Bürgerenergie Neckar-Odenwald

"Viele wollen nicht tatenlos zusehen"

Die Genossenschaft engagiert sich seit fünf Jahren vielfältig und regional für Klimaschutz - RNZ-Gespräch

08.11.2017 UPDATE: 18.11.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden

Auf erneuerbare Energien (hier symbolisch in Form von Windkraft dargestellt) setzt "Bürgerenergie Neckar-Odenwald". Vor dem Hintergrund der bis gestern in Bonn laufenden Weltklimaschutzkonferenz hat die RNZ das Gespräch mit Verantwortlichen der seit fünf Jahren regional aktiven Genossenschaft gesucht. Und klare Antworten bekommen... Foto: dpa

Von Heiko Schattauer

Neckar-Odenwald-Kreis. Das Klima bewegt - zumindest aktuell. 25.000 ( !) Teilnehmer haben die Klimaschutzkonferenz in Bonn zu einer allein aufgrund der Beteiligten mächtigen Veranstaltung gemacht. Dass die Wirkung von derlei Konferenzen meist nicht ganz so mächtig ist, musste man in den vergangenen Jahren immer wieder ernüchtert zur Kenntnis nehmen. Wenn die Klimaschutzmaßnahmen global nicht greifen, ist dann der Weg der kleinen Schritte der bessere? Wir haben vor dem aktuellen Hintergrund das Gespräch mit der Bürgerenergie Neckar-Odenwald gesucht, besser: mit den Genossenschaftsverantwortlichen Rainer Wilczek, Erwin Brauß und Florian Dold.

In ein, zwei knappen Sätzen: Mit welchen Erwartungen haben sie die Klimaschutzkonferenz in Bonn verfolgt?

Wilczek: Deutschland soll als Ersatzgastgeber für Fidschi seine Vorreiterfunktion zurückgewinnen durch mehr Klimaschutz! Eine europäische und globale Entwicklung wie auch zügige Umsetzung für wirksame Steuern auf CO2 für alle: Bürger und Wirtschaft, unbürokratisch, einfach, ohne Ausnahmeregelung und Rechenmanipulation der Lobbygruppen. Abschaffung der "Paradise Papers" im Emissionshandel.

Von der großen, weiten in die kleine, regionale Welt: Was leitet Sie bei der Bürgerenergie Neckar-Odenwald?

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Wilczek: Ganz einfach: Wir müssen was tun! Selbst in Deutschland hinken wir den Pariser Klimaschutzzielen immer mehr hinterher. Die CO2-Werte sind auf dem Niveau von 2008. Trotz Zuwachs bei regenerativen Energien in den letzten zehn Jahren macht die Politik offensichtlich zu wenig. Das EEG und die Verfahren haben die Entwicklungen ausgebremst.

Brauß: Aktuell besteht keine Aussicht auf ein weiteres, neues Windrad im gesamten Süden. Es gibt zu wenig neue wirtschaftlich darstellbare Photovoltaik-Flächen. Ein weiteres Problem ist bei uns der hohe CO2-Ausstoß durch die Kohleverstromung und Verkehr.

Das klingt eher frustrierend. Wieso engagieren Sie sich trotzdem?

Dold: Schlechte Nachrichten können wir schnell verdrängen im Glauben, dass sie uns nicht persönlich betreffen. Dabei wissen wir, dass auf uns durch den Klimawandel immer mehr Probleme zukommen werden.

Wilczek: Die Frequenzen von unberechenbaren Hochwässern im Frühjahr/Sommer wie auch von Stürmen im Herbst erhöhen sich, die Prämien der Versicherer steigen. Diese Nachrichten geraten schnell in Vergessenheit, solange der eigene Keller trocken, das Dach auf dem Haus bleibt. Wir wissen trotzdem, dass wir etwas machen müssten.

