Pilzbefall, Biber und Insekten

Sinsheim muss "viele Hundert Bäume" fällen

Baumfällungen in nie gesehenem Ausmaß - Ein Sicherheitsrisiko laut Rathaus - Elsenzaue verändert sich

27.09.2017 UPDATE: 28.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden

Bäume in werden im Stadtgebiet gefällt, etwa auf der "alla Hopp"-Anlage ... Fotos: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Baumfällungen in nie gesehenem Ausmaß kommen auf Sinsheim zu: Es gehe um "viele hundert Bäume im ganzen Stadtgebiet", ließ Infrastrukturamts-Leiter Bernd Kippenhan jetzt im Gemeinderat eine Bombe platzen. Betroffen sind etliche der Pappeln am gesamten Elsenzlauf auf Sinsheimer Gemarkung, Baumreihen im Stadtgebiet entlang von Verkehrswegen. Etliche stadtbildprägende Bäume müssten verschwinden, darunter auch der alte Bergahorn in der "alla Hopp"-Anlage.

Letzterer habe die Umgestaltung des Postgartens zur Bewegungs- und Begegnungsanlage nicht verkraftet, Schaden genommen und sei nicht mehr zu retten, sagt Kippenhan. Man arbeite "eng zusammen" eigenen Baumgutachtern im Infrastrukturamt und der Naturschutzbehörde im Landratsamt. Eine Rotbuche auf der Anlage, ebenfalls stark beschädigt, wolle man retten. Eine weiße Schutzschicht habe man aufgetragen, Äste gestutzt. "Ein Schwachsinn" nannte Dührens Ortsvorsteher Alexander Speer das: Anstelle teurer Rettungsversuche, plädiert er für "Fällen, neu pflanzen und sich in hundert Jahren freuen." Baumschützern, deren Protest als sicher gelte, rät Speer dazu, "für jeden gefällten Baum, über den man mault, einen zu pflanzen."

Vereinzelt neu pflanzen wolle auch die Stadtverwaltung, sagt Kippenhan. Doch zunächst ging es ums Gegenteil. Eine genaue Anzahl der Fällungen wurde nicht genannt, jedoch war die Rede "von 200 und mehr" allein am Elsenzstück zwischen Rohrbach und Steinsfurt, von großen Teilen so genannter Hybridpappeln im Bereich der stillgelegten Nuding-Mühle in Rohrbach, von großen Mengen des Uferbewuchses der Elsenzaue zwischen Sinsheim, Hoffenheim und Zuzenhausen, von Bäumen bei der Erddeponie Franzosenbrunnen und in Richtung der Dührener Kelterwiesen. "Außerdem betrifft es zahlreiche kleinere Bäume, die wir nicht nennen", bereitete Bernd Kippenhan Naturfreunde auf in deren Augen Schlimmes vor. Hätte man nicht "dringende Gründe", erläutert er, würde man derart drastische Maßnahmen nicht vornehmen. In manchen der "Szenarien" handele es sich um "tickende Zeitbomben."

So etwa bei großen Reihen von Zierkirschen in der Steinsbergstraße. Die rosa blühenden Frühjahrsboten seien "direkt über einer Hauptwasserleitung gepflanzt worden". Denjenigen, der dies zu verantworten hat, nannte SPD-Stadtrat Jürgen Schön "einen Hirsch", gehöre es doch zum kleinen Einmaleins kommunaler Baumpflanzung, genau jene nicht über Rohren vorzunehmen, um nicht Schäden zu provozieren. Von Beruf Geologe, wisse Jürgen Schön, wovon er spreche. Doch die Spur des "Hirschs" - sie verliert sich im Rathaus der späten Gmelin- oder frühen Sieber-Ära. Die Zierkirschen wären "30, vielleicht sogar 40 Jahre alt", sagte Oberbürgermeister Jörg Albrecht auf RNZ-Nachfrage: "Wir können’s definitiv nicht rausfinden".

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Gut nachverfolgbar aber sei die Spur des Bibers. Das Lieblingskind vieler Naturschützer frisst sich die Elsenzaue hinauf und werde deren Gesicht "völlig verändern", glaubt Bernd Kippenhan. In 20 Jahren werde die Kulturlandschaft am Fluss voraussichtlich "nicht mehr die sein, die sie mal war". Etliche erhabene Eschen und Uferpappeln hat der Rindennager angefressen und umgekippt. Sie würden zur Gefahr für Leib und Leben von Rad-, Auto- und Traktorfahrern auf dem Feld. Hoffenheims Ortsvorsteher Karlheinz Heß habe die Fraßschäden gesehen. Selbst Landwirt, schätzt er "dass Du keinen Überrollkäfig mehr brauchst, wenn Du so etwas aufs Dach kriegst". Wer in solchen Fällen hafte? "Wir", sagte OB Albrecht, "so, wie wir hier sitzen."

Auch eine mächtige Esche zwischen Burgplatz und kleiner Kirchgasse müsse umgemacht werden. Schadensbilder wurden dem Gremium gezeigt von hohlen Stümpfen und lichten Kronen. Oft machten die Baumgutachter Eschentriebssterben als deren Ursache aus, oder Pilzerkrankungen die einen Baum von innen schleichend zersetzten.

Folgen des Klimawandels? Manche der Weichhölzer, ließ Kippenhan durchblicken, hätten auch schlicht ihre Altersgrenze erreicht, seien dadurch empfindlicher für Einträge von außen. Einzelne Fällungen wolle man als Totholz zurücklassen, was "ökologisch wertvoll" sei.

Der Gemeinderat musste den Vorschlag tatenlos zur Kenntnis nehmen. Die Maßnahme fällt ins Hoheitsgebiet der Verwaltung, ohne Abstimmung. Grünen-Rat Alexander Riederer wollte trotzdem wissen, "ob Einköpfen von Pappeln nicht ausgereicht hätte?" Nein, sagt Bernd Kippenhan: Zum einen sei dann ein Folgegutachten erforderlich, mit offenem - und teurem - Ausgang. Zum anderen gebe das "der Habitus einer Pappel nicht her", will heißen: Man erhalte dann unschöne, alte und vermutlich immer noch kranke Stümpfe, so der Amtsleiter.

Ohnehin gehen die Meinungen über Sinn und Unsinn der Baumfällungen weit auseinander. Aktiv-für-Sinsheim-Rat Alexander Hertel, von jeher Befürworter eines freien Blicks aufs Sinsheimer Wahrzeichen, fragte halbernst: "Warum nur sind die Bäume am Steinsberg nicht krank?"

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