evangelischen Gemeindehaus, in dem die steinernen Gesetzestafeln der ehemaligen Synagoge ihren Platz gefunden haben.
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Bereits vor den Sommerferien hatten sich die jungen Leute mit dem Projekt vertraut gemacht, hatten die Ferienzeit genutzt, um zu recherchieren und sich im Stadtarchiv nach Informationen umzuschauen. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden anschließend in Kleingruppen bearbeitet.
Natürlich waren die Schüler da durch den Geschichtsunterricht bereits mit dem Thema "Nationalsozialismus in Deutschland" vertraut. "Aber man bekommt einen viel besseren Bezug dazu, wenn man weiß, wie es in der Heimatstadt zuging und wenn man die individuellen Schicksale vor Ort kennenlernt", ist Pio überzeugt. "Und es wird einem bewusst, dass das alles wirklich passiert ist - und nicht nur ein Gerücht."
Ob sie es wichtig finden, dass die Erinnerung an die Geschehnisse von damals wach gehalten wird? "Ja natürlich", sagt Keanu. "Für die heutige junge Generation ist das alles lange her. Aber unsere Groß- und Urgroßeltern haben es erlebt. Es ist wichtig, sich das ins Gedächtnis zu rufen." "Man sollte die Ereignisse von damals nicht verdrängen, sondern sich damit auseinandersetzen und dazu stehen", möchte Milena allen entgegnen, die die Vergangenheit am liebsten "einfach mal ruhen" lassen möchten.
Denn die Gefahr, dass sich Ähnliches wiederholen könnte, sehen die Schüler in Zeiten eines, wie Lehrer Schell es ausdrückt, "zunehmend falsch verstandenen Nationalismus" nicht mehr als ausgeschlossen. "Wenn man sich die letzten Wahlen ansieht, wo die AfD stark an Stimmen gewonnen hat… Wenn so eine Partei an die Regierung kommt, kann schon sein, dass dann die Demokratie gefährdet ist", befürchtet Keanu. "Die NSDAP hat man anfangs auch unterschätzt", gibt Samira angesichts der vielfach ignorierten Wahlprogramme rechter Parteien noch zu bedenken.
Ein paar Regieanweisungen von Lehrer Bernhard Schell beschlossen den Testlauf am Mittwoch: "Immer nah ans Mikro gehen, langsam und deutlich sprechen und immer mit Blick zu den Zuhörern …"