Kriegt Neckargemünd ein "Radhaus" überhaupt voll?
Die Stadt plant Millionenprojekt. Bisher gab es keine öffentliche Debatte darüber. Es gibt Kritik aus dem Gemeinderat am Vorgehen des Bürgermeisters.

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Selbst für aufmerksame kommunalpolitische Beobachter beinhaltete die jüngste öffentliche Sitzung des Gemeinderats eine dicke Überraschung: Die Stadt plant ein "Radhaus am Rathaus" nach Heilbronner Vorbild mit Kosten von über einer Million Euro. Es wäre damit eines der größten Projekte im Haushalt. Über das Vorhaben war bisher ausschließlich hinter verschlossenen Türen diskutiert worden, was nun für Kritik und Diskussionen sorgte.
Bei einem "Radhaus" handelt es sich um ein Parkhaus für Fahrräder. In Heilbronn ermöglicht ein zwölf Meter hoher Glasturm das Einlagern von mehr als 120 Fahrrädern auf acht Parkebenen. In einem vollautomatischen Parkvorgang werden Fahrräder, Pedelecs oder E-Bikes in das Radhaus verladen und können anschließend von den Nutzern wieder einfach per Knopfdruck entladen werden.
Bereits im Jahr 2018 hatte Bürgermeister Frank Volk das Vorhaben einmal beiläufig erwähnt. Als möglichen Standort nannte er den hinteren Teil des Pendlerparkplatzes zwischen dem "neuen" und dem "alten Bahnhof", in dem heute ein Sanitätshaus untergebracht ist. Danach war lange nichts mehr von dem Vorhaben zu hören – bis zur Einbringung des Haushalts 2023 im Dezember.

Wie in der öffentlichen Sitzung im Januar zu erfahren war, wurde bereits im Dezember nicht-öffentlich über das Vorhaben beraten. Volk gab damals bekannt, dass der Gemeinderat die Projektvorstellung zur Kenntnis genommen habe. Die Verwaltung wurde mehrheitlich bei vier Nein-Stimmen und drei Enthaltungen beauftragt, das Projekt grundsätzlich fortzuführen und Alternativen zu dem vorgestellten Entwurf zu prüfen.
Auch interessant
Wie damals schon zu vernehmen war, waren einigen Stadträten die Kosten viel zu hoch. Außerdem war zu erfahren, dass die Stadträte sich bereits das Heilbronner "Radhaus" angeschaut haben.
Im Januar wurde dann schon wieder hinter verschlossenen Türen über das Vorhaben beraten. In der jüngsten öffentlichen Sitzung gab Volk bekannt: "Der Gemeinderat beschließt mehrheitlich bei elf Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und einer Enthaltung, einen Förderantrag für ein Radhaus am Rathaus mit PV-Anlage und fünf Ebenen für 94 Fahrräder und zusätzlich sechs Boxen zu stellen.
Die Maßnahme soll nur realisiert werden, wenn es einen positiven Förderbescheid gibt und der Gemeinderat über die Vergabe entschieden hat. Sollte es keinen Förderbescheid geben, soll das Thema gegebenenfalls in einer weiteren Förderperiode erneut auf die Tagesordnung kommen, alternativ eine andere Planung überlegt werden." Im Gespräch ist eine Förderung von über 80 Prozent durch Bund und Land.
Gleich im Anschluss streckte Joachim Bergsträsser (SPD) beide Hände in die Luft und gab eine Erklärung ab. Er kritisierte zunächst, dass die nicht-öffentliche Beratung über das "Radhaus" nicht auf der Tagesordnung angekündigt worden sei. Das Ziel der Diskussion sollte laut Bürgermeister sein, eine Zielrichtung des Gemeinderates zu erhalten, ob das Projekt durch die Stadt weiter verfolgt werden solle, so Bergsträsser.
Hintergrund
> Die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg regelt in Paragraf 35: "Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nicht-öffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern." Ob das "Radhaus am Rathaus" in
> Die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg regelt in Paragraf 35: "Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nicht-öffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern." Ob das "Radhaus am Rathaus" in Neckargemünd darunter fällt, will Ralph Adameit, Sprecher des Landratsamtes des Rhein-Neckar-Kreises, nicht abschließend beurteilen. "Unserem Kommunalrechtsamt ist der Vorgang nicht bekannt", erklärt er.
"Ein Tätigwerden ist derzeit auch nicht vorgesehen." Jede bekannt gewordene Meinungsverschiedenheit innerhalb einer Sitzung rechtfertige nicht das Einschreiten der Kommunalaufsicht und wäre personell auch gar nicht zu bewerkstelligen. Im vorliegenden Fall hätte die Frage der Öffentlichkeit in der jeweiligen Sitzung selbst durch einen Antrag thematisiert werden müssen und nicht erst bei der Bekanntgabe des Beschlusses. cm
"Die Diskussion, an der sich alle Fraktionen und die fraktionslosen Gemeinderatsmitglieder beteiligten, dauerte deutlich über 30 Minuten", berichtete er. "Dabei wurden Positionen für und gegen den Bau eines solchen Radhauses benannt, Kosten für die Stadt und mögliche Zuschüsse durch das Land Baden-Württemberg erörtert." Zum Ende der Diskussion habe der Bürgermeister ein "Meinungsbild" abgefragt, bei dem sich eine Mehrheit für die weitere Planung aussprach.
"Vor der Abstimmung fragte ich als Mitglied unserer Fraktion nach, ob diese Beratung und Abstimmung nicht hätte öffentlich geführt werden müssen", so Bergsträsser. "Dies hätte unserer Meinung nach so sein müssen, zumal die Inhalte der Diskussion in keiner Weise persönliche Belange oder finanzielle Belange von Personen oder Einwohnern betrafen."
