Starke Symbole, Schweigen und ein erschütterter Bundespräsident
Gedenkminute für ermordeten Polizisten am Mannheimer Schloss und auf dem Marktplatz: Bundespräsident Steinmeier fällt seine kurze Rede vor der Presse schwer.

Von Alexander Albrecht und Olivia Kaiser
Mannheim. Als die Wagenkolonne mit Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier am Freitag eine Viertelstunde vor der Schweigeminute für den ermordeten Polizisten das Schloss passiert, haben bereits mehrere Hundert Kolleginnen und Kollegen des 29-jährigen Hauptkommissars aus sämtlichen Dienstellen des Mannheimer Präsidiums im Ehrenhof Aufstellung genommen.
Auch Feuerwehrleute und Mitglieder des Rettungsdiensts reihen sich ein – die Blaulichtfamilie hält zusammen. Einige Studierende und Bürger beobachten die Szenerie.

Um 11.34 Uhr – exakt zu der Zeit, als sich vor einer Woche der brutale Messerangriff auf dem Marktplatz ereignete – steht das Leben in Mannheim und dem Land für eine Minute still. Die Polizisten nehmen ihre Mützen ab.
Ein ergreifender Moment, und eine würdevolle Kulisse für die Trauer. Im Anschluss formieren 300 Beamte im Ehrenhof ein großes Herz mit einem "R" in der Mitte. "R" für den Vornamen des getöteten Polizisten. Weiße Luftballons steigen auf. Was für ein Bild!
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Wenn nicht ein Hund von seinem Recht auf Bellen Gebrauch machen würde, könnte man auf dem Marktplatz fast eine Stecknadel fallen hören. Der Platz ist jetzt genau das, was er in diesen Tagen sein soll: ein Ort zum Trauern und des Gedenkens. Immer wieder gehen Menschen zum Tatort, dem Marktplatzbrunnen, machen das beeindruckende Meer an Blumen, Kerzen, Briefen und Transparenten noch reicher und halten inne.
Um exakt 11.21 Uhr trifft die Steinmeier-Limousine ein. Vor dem Alten Rathaus mit der Pfarrkirche St. Sebastian kondoliert der Bundespräsident den Eltern und der Schwester des getöteten Polizisten.
Gemeinsam bestreiten sie zwischen zwei Absperrungen den schweren Gang zum Brunnen; Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landesinnenminister Thomas Strobl und Umweltministerin Steffi Lemke als Vertreterin der Bundesregierung schließen sich an. Tief bewegt legt Steinmeier ein Blumengebinde mit schwarz-rot-goldener Schleife ab und verharrt mit gefalteten Händen.
Niemand spricht ein Wort. Die Trauer ist sicht-, spür- und greifbar. Eine von ihren Gefühlen überwältigte Frau sagt später leise der RNZ: "Mein Sohn ist bei der Polizei. Es hätte auch ihn treffen können."

Um Punkt 11.34 Uhr schlägt die Rathausglocke genau ein Mal. Steinmeier verlässt schweigend den Platz. Passanten reichen den Polizisten an den Absperrungen die Hand, drücken ihr Mitgefühl aus. Beifall brandet für die Beamten auf. Noch sichtlich aufgewühlt vom Gespräch mit den Angehörigen gibt der Bundespräsident um 13 Uhr im Raum Kurpfalz des Polizeipräsidiums ein im besten Sinne staatstragendes Statement ab.
Zu Beginn steht ein Bekenntnis: "Die Worte fallen mir schwer, heute Mittag hier in Mannheim", sagt Steinmeier offen. Der Hauptkommissar habe alles gegeben, um andere Personen vor dem Attentäter zu schützen – und dabei sein Leben verloren.
Die Eltern, Schwester und Kollegen: "Ihr Schmerz, ihre Verzweiflung, ihre Trauer sind unendlich. Und ihr Leid bewegt mich tief. Ich weiß, dass es vielen Menschen genauso geht", erklärt der Präsident. Das Land werde den verstorbenen 29-Jährigen nicht vergessen.
Dann wendet sich Steinmeier Täter und Tätern zu. Der Afghane (25) habe "mit offenbar politischem, mutmaßlich islamistischen Hintergrund" einen blutigen Terrorakt verübt. Auch an anderen Orten der Republik sei es in den vergangenen Wochen und Monaten zu "abscheulichen Akten politisch motivierter Gewalt" gekommen. Angriffe auf Bürgermeister, Minister und Abgeordnete, zählt Steinmeier auf, und solche auf Menschen, die sich ehrenamtlich für unser Gemeinwesen engagierten. Die Demokraten im Land dürften sich nie daran gewöhnen. "Wir sagen – und sagen gerade heute und hier in Mannheim: Diese Gewalt muss aufhören!"

Wo dazu gegriffen werde, ende die Streitkultur. Der Exekutive ruft Steinmeier unmissverständlich zu: "Es ist die Aufgabe des demokratischen Staates, das Gewaltverbot in der politischen Debatte durchzusetzen." Aber es sei auch die Aufgabe "von uns allen", der Verrohung von Umgangsformen entgegenzutreten.
Steinmeier dankt den Bürgern, die im Alltag Zivilcourage bewiesen. Und im Mannheimer Fall ganz besonders einem Mann, der wie der Attentäter selbst Zuflucht in Deutschland gesucht hatte. Der sich bei dem Anschlag dem Angreifer entschlossen entgegengeworfen habe, um weitere Opfer zu verhindern. Dieser mutige Mann habe gesagt, dass er "noch tausendmal" so handeln würde. "Auch er ist ein Vorbild", so Steinmeier, "auch ihm gebührt Dank!"
Zum Schluss seiner Rede wirbt der Präsident für Solidarität: "Verteidigen wir das friedliche Miteinander in unserem Land! Treten wir Gewalt, Menschenfeindlichkeit und Extremismus entschlossen entgegen! Gemeinsam." Das ist die Lehre aus Mannheim. Der Auftrag. An uns. Alle.