Brauß: Die Politik verliert sich in dieser Frage zu oft zwischen den verschiedenen Lobby-Interessen. Viele Bürger wollen nicht tatenlos zusehen. Alleine ist das aber eher schwierig. Leichter und besser lässt sich in Gemeinschaft was bewegen. Vor fünf Jahren haben wir daher für unsere Region die Bürgerenergiegenossenschaft gegründet.

Und was haben Sie damit erreicht?

Brauß: Wir haben mit 55 Mitgliedern angefangen. Jetzt sind wir bei über 170, wollen weiter wachsen. Je Mitglied reicht die Zeichnung eines Anteils über 250 Euro. Anfangs wurden im im Schnitt drei Anteile, also 750 Euro gezeichnet. Heute sind es elf, also 2750 Euro.

Wilczek: Alleine könnte man mit solchen Beträgen im Bereich der regenerativen Energien nicht viel bewegen.

Welche Projekte hat man realisiert?

Dold: Die BEG hat diese vielen kleinen Anteile zusammengelegt und in Projekte zur regenerativen Energieerzeugung investiert. Wir haben in den letzten fünf Jahren in elf neue Projekte investiert, vier kleinere eigene, vier größere PV-Projekte in Kooperation sowie drei finanzielle Beteiligungen bei anderen Bürgerenergieprojekten. Inzwischen können wir auch unseren "Bürgerstrom Neckar-Odenwald" vermarkten.

Wilczek: Zusammengenommen haben wir zwischenzeitig anteilig 2,3 Mio. Euro investiert. Im Ergebnis wurden 2016 damit je Mitglied über 5000 kWh Strom jährlich erzeugt, 2013 waren es noch 1000 kWh. Dieser Wert wird sich weiter verbessern. Und man kann nach wie vor mit uns bei der Energiewende mitmachen.

Brauß: Eine Mitgliedschaft bei uns hat nicht nur einen ideellen Wert. Wir zahlen seit 2014 eine Dividende von 2,1 Prozent auf die Anteile aus.

Sie sprachen den Bürgerstrom Neckar-Odenwald an. Was soll der Bürger in der Region damit anfangen. Ist der Markt hier nicht viel zu klein?

Dold: Nach der Gründung war es ein mutiger Schritt, als "Kleinerzeuger" auf dem regionalen Markt an die Endverbraucher verkaufen zu wollen. Die Bürgerwerke übernehmen als Partnerge-nossenschaft für über 70 Bürgerenergieorganisationen deutschlandweit den Vertrieb. Das geschieht so, dass der Strom möglichst regional dort, wo er erzeugt wird, auch an die Endverbraucher geliefert wird. Dieser regionale Ansatz wurde auf dem Strommarkt bisher noch nicht konsequent verwirklicht.

Wilczek: Die Endverbraucher unseres Stroms sagen mit ihrer Rechnung klar "Nein!" zum deutschen Mix aus zu hoher Kohleverstromung und Atomreaktoren. Da sehen wir aber noch viel Luft nach oben, viel mehr Möglichkeiten.

Aus dem Kleinen noch einmal zurück zum großen Ganzen: Nicht ganz unbedeutende Staatsoberhäupter dementieren ja den Klimawandel und dessen Auswirkungen. Wie reagiert man als thematisch affiner "Energie-Bürger" auf derlei Sicht- und Denkweisen?

Wilczek: Die Verdrängung von Entwicklungen und nicht umsetzbare Versprechungen haben nur kurzfristig Bestand. Das wissen auch viele Bürger und Gouverneure in den USA, die sich überzeugt weiter für den Klimaschutz einsetzen. China und Indien mit mehr als einem Drittel der Weltbevölkerung sind im Jahr 2017 in eine neue und bisher nicht bekannte Vorreiterrolle gegangen. Global setzt sich die Einsicht für mehr Tempo beim Klimaschutz deutlich durch.

Info: www.buergerenergie-neckar-odenwald.de

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