Jagst soll wieder "ökologisches Juwel" werden
Land will 14 Millionen Euro für die Wiederbelebung ausgeben - Konsequenzen: Löschwasser-Rückhaltungen und Lager-Listen

Bis zu 285 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk waren im Sommer 2015 im Einsatz, um die Giftwelle in der Jagst zu verdünnen und damit auch den Neckar vor einem drohenden Fischsterben zu bewahren. Foto: Endres
Von Michael Endres
Schöntal/Heilbronn. Es kann noch Jahre dauern, bis sich die Jagst von der Umweltkatastrophe komplett erholt hat. Das einstige Vorzeigegewässer des Landes war im August vergangenen Jahres durch verseuchtes Löschwasser auf 118,5 Kilometer bis zur Mündung in den Neckar bei Bad Friedrichshall nahezu vollkommen tot - mehr als 20 Tonnen Fische waren verendet, Kleinlebewesen. Umweltschützer und Behörden hatten damals von der größten Flusskatastrophe seit Jahrzehnten gesprochen.
Bei dem Mühlenbrand in Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) war am 23. August 2015 ammoniumnitrathaltiges Düngemittel in die Jagst geflossen. Aus dem Ammonium entsteht das für Fische hochgiftige Ammoniak. Die Giftfahne schwamm zwei Wochen lang die Jagst hinunter Richtung Neckar. Hier war die Sorge um den Erhalt des Fischbestands ebenso groß.
Der Tod in der Jagst kam in tausendfacher Konzentration, wie die Fachleute feststellten. Normalerweise enthält ein Fließgewässer 0,1 Milligramm von Ammoniak - in der Jagst wurden Spitzenwerte bis zu 105 Milligramm gemessen. Bereits 0,5 Milligramm sind für Fische absolut tödlich. Die giftige Brühe hätte auch den Menschen schaden können. Deshalb wurde entlang des beliebten Freizeitgewässers ein absolutes Badeverbot verhängt.
Jetzt gab es eine Schadensbilanz der Umweltkatastrophe, die im Sommer eine ganze Region mobilisierte: "Mindestens 14 Millionen Euro" wird es kosten, die Jagst in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. "Das sind aber nur sehr vorsichtige Schätzungen", meinte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) jetzt bei der Vorstellung des Aktionsprogramms in Schöntal. In dieser Summe sind jedoch auch zusätzliche Maßnahmen wie Geländeerwerb und der Rückbau von Stauwehren enthalten, damit das einstige "ökologische Juwel" wieder völlig durchgängig ist. Ein komplett neuer Fischbestand muss wieder in die Jagst eingesetzt werden, denn die überlebenden Artgenossen zeigen eklatante Veränderungen, wie ein Mitarbeiter der Fischereiforschungsstelle Langenargen aufzeigte. Die wenigen Fische, die die Giftbrühe überlebt haben, sind krank: Sie haben massive Schädigungen an den Kiemen und sind durch einen Parasitenbefall geschwächt. Wie es bei Bachflohkrebs, Flussnapfschnecke & Co. genau aussieht, das wird jetzt ausführlich erforscht. Die Umweltkatastrophe an der Jagst hat gleichzeitig die Verwundbarkeit eines wertvollen und empfindlichen Ökosystems aufgezeigt - "so etwas darf sich nicht wiederholen", erklärte Umweltminister Untersteller ..
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Fachbehörden wie auch die Landesregierung haben aus dem Unglück Konsequenzen gezogen: An Gewässern müssen künftig ausreichende Löschwasser-Rückhaltungen vorhanden sein. Außerdem müssen im Land ab jetzt sämtliche Düngemittellager angezeigt werden. Das vorhandene Gefahrenpotenzial wird genau ermittelt.
Die Ökokatastrophe an der Jagst war einer der größten und längsten Einsätze im Land für Feuerwehr, THW und freiwilligen Helfer. Nur durch den massiven Einsatz von Pumpen, Belüftungsaggregaten und die Zufuhr von reinem Sauerstoff ist es den mehr als 285 Helfern gelungen, die Schadstoffkonzentration des Ammoniumnitrats in der Jagst deutlich zu senken. Das hat die Giftfahne bis zur Mündung in den Neckar bei Jagstfeld so weit verdünnt, dass sie jenseits des zulässigen Grenzwertes war und somit bei den Fischen, Krebsen und Muscheln im Neckar keinen Schaden anrichtete.
Wie jetzt Regierungspräsident Johannes Schmalzel (Stuttgart) erklärte, belaufen sich die Einsatzkosten für Feuerwehr, THW und Firmen auf 2,5 Millionen Euro. Bei dem Großeinsatz waren auch Hilfsorganisationen aus der Metropolregion im Einsatz.