Die Heidelberger Campus-Bahn kommt erst mal nicht
Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim: Punktsieg für die Kläger - Beginnt das ganze Verfahren von vorn?

Wird das Neuenheimer Feld jemals eine Straßenbahn bekommen? Momentan sieht es nicht danach aus. Foto: Kay Sommer
Von Holger Buchwald
Die Befürworter einer Straßenbahn ins Neuenheimer Feld haben gestern beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einen Rückschlag hinnehmen müssen. Der Vorsitzende Richter Karsten Harms möchte zwar erst heute um 17 Uhr eine Entscheidung verkünden, aber nach der gestrigen Sitzung ist klar: Die Campus-Bahn wird es so, wie sie vom Regierungspräsidium Karlsruhe genehmigt wurde, nicht geben. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder der Planfeststellungsbeschluss wird komplett aufgehoben, oder das Regierungspräsidium darf die Planunterlagen noch einmal nachbessern. Sowohl die Universität als auch die Max-Planck-Gesellschaft haben damit erfolgreich gegen den Beschluss geklagt. Eine schnelle Lösung ist damit in weite Ferne gerückt.
Die Straßenbahngegner und -befürworter sind miteinander alt geworden. Rolf Stroux, der ehemalige Leiter des Universitätsbauamtes, ist inzwischen Pensionär: "Der Streit hat mich einen großen Teil meines Berufslebens begleitet." Doch er hat offenbar immer noch nicht genug. Er ließ es sich nicht nehmen, als Privatmann die Verwaltungsgerichtshofssitzung zu verfolgen. Mit ihm im Publikum saßen zahlreiche Vertreter von Stadt, RNV, Universität und Max-Planck-Gesellschaft, aber auch Irmtraud Spinnler (SPD) und Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke). Diese Stadträte beschäftigen sich schon seit über 20 Jahren mit dem Thema. Und sie alle erlebten, wie der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshof mit dem Regierungspräsidium hart ins Gericht ging.
Hintergrund
Ist die Uni der "Sündenbock"?
Verwirrung um Aktennotiz
hob. Es ist ein Moment, in dem die Zuschauer im Sitzungssaal des Verwaltungsgerichtshofes die Luft anhalten. Der Vorsitzende Richter Karsten Harms liest den Aktenvermerk eines Mitarbeiters
Ist die Uni der "Sündenbock"?
Verwirrung um Aktennotiz
hob. Es ist ein Moment, in dem die Zuschauer im Sitzungssaal des Verwaltungsgerichtshofes die Luft anhalten. Der Vorsitzende Richter Karsten Harms liest den Aktenvermerk eines Mitarbeiters des Regierungspräsidiums (RP) vor. Darin heißt es, Verkehrsmanager Alexander Thewalt sehe überhaupt keinen Sinn mehr in einem Planänderungsverfahren zur Tram ins Neuenheimer Feld. Vielmehr lasse sich die Stadt nur noch "pro forma" auf neue Verhandlungen ein, um das Scheitern des Projekts der Uni in die Schuhe zu schieben. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Stadt einen Sündenbock sucht.
Astrid Kappel, Anwältin der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH nimmt Thewalt sofort in Schutz. Die Äußerung sei in einem ganz anderen Zusammenhang gefallen - und zwar als es in Verhandlungen mit der Max-Planck-Gesellschaft und der Uni mal wieder um die immer gleichen Fragen ging: um den Erschütterungsschutz, elektromagnetische Felder und vieles mehr. Thewalt habe sein Unverständnis, aber zu keinem Zeitpunkt den Wunsch geäußert, das Projekt zu beerdigen. Thewalt selbst äußert sich in einer Verhandlungspause knapp: Natürlich wolle er nach wie vor die Bahn. Und natürlich habe er keinen Sündenbock gesucht. Warum der RP-Mitarbeiter seine Worte so verstanden habe, könne er sich nicht erklären.
Konkret begründet die Universität ihre Klage damit, dass der "historisch gewachsene, effiziente und hochtechnologisierte Campus" im Neuenheimer Feld in seiner zukünftigen Entwicklung nicht gefährdet werden darf. Unter anderem befürchten die Forscher, dass ihre hochempfindlichen Geräte durch die Erschütterungen und elektromagnetischen Felder der Straßenbahn beeinträchtigt werden. Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht wehrt sich dagegen, dass es für die Straßenbahn ein Teil ihres Grundstücks abgeben müsste. Doch um diese Interessen ging es gestern nur am Rande. Vielmehr unterstellten die Richter dem Regierungspräsidium mehrmals formale Fehler. Die Genehmigungsbehörde sei über die Argumente der wissenschaftlichen Einrichtungen einfach so hinweggegangen.
