Plus Gedenkfeier

Neckarbischofsheim trauert um einen wunderbaren Menschen (plus Fotogalerie)

Mehr als 800 Menschen: Eine überwältigende Anteilnahme gab es bei der Gedenkfeier in der Heimatstadt des in Mannheim getöteten Polizisten.

07.06.2024 UPDATE: 07.06.2024 19:50 Uhr 3 Minuten
Die Gedenkfeier fand im Schlosspark von Neckarbischofsheim statt. ​Foto: Berthold Jürriens

Von Berthold Jürriens

Neckarbischofsheim. (bju) Die Stille, die sich am Freitagabend über den Schlosspark in Neckarbischofsheim legte, schmerzte. Hier, wo sonst das Leben tobt, Vereinsfeste ausgelassen gefeiert werden und wo auch der in Mannheim getötete Polizist als gebürtiger Neckarbischofsheimer einen Teil seiner Kinder- und Jugendzeit erleben durfte, hier füllt jeder der über 800 Besucher die Stille mit stummen Schreien.

Verzweiflung, Trauer, Fassungslosigkeit, Sprachlosigkeit und auch Wut sprechen aus den vielen Gesichtern, die aus der ganzen Region gekommen sind. Darunter viele Uniformierte: Feuerwehr, DRK und Polizeikollegen.

Niemand sagt ein Wort. Die Trauer ist überwältigend und überwältigt viele Menschen, die sich auch mal in den Armen liegen, weinen oder stumm auf den Boden starren.

Bereits um 11.34 Uhr war es in Deutschland zum Gedenken still geworden. Eine Minute innehalten für den verstorbenen jungen Polizeibeamten, der nach einem Messerangriff in Mannheim sein Leben verlor. Die tödliche Messerattacke hat bundesweit Entsetzen ausgelöst, aber auch große Anteilnahme.

Die Heimatstadt des Beamten war seitdem in eine kollektive Schockstarre verfallen. "Es ist gut, dass es diese Gedenkveranstaltung gibt, dass wir gemeinsam trauern können und dass die Familie weiß, dass sie nicht alleine ist", sagt ein Bürger gegenüber der RNZ.

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Eingeladen hatte die Stadt in Person von Bürgermeister Thomas Seidelmann, der den Polizisten als engen Freund der Familie, "als sehr engen Freund eines meiner Kinder" kennen und schätzen gelernt hat. Seine Rede war ein flammender Appell für Mitgefühl und Gemeinschaft, für Solidarität und für das Engagement für demokratische Werte.

Immer wieder gibt es Zwischenbeifall. Gerade bei Seidelmanns Forderung an die Politik, dass sich etwas in der Wertschätzung für Polizei, DRK und Feuerwehr grundsätzlich ändern müsse. Und es war ein Gedenken an ihn als herausragenden Menschen und Polizisten.

Er sei nicht nur für Demokratie, Grundrechte und ein menschliches Miteinander eingetreten, sondern war gleichzeitig ein engagierter positiver Mensch, der Werte wie Mitgefühl, Verantwortung und Menschlichkeit verkörperte. "Für mich ganz persönlich war er der korrekteste und dabei freundlichste Mensch, der mir je begegnet ist", der "Inbegriff eines guten Menschen" und jemand, "der die Verantwortung für seine Mitbürger in seinem Herzen trug", sagt Seidelmann mit zitternder Stimme.

Der Neckarbischofsheimer habe sich für Integration und den Schutz der Grundrechte eingesetzt und sogar Arabisch gelernt, um besser mit Menschen kommunizieren zu können. "Seinen Eltern, seine Schwestern, sein Schwager" gelte es nun als Gemeinschaft zu helfen. "Wir müssen sie halten, wir müssen sie auffangen und stützen", wünschte sich der Bürgermeister in seiner Rede.

Es ist die einzige, die zu hören ist, auch wenn neben regionalen Politikergrößen wie Bürgermeisterkollegen, Landes- und Bundesabgeordnete noch Marion Gentges, Ministerin der Justiz und für Migration, sowie der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl erschienen sind. Politische Parolen oder Symbole waren von vorneherein als unerwünscht bezeichnet worden.

Kritik gibt es dennoch aus dem Mund von Seidelmann zu hören. Er verurteilt die sensationsgierige Berichterstattung einiger unseriöser Medien und die politischen Parteien wie die AfD, die den Tod für ihre Zwecke ausnutzen. "Rouven wollte immer integrieren, anstatt zu spalten." Die Grundrechte habe er immer verteidigt. "Er liebte die Meinungsfreiheit, diskutierte leidenschaftlich und mit klarem Standpunkt."

Die Veranstaltung von Pax Europa am vergangenen Freitag, die er sichern sollte, war in seinen Augen eine Provokation gegen Muslime, so hatte der Getötete es zuvor kommuniziert, "aber die Meinungsfreiheit war ihm wichtig."

Seidelmann fordert auch im Namen der Familie ein kollektives Engagement für tiefgreifende Veränderungen, mehr Schutz und Wertschätzung für Polizisten und Einsatzkräfte, um Rouvens Tod nicht sinnlos erscheinen zu lassen.

Dabei richtet sich der Bürgermeister leidenschaftlich namentlich an die anwesenden Politiker. Er möchte "kein `weiter so` und keine dumpfen Parolen, wie vielfach am Mittwoch im Bundestag zu hören." Die Betroffenheit ehre zwar die Politik, "sie verhöhnt jedoch Menschen wie Rouven, der sterben musste, weil unser Staat im Ungleichgewicht ist."

Grüße richtete Seidelmann von der Familie aus, die überwältigt von der Anteilnahme sei und "sich nichts mehr wünscht, als dass der Verlust ihres Sohnes etwas verändert." An diesen wandte sich Seidelmann in ganz persönlichen Worten unter Tränen und versprach, dass man nicht schweigen werde, "sondern sich konsequent und mit klarer Haltung und Mut für unsere christlichen Werte und die Demokratie einsetzen wird, uns dafür starkmachen, dass deine Wünsche für deine Kolleginnen und Kollegen in Erfüllung gehen."

Zum Abschluss gab es viel Beifall, auch auf Wunsch Seidelmanns. Er zeichnete die große Solidarität für die Familie als Video auf, die auch die zahlreichen Blumen, Kerzen und Zettel mit Gedanken der Besucher erhalten wird. Mitgefühl und Respekt auch in den Nachbargemeinden. So verschob die Sfz Big Band in Waibstadt ihre öffentliche Probe auf 19.30 Uhr und hielt eine Gedenkminute ab. Die Veranstaltung widmete sie allen Einsatzkräften.

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