Mannheim gibt das Ziel Kulturhauptstadt auf
Oberbürgermeister Peter Kurz nannte finanzielle Gründe - Stattdessen soll mit Heidelberg gemeinsame Sache gemacht werden

Gemeinderat Mannheim. Foto: Alfred Gerold
Von Alexander Albrecht und Sebastian Riemer
Mannheim/Heidelberg. Als der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz gestern seine Haushaltsrede hielt, ging es auch um Projekte, die in die Region hineinstrahlen.
> Europäische Kulturhauptstadt: Mannheim wollte sich für das Jahr 2025 bewerben - zuletzt aber war es merklich still um das Projekt geworden. Jetzt ist es gestorben. Popakademie, Enjoy Jazz, Unesco City of Music, Reiss-Engelhorn-Museen oder Kunsthallenneubau: Vor dem Hintergrund kultureller Errungenschaften sei es "nur logisch", eine Bewerbung abzugeben, sagte Kurz. Hinzu kommt, dass die Stadt bereits einen Millionenbetrag für die Vorbereitung ausgegeben hat. Das liebe Geld war nun aber auch das Hauptmotiv dafür, die Notbremse zu ziehen.
Die Bundesgartenschau 2023 stelle bereits "eine erhebliche Anstrengung" dar, so Kurz. Zudem setze eine Bewerbung Geschlossenheit und Begeisterung in Politik und Gesellschaft voraus. Daran hat Kurz Zweifel. Deshalb sei ein 60-Millionen-Euro-Programm - selbst bei einem Zwei-Drittel-Zuschuss - nur schwer zu vermitteln, zumal weitere kostspielige Herausforderungen wie etwa die Sanierung des Nationaltheaters auf die Stadt zukämen.
> Internationale Bauausstellung Heidelberg (IBA): Statt als Kulturhauptstadt will Mannheim auf andere Art und Weise "sichtbar" werden. Zum einen ist da die Buga, zum anderen die IBA. Nach dem Wunsch von Kurz will sich Mannheim an die Ausstellung "andocken". Er hat vor allem die Präsentation ehemaliger Flächen der US-Armee im Sinn. Die IBA läuft in Heidelberg seit 2012 unter dem Motto "Wissen schafft Stadt". Sie begreift sich als Labor, in dem bis 2022 die Vision einer Wissensstadt der Zukunft entwickelt werden soll - mit konkreten Bauprojekten in ganz Heidelberg, auch auf den Konversionsflächen. Die Zusage aus Mannheim ist eine gute Nachricht, denn bislang interessierte sich außerhalb Heidelbergs kaum jemand für das ambitionierte Projekt. Auch das Land hat bislang keine Förderzusagen gemacht, welche die IBA so dringend braucht.
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> Nationaltheater: Die Nachricht schlug im Juli wie eine Bombe ein: Rund 185 Millionen Euro soll die Generalsanierung des Hauses kosten, mindestens. Seither werden immer wieder Stimmen laut mit der Forderung, stattdessen einen Neubau zu errichten. Dem erteilte Kurz eine klare Absage. Im Gegensatz zum Mitzlaff-Bau der Kunsthalle sei die zweitgrößte Bühne des Landes in ihrer baulichen Grundkonzeption "nach wie vor funktional und überzeugend". Ein Neubau würde wesentlich teurer. Kurz nahm jedoch das Land in die Pflicht. Die Sanierung habe eine Dimension, die von Mannheim nicht alleine geschultert werden könne.
> Uniklinikum: Mächtig ins Geld geht auch die Sanierung und Umstrukturierung des Krankenhauses. Nach Abzug von Fördermitteln bleibt, so Kurz, ein Finanzierungsbedarf von rund 200 Millionen Euro. Der OB kündigte an, dass die Stadt der Klinik im nächsten Jahr mit mindestens zehn Millionen Euro aushelfen muss. Kurz verlangte von der "großen Politik" eine bessere Ausstattung der Krankenhäuser.
> Ankunftszentrum für Flüchtlinge: Noch befindet sich das zentrale Drehkreuz des Landes auf dem Gelände des Patrick Henry Village (PHV) in Heidelberg. Die Stadt hat aber die Zusage aus Stuttgart, dass das Areal geräumt wird, um es für "zivile Zwecke" weiterzuentwickeln. Die Frage ist nur: Wann? Die aktuelle Vereinbarung zur Nutzung durch das Land gilt bis 30. April 2018 vereinbart. Und Heidelberg pocht darauf, dass das Gelände bald frei wird - denn die IBA hat für PHV eine Entwicklungsvision erarbeitet, die nun konkretisiert und umgesetzt werden soll.
Als Nachfolgestandort favorisiert Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Coleman Barracks in Mannheim. Doch derzeit nutzen noch die US-Streitkräfte das Gelände - Abzug ungewiss. Für viele Bürger und Kommunalpolitiker kommt es einer Horrorvorstellung gleich, dass kriegstraumatisierte Flüchtlinge in den ersten Wochen nach ihrer Einreise neben Panzern leben. Finanziell und sozialpolitisch hat ein Ankunftszentrum für die Stadt aber durchaus Charme.
Erstens muss die Kommune mehr als 10.000 Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien integrieren - ein Kraftakt. Zweitens darf Mannheim darauf hoffen, dank des Zentrums keine Flüchtlinge längerfristig unterbringen zu müssen. Im anderen Fall müsste die Stadt dezentral Gemeinschaftsunterkünfte mit insgesamt mindestens 2000 Plätzen schaffen, so hat es die Verwaltung errechnet. Schon jetzt werde Mannheim durch die Integration von Zuwanderern und die Betreuung von Flüchtlingen überdurchschnittlich gefordert. Kurz’ Appell an die Stadträte: "Lassen Sie uns prüfen, ob und unter welchen Bedingungen ein Ankunftszentrum in Mannheim realisiert werden kann und soll."