Berichterstatter Conrad Pfaundler kritisierte, dass das Regierungspräsidium nur die Trasse durch die Straße "Im Neuenheimer Feld", nicht aber über den Klausenpfad und die Kopfklinik geprüft hatte. "Ich habe Ihre fachplanerische Abwägung vermisst", sagte auch Richter Harms. Und folgte dem Argument von Uni-Anwalt Andreas Geiger: "Das Regierungspräsidium ist auf unsere Berechnungen, welche Erschütterungen für uns gerade noch vertretbar wären, gar nicht eingegangen." Mit einer Trasse über den Klausenpfad, so war immer wieder zu hören, könnte die Bahn längst fahren.
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RP-Abteilungsleiter Peter Zeisberger verteidigte den Planfeststellungsbeschluss: "Wir haben uns auf über 500 Seiten mit den Argumenten intensiv auseinandergesetzt." Der Klausenpfad sei als Strecke viel schlechter geeignet als die Straße "Im Neuenheimer Feld". Zeisberger: "Diese Trasse drängt sich geradezu auf. Es geht um die Bündelung des Verkehrs, die Taktfrequenz, die bestehenden Straßenbahnanschlüsse, den Fahrkomfort, die Geschwindigkeit." Die Argumente der Uni seien nichts als ein "Riesengetöse", um die Campus-Bahn zu verhindern. Doch die Richter des Verwaltungsgerichtshofs blieben dabei: Das Regierungspräsidium hätte diese Vorteile der Variante klar belegen müssen. Die Pläne müssten nachvollziehbar und plausibel sein, so Harms. Berichterstatter Pfaundler äußerte sich noch drastischer. Er bezeichnete den Planfeststellungsbeschluss als ein "Elaborat" von Behauptungen, auf denen er keine Entscheidung treffen könne.
Mehr als sieben Stunden dauerte die Verhandlung. Zeisberger behauptete dabei, dass die Uni-Interessen durch die Bahn gar nicht berührt werden. Schließlich habe die Ruperto Carola ja gar keine eigenen Grundstücke, und die Bahn fahre ja nur im Bereich Geowissenschaften und Physikalisch-Chemisches Institut an universitären Einrichtungen vorbei. Das Uniklinikum, das die größte Fläche nutze, klage nicht, so Zeisberger. Die Universität werde an einer Straßenbahn nicht untergehen. Zumal die derzeitigen Großbaustellen im Feld viel größere Erschütterungen verursachten.
Die Uni hingegen beruft sich auf den Bebauungsplan "Neues Universitätsgebiet" von 1960. Anders als das Regierungspräsidium sehen die Richter diesen als wirksam an. In der Begründung dazu heißt es, das Neuenheimer Feld sei eine Bauvorhaltsfläche für die Universität. Dort seien sämtliche Bauten zulässig, die für einen wissenschaftlichen Betrieb nötig sind, also auch Wohnheime, eine Mensa oder Sportanlagen. Entscheidend, so Richter Harms, sei aber der Zusatz: "Das Gebiet bleibt in sich geschlossen und von Verkehr freigehalten." Die Erschließung erfolge über Privatstraßen. Das sieht auch Anwalt Geiger so: "Der Rektor kann dort jede Nutzung untersagen." Die Erschütterungen, die elektromagnetischen Felder und Eingriffe in den Botanischen Garten schränkten die grundrechtlich verankerte Wissenschaftsfreiheit ein.
"Nicht heilbar" seien die Mängel des Planfeststellungsbeschlusses, weshalb dieser aufzuheben sei, forderten die Anwälte von Uni und Max-Planck-Gesellschaft am Ende der Verhandlung. Zeisberger hofft hingegen, dass der Beschluss nur für "rechtswidrig" erklärt wird. Dann dürften RNV und Regierungspräsidium die bestehenden Planunterlagen nachbessern. Das wäre in seinen Augen das geringere Übel. Denn ein komplett neues Planfeststellungsverfahren dauert sehr lange. Von der Einleitung des Verfahrens bis zur gestrigen Gerichtsverhandlung waren es fünfeinhalb Jahre. "Egal wie der Verwaltungsgerichtshof jetzt entscheidet, wir werden den Gemeinderat über das Ergebnis informieren", sagte Stadtsprecher Achim Fischer. Dann müssten die Stadträte entscheiden, wie es weitergeht.