Was sind die Gründe der Academics-Krise?
Die Neuzugänge sind noch keine Verstärkung. Zipser bereitet Sorgen, Trainer und Spielmacher harmonieren nicht.

Von Nikolas Beck
Heidelberg. Nein, so hatte man sich das bei den Bundesliga-Basketballern der MLP Academics nicht vorgestellt. Als eine "große Chance" bezeichnete Bennet Hundt nach dem ersten Saisonsieg in Tübingen die drei anstehenden Heimspiele. Hinterher muss man konstatieren: Chance vertan. Seit dem vermeintlichen Befreiungsschlag geht es steil bergab beim aktuellen Drittletzten der BBL. Eine Analyse.
Die Ergebnisse
Matthias Lautenschläger spricht vom "Schmetterlingseffekt". Übertragen auf die Academics sei der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien, der im Modell des Meteorologen Edward N. Lorenz einen Tornado in Texas verursachen kann, die Niederlage nach doppelter Verlängerung in Rostock. "Da waren wir über drei Viertel dominant", sagt der geschäftsführende Gesellschafter: "Wenn wir das ziehen, nimmt der Saisonbeginn einen anderen Lauf." Gut möglich. Aber auch Lautenschläger betont: "Die Entwicklung sollte natürlich nicht von Einzelereignissen abhängig sein." Und der jüngste Eindruck beim 54:87 gegen Würzburg war erschreckend.
Der Kader
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Die Academics haben trotz verhältnismäßig kleinen Budgets viele Profis, darunter mit Elias Lasisi, Vincent Kesteloot und Tim Coleman drei Imports, aus der Vorsaison übernommen. Bei den Neuen mussten sie dafür umso mehr ins Risiko gehen. Für Isaiah Whaley (zuletzt in Mexiko), Jeff Carroll (Finnland), Mike McGuirl (Dänemark) und Marcel Keßen (2. Liga) ist die Bundesliga Neuland. Allesamt haben nur in Ansätzen, aber nicht nachhaltig gezeigt, dass sie auf diesem Level mithalten können. Paul Zipser wird den Academics zwar deutlich entgegengekommen sein, ist budgettechnisch aber eher als siebter Import-Spieler zu bewerten.
Der Heimkehrer
Apropos Zipser: Natürlich muss man beim 29-Jährigen einen anderen Maßstab anlegen. Stets wird betont, dass man dem Lokalmatador Zeit geben müsse und werde, ehe man nach dessen vor zweieinhalb Jahren erlittener Hirnblutung samt Not-OP Bestleistungen erwarten könne. Fakt ist aber: Mit Ausnahme der Partie in Rostock konnte der ehemalige NBA- und Bayern-München-Profi noch kein adäquater Ersatz für Max Ugrai, den man zurück in die Heimat nach Würzburg gehen ließ, sein. Wegen Unwohlseins gingen gegen Bamberg nur fünf Minuten für den feinfühligen Publikumsliebling. Gegen Würzburg fehlte er. Zudem zwickt aktuell das Knie. Die Hoffnung, mit der Rückholaktion auch sportlich einen Coup gelandet zu haben, hat sich bislang nicht erfüllt.
Die Teamchemie
Zipser räumte schon nach der ersten der drei Heimniederlagen ein, "dass wir als Team noch lange nicht dort sind, wo wir sein müssen", um erfolgreich zu sein. Akeem Vargas schlug eine Woche später in dieselbe Kerbe. Nun forderte Niki Würzner, jeder müsse "sich an die eigene Nase fassen". Der unausgesprochene Vorwurf: Nicht an jedem nagt die aktuelle Misere so sehr wie an den drei "Local Heroes".
Der Trainer
Joonas Iisalo hat es bislang nicht geschafft, seinen Spielern die Verunsicherung zu nehmen. Zwar nimmt sich der Finne selbst nie aus der Verantwortung, stellt inzwischen aber auch immer mal wieder die Qualität des Kaders infrage. Das Verhältnis zu Aufbauspieler McGuirl ist nach RNZ-Infos nicht unproblematisch. Weil sich der 24-Jährige als vermeintlich zentrale Figur im System des Trainers augenscheinlich überhaupt nicht zurechtfindet. Aber auch, weil der Coach ihm zuletzt das Vertrauen entzogen hat. Iisalo gilt als extrem ehrgeizig, fordernd in Anspruch und Ansprache, weniger als "Spieler-Flüsterer". Geschäftsführer Lautenschläger hat aber einen gewissen Lernprozess ausgemacht, sagt: "Joonas ist offener geworden, hat erkannt, dass der richtige Umgang mit Spielmacher Eric Washington in der Vorsaison nicht auch der richtige für Mike McGuirl sein muss."
Die Erwartungshaltung
Der starke Endspurt der Vorsaison hat geblendet. Dass die Academics bereits als Geheimfavorit gehandelt wurden, war voreilig. Sportchef Alex Vogel versuchte immer wieder (vergeblich), die hohe Erwartungshaltung zu dämpfen. "Das ist schwer, von der Mannschaft fernzuhalten bzw. die Euphorie im Umfeld so für sich zu nutzen, dass sie leistungsfördernd sein kann", sieht Lautenschläger großen Druck auf den Schultern der Spieler lasten. Aktuell seien viele Faktoren "eher hemmend" und bisweilen unerklärbar. Etwa die Heimschwäche: "Vergangenes Jahr war der Dome eine Festung, aber das kommt nicht von alleine." Dass Carroll in Rostock 33 Zähler markierte, in der eigenen Halle aber nur einen seiner 28 (!) Dreier getroffen hat, sei "absurd".
Die Organisation
Auch im Office gibt es Baustellen. "Was den Einsatz unserer Mitarbeiter angeht, sind wir auf Champions-League-Level", hatte Lautenschläger vor der Saison gesagt. Der sportliche Aufstieg war aber derart rasant, dass man beim Aufbau der professionellen Strukturen kaum mithalten konnte. Mit Marketing-Leiterin Hannah Ugrai und Social-Media-Managerin Carolin Kramer haben jetzt auch noch zwei hauptamtlich Beschäftigte gekündigt.