Plus Eberbach

Beschäftigte der GRN-Klinik beteiligen sich am Warnstreik

Der Verdienst reiche oft nicht, um eine Familie zu ernähren, berichten einige der Mitarbeiter.

17.03.2023 UPDATE: 17.03.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
56 der rund 350 Beschäftigten beteiligen sich am Warnstreik vor der Eberbacher GRN-Klinik. Foto: Peter Bayer

Von Peter Bayer

Eberbach. "Für den Wochenendeinkauf musste ich zuletzt doppelt so viel bezahlen wie vor einem Jahr", klagt Heidrun Heck. Deshalb fordert die Anästhesiepflegefachkraft und Betriebsratsvorsitzende der GRN-Klinik in Eberbach eine deutliche Lohnerhöhung vor allem für "die unteren Berufsgruppen, welche die Basisarbeit auf den Stationen leisten". Sie ist eine der 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GRN-Klinik, die sich gestern Nachmittag am Warnstreik vor dem Haupteingang beteiligten.

"Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Löhne klaut", stimmt Monika Neuner, ver.di-Gewerkschaftssekretärin fürs Gesundheitswesen, die Beschäftigten auf den von ver.di organisierten rund halbstündigen Streik ein. Diese zeigen auf zahlreichen Plakaten ihre Forderungen.

Denn auch wenn die Scheu zu demonstrieren beim kommunalen Arbeitgeber größer ist als etwa bei einer Uniklinik, so habe man "irgendwann den Kanal voll", zeigt eine Streikende ihren Frust über die derzeitige Situation und das Verhalten der Arbeitgeber. In der Coronakrise noch als systemrelevant bezeichnet und mit Applaus bedacht, sollen nun für Beschäftigte der Krankenhäuser Gehaltsabsenkungen über einen Zusatzvertrag ermöglicht werden.

In wirtschaftlicher Not sollen die Gehälter um bis zu sechs Prozent gekürzt werden können, fordert der Arbeitgeberverband. Für die Gewerkschaft und die Beschäftigten ist das inakzeptabel. Deshalb beteiligt sich das Krankenhauspersonal zum ersten Mal seit über 15 Jahren an den Streiks.

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Monika Neuner von ver.di erläutert zunächst den Beschäftigten das Angebot der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst. In der zweiten Verhandlungsrunde der Tarif- und Besoldungsrunde hätten diese ein völlig unzureichendes Angebot auf den Tisch gelegt. Neben einem Inflationsausgleich ist eine Erhöhung um drei Prozent für 2023 und um zwei Prozent 2024 bei einer Laufzeit von 27 Monaten vorgesehen.

Die Inflation sei ihrer Ansicht nur ein vorübergehendes Phänomen, so Neuner, weshalb sie eine Einmalzahlung von 1500 Euro angeboten hätten. Einen Mindestbeitrag als soziale Komponente insbesondere für die unteren Entgeltgruppen hätten sie abgelehnt.

Der Nachwuchs braucht Anreize, fordert Ingrid Rabang. Foto: Peter Bayer

Zudem solle es keine Altersteilzeit mehr geben. Die ist nach Ansicht von Heidrun Heck aber wichtig. "Wer 40 Jahre in der Pflege gearbeitet hat, ist fertig", sagt sie, vergleicht die Belastung mit der eines Handwerkers. Der 55-jährigen Ingrid Rabang, Intensiv-Fachkrankenschwester, geht es auch um die Zukunft. Junge Kollegen sollen der Nachwuchs werden, sie bräuchten Anreize.

Die derzeitige Situation biete keine. Man habe keine geregelte Freizeit. In der "Frei"-Zeit werde man häufig angerufen, um auszuhelfen. "Und was macht man dann in seinem Helfersyndrom? Man kommt und macht noch eine Schicht", sagt sie. "Viele können nicht mehr", weiß sie um die Folgen.

Das Argument der Arbeitgeber, dass es keine Pflegekräfte gebe, lässt die Gewerkschaftsvertreterin nicht gelten. "Die Pflegekräfte gibt es, sie sitzen aber lieber an der Kasse im Supermarkt, als sich diesen Stress anzutun", sagt sie, und ist überzeugt, dass viele bei besseren Bedingungen zurückkommen würden. Es gehe auch darum, ausreichend Stellen zu besetzen.

Denn die Arbeit werde immer schwerer, bestätigt Ingrid Rabang: "Die Patienten werden immer älter, es gibt mehr Schwerstpflegefälle – das hatten wir vor 20 Jahren noch nicht gehabt". Auch Demenzerkrankungen kämen vermehrt hinzu. "Wir brauchen Motivation", fordert sie. Als Motivation reichen aber nicht nur ein paar warme Dankesworte und Applaus vom Balkon.

„Wir brauchen einen Gesundheitsschutz, zu wenig Personal macht krank“, fordert eine Krankenschwester von Station 3. Foto: Peter Bayer

"Warum sucht ihr euch auch so schlecht bezahlte Berufe aus?", habe sie ihr Sohn nach einem Fernsehbericht, wonach Frauen noch immer weniger als Männer verdienen, gefragt. In der Industrie lasse sich viel mehr Geld verdienen. "Pflegen ist nicht nur weiblich", sagt Petra Polzer, Pflegekraft in der Urologie.

Sie kenne viele Männer, die mit ihrem Einkommen keine Familie ernähren können. "Ich spreche für die Pflege auf jeder Station – wir sind es wert, mehr Geld verdienen zu dürfen. Keiner will in einer Gesellschaft leben, in der es keine gute Gesundheitsversorgung gibt." Doch ein Auto sei offenbar mehr wert als ein Menschenleben.

Die Gewerkschaft ver.di fordert daher für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine Steigerung der monatlichen Tarifentgelte um 10,5 Prozent, mindestens jedoch um 500 Euro im Monat. Auszubildende, Studierende und Praktikanten sollen 200 Euro mehr im Monat erhalten. Nach der erfolgreichen Ausbildung sollen die Auszubildenden unbefristet übernommen werden.

Nicht nur die Beschäftigten, auch eine anwesende Bürgerin aus Eberbach meldet sich spontan zu Wort. "Ich bin jetzt in Rente, war früher ein Leben lang in der Pflege. Früher hat die Pflege Spaß gemacht. Ich bin erschüttert, was hier abgeht, die Politik hat keinen Respekt vor der Pflege."

Nach Schwetzingen am Freitag und Sinsheim am Montag ist Eberbach die dritte Station der Kundgebungen. Am Freitag folgt zum Schluss die GRN-Klinik in Weinheim. Die dritte und letzte verabredete Verhandlungsrunde ist vom 27. bis voraussichtlich 29. März.

Info: In Baden-Württemberg arbeiten nach Zahlen des Statistischen Landesamtes von 2022 rund 236.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Etwa 67 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, die Teilzeitquote beträgt rund 44 Prozent.

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