Wenn die Straße zum Dorf wird (plus Fotogalerie)
"Metropolink"-Festival geht ins Patrick Henry Village - Auf dem "San Jacinto Drive" erobern Sänger, Galeristen und Stadtplaner den Raum

Die Künstlergruppe "Tape Art Collective" verwandelte eine Garage auf dem "San Jacinto Drive" zum dreidimensionalen Raum (links). Es ist eines von rund 20 Kunstprojekten, welche die Straße zum Leben erwecken sollen. Fotos: Rothe
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Auf dem "San Jacinto Drive" ging es in den letzten Jahren eher beschaulich zu. Ab und an quakte eine Kreuzkröte vor sich hin, hier und da trottete ein Fuchs übers Gras. Vogelgezwitscher in den Baumkronen. Ansonsten Stille. Aber das ist nun vorbei. Am Donnerstagabend startete im Patrick Henry Village (PHV) das Projekt "PHVision". Für zehn Tage wird der Straßenzug im nördlichen Teil des ehemaligen US-Militärgeländes zum Experimentierfeld für urbane Kunst und Stadtentwicklung.
Die Idee kam von Pascal Baumgärtner. Der Festivalleiter und Kurator des "Metropolink"-Festivals hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kunst und Urbanität zusammenzubringen. Der Straßenabschnitt auf dem verlassenen Areal ist für Baumgärtner die ideale Spielwiese, um seine ganz persönliche Vision durchzusetzen, die da lautet: "Wir brauchen mehr Freiheit im öffentlichen Raum." Den "San Jacinto Drive" hat er daher zum Festivaldorf umfunktioniert - mit Hilfe der Stadt sowie zahlreichen Helfern und Künstlern aus Heidelberg, Deutschland und Europa.
Die vielen verwaisten Offiziersvillen, die den Straßenabschnitt säumen, werden in diesen Tagen neu mit Leben gefüllt. Künstler, Büros und Firmen haben sich hier einquartiert, musizieren, philosophieren, diskutieren - und proben so ganz nebenbei Möglichkeiten, wie öffentlicher Raum und Kunst enger zusammenwachsen könnten. Unter ihnen auch Anna Baer alias "Olive Green Anna". Die amerikanische Künstlerin hat ihre Pop-up-Galerie im Pfaffengrund für die kommenden Tage auf den "San Jacinto Drive" verlegt und die Innenwände einer alten Garage bemalt. Das PHV-Gelände habe sie immer als eine Art toten Raum wahrgenommen, sagt Baer. "Ich finde es interessant, dabei zu sein, wie man sich diesen Raum nun zurückholt."
Hintergrund
Das "Metropolink"-Festival ging am Freitag, 13. Juli, an den Start. Bis zum Ende am Samstag, 28. Juli, zieht die Kunst vor die Tore der Stadt - auf den "San Jacinto Drive" im Patrick Henry Village. Am Wochenende ab 13 Uhr und unter der Woche ab 18 Uhr ist dort jeden Tag bis
Das "Metropolink"-Festival ging am Freitag, 13. Juli, an den Start. Bis zum Ende am Samstag, 28. Juli, zieht die Kunst vor die Tore der Stadt - auf den "San Jacinto Drive" im Patrick Henry Village. Am Wochenende ab 13 Uhr und unter der Woche ab 18 Uhr ist dort jeden Tag bis tief in die Nacht einiges geboten: Heute malt der deutsche Künstler "Wayne Horse" im Festivaldorf. Musik kommt von Alexander Maisenhelder und Dogpatrol. Am Sonntag, 22. Juli, ist der französische Künstler "Cssjpg" am Werk, für musikalische Unterhaltung sorgen "Huckleberry Hearts", "Gringo Mayer", "Bischler" und "Apes in Suits". Täglich vor Ort sind auch die IBA, das Büro "Plan:kooperativ", die Breidenbach-Studios, das "Labor RS79", die Sparkasse Heidelberg, die Stadtwerke und der Plattenladen "Musikzimmer". Für die Verpflegung mit Essen und eisgekühlten Getränken sorgen die Kostbar, Martin Stieber sowie Spitz+Wegerich.
Das komplette Programm gibt es im Internet unter www.facebook.com/ MetropolinkFestival. (pne)
Auch Manuel Kösters aus der Nähe von Münster ist angetan vom Festivaldorf. "In Münster ist die Situation ähnlich", erklärt er. "Auch dort wurden die Flächen, wo zuvor Besatzungskräfte stationiert waren, vom Bund aufgekauft und standen lange leer." Anders als in Heidelberg fehle es aber an kreativen Konzepten zur weiteren Nutzung. "Ich denke, dass das, was ,Metropolink’ hier macht, eine große Chance für Heidelberg ist", sagt Kösters. Über die Kunst könne man ganz verschiedene Menschen zusammenbringen - und so für das Thema Stadtentwicklung begeistern.
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Kunst und Stadtentwicklung verbinden - dass das geht, zeigt das Festivaldorf schon zum Auftakt. Michael Braum, Direktor der Internationalen Bauausstellung (IBA) und Projektpartner des Festivaldorfes, diskutiert im Erdgeschoss einer Offiziersvilla mit Bürgern über Entwicklungsmöglichkeiten für die Konversionsfläche. Ein paar Meter weiter laden die Breidenbach-Studios zur Verschnaufpause auf gemütlichen Uralt-Sesseln ein. Die Heidelberger "Kostbar" kredenzt frische Pulled-Pork-Burger zu sanften Techno-Klängen, während am Ende des Dorfes der Singer-Songwriter Dominik Baer im Hauseingang sitzt und feinsten Indie-Pop präsentiert. Nur einer von vielen Hinguckern auf der Straße: die Garage, die das Berliner "Tape Art Collective" mit rot-weißem Klebeband in einen dreidimensionalen Raum verwandelt hat.
Michael Brown erkennt seine Straße kaum mehr wieder. Gemeinsam mit den Eltern wohnte der Amerikaner einst ein Jahr lang auf dem "San Jacinto Drive" Nummer 14. "Für mich ist es das erste Mal seit zehn Jahren, dass ich wieder hier bin", erzählt Brown. "Das war eine schöne, intensive Zeit damals", erinnert er sich. Die Idee des Festivaldorfes hält Brown für besonders gelungen: "Ich mag es sehr, dass hier ein ,Nachleben’ stattfindet - und die Menschen sich den Ort zurückerobern."