Es sei auch nicht über Verträge oder mögliche Inhalte von zukünftigen Verträgen gesprochen worden. "Somit war auch nicht der Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen notwendig", sagte Bergsträsser.
Der SPD-Stadtrat kritisierte noch, dass die "Meinungsabfrage" bereits als "Beschluss" nach außen bekannt gegeben werde. Bergsträsser beantragte, dass das Thema möglichst schnell öffentlich beraten wird. Der Bürgermeister erwarte und fordere vom Gemeinderat einen korrekten und sensiblen Umgang mit Themen und Inhalten der nicht-öffentlichen Sitzung. Dies erwarte man auch umgekehrt.
"Es gab lediglich einen Beschluss, dass die Stadt einen Förderantrag stellen soll", entgegnete Volk. "Bisher wurde kein Euro ausgegeben." Die Investition stehe unter Vorbehalt einer Förderung. Man wolle vermeiden, Arbeitskraft für ein Projekt "zu verballern", das später nicht umgesetzt werde.
"Ich bin der Meinung, dass das in Ordnung war, nehme aber die abweichende Meinung zur Kenntnis", sagte Volk ohne auf die Gründe für die nicht-öffentliche Behandlung des Themas einzugehen.
Ist der Bedarf überhaupt vorhanden?
Das geplante "Radhaus am Rathaus" beherrschte auch die Diskussion über Anträge zum aktuellen städtischen Haushalt. Die SPD beantragte, die Planungsrate für das "Radhaus" von 300.000 auf 200.000 Euro zu kürzen und die 100.000 Euro einem Haushaltstitel "Bezahlbarer Wohnraum" zuzuführen. Nach langer Diskussion wurde dies mit 17 zu fünf Stimmen abgelehnt.
"Die Gesamtkosten des am Bahnhof der Stadt Heilbronn besichtigten Radhauses haben sich auf rund 1,1 Millionen Euro belaufen", begründete Fraktionschef Winfried Schimpf seinen Antrag. Wegen der gestiegenen Baukosten müsse jetzt mit rund 1,3 Millionen Euro gerechnet werden.
"Selbst wenn die Förderzuschüsse bis fast 85 Prozent betragen sollten, bleibt es bei einem städtischen Finanzierungsanteil von über 200.000 Euro", so Schimpf. "Das Projekt ist unseres Erachtens für eine Kleinstadt wie Neckargemünd größenmäßig übersetzt." Einer den "Neckargemünder Verhältnissen" angepassten Planung verweigere man sich aber nicht.
Pläne für bezahlbaren Wohnraum auf dem städtischen Grundstück Herrenweg 17 schiebe man seit Jahren und seien im aktuellen Haushalt überhaupt nicht mehr vorgesehen. "Auch beruhen einige im Haushaltsplan vorgesehene Einnahmen auf großem Optimismus", so Schimpf.
Bürgermeister Frank Volk entgegnete, dass das Geld nur für den Fall eingeplant sei, dass es zu dem Projekt komme. "Ohne Fördergelder wird es kein Radhaus in dieser Dimension geben", so Volk. Derzeit hole man lediglich Angebote ein, um Kosten zu erfahren. Vielleicht würden 200.000 Euro reichen, im "ungünstigsten Fall" brauche die Stadt mehr.
Petra Groesser (Grüne) sah es ähnlich. Es sei noch nichts beschlossen. "Wir pochen schon lange darauf, dass sich beim sozialen Wohnraum etwas tut, aber wir dürfen nicht Sozial- und Umweltmaßnahmen gegeneinander ausspielen", betonte sie. "Wir brauchen beides."
Wenn die Stadt sich den Bau von Wohnungen nicht leisten könne, müssten andere Wege gefunden werden. Auch Jürgen Rehberger (Freie Wähler) sprach sich gegen den Antrag aus. "Wir brauchen unbedingt sozialen Wohnraum", sagte er. "Aber wenn wir im Herrenweg jetzt in eine kleine Planung gehen, verbauen wir uns vielleicht eine größere Möglichkeit dort."
Maximilian Bernauer (CDU) erinnerte daran, dass seine Fraktion wie die SPD gegen das Radhaus sei. "Unsere Sorge besteht aber nun darin, dass wir bei einer Kürzung um 100.000 Euro am Ende kein Radhaus haben und auch nur wenig für sozialen Wohnraum getan haben", meinte er und forderte eine "kleinere und kostengünstigere Lösung für ein Radhaus".
Marco La Licata (Linke) meinte, dass er nicht gegen sozialen Wohnraum und nicht gegen Umweltschutz stimmen werde. Deshalb werde er sich enthalten. Jens Hertel (SPD) betonte, dass es preisgünstigere Lösungen für ein Radhaus gebe.
"Wir haben mit dem Heilbronner Modell Probleme", meinte er. Selbst der "Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club" (ADFC) habe die hohen Kosten bemängelt und stattdessen Investitionen in die übrige Rad-Infrastruktur gefordert. Das Heilbronner Radhaus sei zudem zwar seit 2020 in Betrieb, aber es seien nur 30 Plätze fest vergeben. "Heilbronn ist zehnmal so groß wie wir", gab Hertel zu bedenken.
"Wir haben Angst, dass wir das nicht vollkriegen." Außerdem beinhalte das Radhaus viel Technik, die kaputtgehen könne. Giuseppe Fritsch (fraktionslos) sah Bund und Land beim sozialen Wohnungsbau gefordert. "Wir sollten erst einmal das Angefangene zu Ende bringen", fand er.