Hätte man den Tod des Bruchsaler Häftlings verhindern können?
Der Anwalt des 22-Jährigen, der am 8. April tot in seiner Zelle gefunden wurde, erhebt schwere Vorwürfe - Seine Hilferufe seien ignoriert worden

Trister Häftlingsalltag in Bruchsal: Briefe des 22-Jährigen seien ein "Hilferuf" gewesen, so sein Anwalt. Foto: dpa
Von Julia Giertz
Stuttgart. Der überraschende Tod eines Gefangenen wirft Fragen nach der Fürsorgepflicht der Gefängnisleitungen in Bruchsal und Heimsheim auf. Nach Angaben des Justizministeriums ist diese Pflicht im Fall des 22-Jährigen nicht verletzt worden. Dessen Anwalt Klaus Harsch sieht das ganz anders.
Der Gefangene habe regelmäßig Gespräche mit dem psychologischen Dienst geführt, zuletzt am 1. April 2015 - sieben Tage vor seinem Tod in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, erläuterte eine Sprecherin von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am Montag. Anwalt Harsch betonte: "Sein Tod wäre verhinderbar gewesen, indem man auf seine Hilferufe reagiert und ihn behandelt hätte."
Damit nahm er Bezug auf einen Briefverkehr zwischen dem jungen Mann und einem Freund in der JVA Heimsheim, in dem jener von Trost- und Hoffnungslosigkeit berichtet. Harsch zeigte sich überzeugt, sein Mandant, in dessen Körper der Heroin-Ersatzstoff Methadon entdeckt wurde, habe sich umgebracht.
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe erwartet nach eigenen Angaben noch den polizeilichen und den rechtsmedizinischen Schlussbericht zur Todesursache des Gefangenen, der eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verbüßte. Als Zeitrahmen nannte die Behörde zwei Wochen. Der 22-Jährige hatte nicht an einem Methadon-Programm teilgenommen.
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Die Sprecherin Stickelbergers sagte, der Empfänger der Briefe in der JVA Heimsheim habe einige davon dem Justizministerium zur Verfügung gestellt. Dieses habe sie der Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Behörde habe die Schreiben analysiert und keine Anzeichen für eine Suizid-Absicht gesehen.
Die "Stuttgarter Zeitung" hatte Auszüge veröffentlicht, in denen der junge Mann von der Tristesse und Hoffnungslosigkeit im Gefängnis erzählt. Er beklagte, er bekomme nicht alle notwendigen Medikamente, berichtete von einer erzwungenen Blutentnahme, schilderte Rachefantasien gegen die Strafvollzugsbeschäftigten. Außerdem beschwerte er sich über seine Einzelhaft.
Der Anwalt des Toten betonte, dass diese Handvoll Briefe des Empfängers in Heimsheim noch in seinem Besitz seien. Er bezweifle, dass die Justiz die Briefe habe, es sei denn, die Postkontrolle habe den Schriftverkehr kopiert.
Er gehe jedoch davon aus, dass die Briefe in der JVA gelesen worden seien. "Es ist mir unverständlich, wie die Briefe falsch bewertet werden konnten." Das sei ein massives Versagen der Anstaltsleitungen. Das sei umso bedauerlicher, da bekannt gewesen sein, dass sein Mandant genau das tue, was er sage und androhe. Der Anstalt sei es offenbar eher um Kontrolle als um Hilfe gegangen.