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In der Fressgasse wird es nach dem Verkehrsversuch wohl wieder ruhiger

Der Hauptausschuss stellte nach einer emotionaler Debatte die Weichen im Verkehrsversuch. Die Entscheidung wird im Herbst getroffen.

15.06.2023 UPDATE: 15.06.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden
Eine Schranke verhinderte während des Verkehrsversuchs die Durchfahrt in der Fressgasse. Sie ist inzwischen wieder abgebaut worden. Foto: Gerold

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Nach 16 Jahren im Amt lernt der scheidende Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) noch dazu – und aus der Geschichte. Er stellt bei der Sitzung des Hauptausschusses des Gemeinderats eine rhetorische Frage in den Raum: "Hätten wir es 1975 geschafft, die Fußgängerzone nur als Versuch hinzubekommen?" Kurz gibt selbst die Antwort: Manchmal gelte es, Dinge anzupacken und bei Details nachzusteuern. Versucht hatte es die Stadt, sperrte die Kunststraße und die Fressgasse im März 2022 zwölf Monate lang abschnittsweise für Autos und verwandelte die Marktstraße in eine reine Fahrradstraße. Und wollte damit herausfinden, ob sich dadurch in dieser Zeit der Durchgangsverkehr aus den Quadraten verdrängen, die Aufenthaltsqualität steigern lässt.

Jetzt liegen die Ergebnisse zwar vor und sind die Sperrungen wieder abgebaut – doch die hochemotionale Debatte geht weiter, hat im laufenden OB-Wahlkampf Fahrt aufgenommen und im Ausschuss am Dienstagabend einen neuen Höhepunkt erreicht. Immerhin gibt es nach dem mehrheitlich gefassten Beschluss der Stadträte nun einen Fahrplan und einen Arbeitsauftrag "mit einer bestimmten Richtung" an die Verwaltung. Sie soll bis November auf der Basis der Gutachten eine erste Stufe eines Gestaltungs- und Verkehrskonzepts für die Innenstadt dem Gemeinderat zur Beratung vorlegen. Dann sitzt Kurz’ Nachfolgerin oder Nachfolger auf dem Chefsessel.

Für den Noch-OB und den zuständigen Fachdezernenten Ralf Eisenhauer (SPD) funktioniert die neue Verkehrsführung "grundsätzlich". Die City sei stets erreichbar, die Parkhäuser anfahrbar, der Innenstadtring trotz gesperrtem Fahrlachtunnel nicht überlastet gewesen. Der motorisierte Verkehr ist um insgesamt 20 Prozent stark zurückgegangen, dafür waren viel mehr Radler unterwegs (die RNZ berichtete). Es gibt aber lokale Unterschiede. Während sich die Fressgasse und die Marktstraße aus Sicht der Stadtspitze bewährt haben und hier die Verwaltung "nur" noch einen Entwurf zur Begrünung und neuen Nutzung bisheriger Parkplätze erarbeiten soll, sieht es bei der Kunststraße anders aus. Dort müsse man grundlegend neu ansetzen und eine andere Lösung suchen, hieß es.

Das liegt insbesondere an der Einfahrt. Viele Autofahrer hatten zunächst das Verbot ignoriert, geradeaus in die Kunststraße zu brausen. Oder sie steuerten ihren Wagen erst Richtung Schloss und wendeten anschließend auf der verlängerten Breiten Straße. Deshalb installierte die Stadt an beiden Stellen größere Barken. Pkw-Lenker, die hinter dem Stadthaus unterwegs waren, mussten deshalb aber immer nach rechts abbiegen und in die Kunststraße fahren.

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Kurz hält in der Diskussion um den Versuch nur zwei Positionen für legitim: entweder man lehne ihn aus Sorge vor einem ökonomischen Schaden – den eine Mehrheit der Geschäftsleute beklagt – ab oder man führe ihn mit Nachbesserungen fort. Als Illusion bezeichnet er Forderungen, wonach sich alle Beteiligten noch einmal an einen Tisch setzen sollten. "Wer glaubt, dass man dann zu einem anderen Modell mit ähnlichen Effekten kommt und Debatten ausbleiben, der täuscht sich", sagt der OB unter Verweis auf die von Fachbüros erstellten Gutachten. Dafür erntet Kurz Kritik aus den Reihen der CDU, Mannheimer Liste und der FDP. Vertreter dieser Fraktionen erinnern den OB daran, dass bei den Anwohnern 48 Prozent für die "Verstetigung" des Versuchs stimmten, aber 45 Prozent dagegen. Deshalb brauche es mehr Beteiligung von Bürgern und Händlern. Die soll es im weiteren Prozess geben, sagt die Verwaltung zu.

Die Grünen als stärkste Fraktion teilen weitgehend die Einschätzungen von Kurz, hätten sich aber mehr Tempo und eine raschere Entscheidung gewünscht. Wenn erst im November ein Verwaltungsvorschlag vorgelegt werden solle, dann sei zu vermuten, dass bis zur Kommunalwahl im nächsten Jahr "nichts weiter passiert", so Gerhard Fontagnier. Dem Stadtrat ist als – von Poserlärm, Grillrauch- und Schokoladengestank – geplagtem Anwohner der Geduldsfaden gerissen. Kurz bemängelt, dass die Straßenverkehrsordnung den Kommunen bei Maßnahmen zum Klimaschutz nicht ausreichend Spielraum lasse. Das sei einhellige Position im Städtetag. > S. Kommentar

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