Proteste gegen Castor-Schiff

Mit Fahrradschlössern gegen Atommüll (plus Fotogalerie)

Umweltschützer protestieren gegen die scharf bewachten Transporte auf dem Neckar zwar mit verschiedensten Mitteln.

11.10.2017 UPDATE: 11.10.2017 17:17 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Demonstranten beobachten das Spezialschiff mit Castor-Behältern in Lauffen am Neckar. Es ist der dritte von insgesamt fünf geplanten Castor-Transporten des Energieversorgers EnBW von Obrigheim in das Zwischenlager nach Neckarwestheim. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Von Stephen Wolf und Wolfgang Jung 

Gundelsheim. Einfache, massive Fahrradschlösser. Damit hat der Polizeischutz des umstrittenen Atommüll-Transports auf dem Neckar nun wirklich nicht gerechnet. Schnell ketten sich fünf Aktivisten mit den Metallbändern an einer Brücke bei Gundelsheim nahe Heilbronn an. Verärgert schüttelt ein Polizist den Kopf - der Bolzenschneider der Staatsmacht ist zu klein, um die Schlösser zu knacken. Funkgeräte rauschen, der Verkehr auf der Brücke wird gestoppt. Währenddessen kommt das Spezialschiff mit ausgedienten Brennelementen näher.

"Von mir aus können die Leute bis morgen hier sitzen", sagt einer der Polizisten und zeigt auf die jungen Frauen und Männer am Brückengeländer über der Gundelsheimer Schleuse. Die Aktivisten feixen. Dass sie die zahlenmäßig überlegenen Polizisten zumindest einen kurzen Augenblick überrumpeln konnten, werten sie als Erfolg.

Die Beamten entscheiden sich schließlich für Plan B, als auch gutes Zureden nichts hilft und die angeketteten Umweltschützer weiter ihre Fahnen mit der roten Anti-Atom-Sonne schwenken. Das Atomschiff passiert die Schleuse, obwohl die AKW-Gegner über ihm sitzen. Leise ist das Knattern des Polizeihubschraubers am Himmel zu hören. Insgesamt wirkt die Atmosphäre entspannt. Von Protesten bei früheren Castor-Transporten auf der Straße oder auf der Schiene ist der Zuschauer völlig andere, gewaltsamere Szenen gewöhnt.

Auch wenn es keine Verzögerung des Transports von Obrigheim nach Neckarwestheim gibt, verbuchen die Aktivisten den Protest als Erfolg. "Durch die Aktion wird klar, wie ernst es uns damit ist", sagt Jochen Stay von der Organisation "ausgestrahlt". Die Polizei gibt sich gelassen und spricht von einem "unspektakulären und friedlichen" Protest. Vier Aktivisten der Umweltschutzorganisation Robin Wood, die das Schiff mit einer Schwimmaktion blockieren wollten, erwartet wohl ein Bußgeld. "Letztendlich wollen wir den Transport ja nicht gefährden", sagt Herberth Würth vom Bündnis "Neckar castorfrei".

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Der 107,05 Meter lange Schubverband mit der heiklen Fracht hatte am Mittwochmorgen am stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim abgelegt - mit Kurs Richtung Neckarwestheim. Im dortigen Zwischenlager will der Energieversorger EnBW insgesamt 342 ausgediente Brennelemente aus Obrigheim unterbringen. Das Argument des Unternehmens: Besser eine Lagerung in Neckarwestheim, wo noch Platz sei, als der Bau eines weiteren Zwischenlagers in Obrigheim. Von den Behörden in Stuttgart und Berlin ist das abgesegnet. Kritiker sind aber skeptisch. Sie sehen die Beförderung von Atommüll auf dem Fluss als höchst riskant.

Bereits zweimal transportierte EnBW in diesem Jahr ausgediente Brennelemente in Castor-Behältern auf dem Neckar. Demonstrationen blieben zahlenmäßig überschaubar - auch an diesem grauen Oktobertag. Dass sich Massenproteste wie früher zwischen der Aufbereitungsanlage im französischen La Hague bis ins Zwischenlager nach Gorleben wiederholen, gilt bei Experten als unwahrscheinlich.

Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar meint, dass der 2011 beschlossene Atomausstieg der Bundesregierung den Gegnern den Wind aus den Segeln genommen und zu einer Demobilisierung geführt hat. Zwar existierten weiterhin objektive Gründe für die Protesthaltung - insbesondere eine fehlende Lösung bei der Endlagersuche. Aber Proteste gegen Castor-Transporte schienen momentan "ziemlich out".

Auch dem Mannheimer Politologen Rüdiger Schmitt-Beck zufolge gibt es zwar viele technische Detailfragen zum Transport und der Lagerung von hoch radioaktivem Atommüll. Diese Probleme würden sich aber kaum für eine "Massenmobilisierung" von Demonstranten eignen. Zudem würden vermutlich viele Menschen denken, dass ausgediente Brennelemente nicht ewig in Kraftwerksanlagen herum liegen könnten. Am Ende, meint Schmitt-Beck, müsse der Atommüll eben irgendwie entsorgt werden.

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