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Für Klein ist der Stellenabbau eine "schwierige Entscheidung"

Der Walldorfer Softwarekonzern SAP will in diesem Jahr weltweit 3000 Stellen abbauen - Arbeitnehmervertreter können das angesichts guter Zahlen nicht nachvollziehen

04.02.2023 UPDATE: 27.01.2023 06:00 Uhr 4 Minuten, 26 Sekunden
„Ich bin sehr froh, dieses Unternehmen zu führen“: SAP-Chef Christian Klein (links) bei der Bilanz-Pressekonferenz des Softwarekonzerns mit Finanzvorstand Luka Mucic. Foto: dpa

Von Barbara Klauß

Walldorf. Eine solche Entscheidung zu treffen sei nie einfach, sagte SAP-Chef Christian Klein am Donnerstag in Walldorf. 3000 der weltweit 111.961 Stellen will der Softwarekonzern in diesem Jahr streichen. Etwa 2,5 Prozent der Belegschaft müsste demnach gehen. Knapp 200 Stellen sollen in Deutschland abgebaut werden. Die Mehrheit werde auf den Standort Walldorf und St. Leon-Rot entfallen, wo derzeit rund 18.260 Menschen beschäftigt sind, wie Cawa Younosi, Personalchef der SAP in Deutschland, erklärte.

Betriebsbedingte Kündigungen schloss Younosi aus. Man gehe davon aus, für alle Betroffenen eine vergleichbare andere Tätigkeit zu finden. In Einzelfällen könne man sich auch bei beidseitigem Einverständnis Aufhebungsverträge vorstellen.

Der Betriebsratsvorsitzende der SAP SE, Eberhard Schick, sprach von 165 Angestellten, die betroffen seien. Doch geht auch er davon aus, dass sie alle an anderer Stelle im Unternehmen untergebracht werden könnten. "Vielleicht gibt es auch Abfindungsangebote", fügte Schick hinzu. Es gebe eine Betriebsvereinbarung, in der die Summen festgeschrieben seien.

SAP ist nicht der erste Tech-Konzern, der den Rotstift ansetzt. Zuletzt häuften sich die Berichte von Stellenstreichungen bei etlichen Konzernen aus der Branche (s. Artikel unten). Einreihen will sich SAP-Chef Klein dort allerdings nicht. Vor einer Woche erst hatte er in einem Interview mit dem "Handelsblatt" erklärt: Zwar sei auch SAP nicht immun gegen steigende Energiepreise und höhere Mitarbeiterkosten. "Was ich aber ausschließen kann: Wir werden bei SAP keine Restrukturierung bekommen, weil das Geschäft schlecht läuft", sagte er der Zeitung vergangene Woche in Davos. "Im Gegenteil: Das Geschäft läuft sehr gut."

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Den nun angekündigten Stellenabbau begründete der Vorstandsvorsitzende mit der geplanten Straffung des Unternehmens. Seit mehr als zwei Jahren treibt Klein den Umbau von Europas größtem Softwarekonzern hin zum Cloud-Unternehmen voran. Dabei wird die Software nicht auf den Rechnern der Kunden installiert, sondern über das Internet genutzt. Der Stellenabbau soll dazu beitragen, sich mehr auf Zukunftsbereiche zu konzentrieren, und ist daher nur in "ausgewählten Bereichen" geplant. So sind etwa Einschnitte bei Programmen für Vertrieb und Marketing (CRM) geplant, während das Geschäft mit betriebswirtschaftlicher Software (ERP) gestärkt wird. In solche Wachstumsbereiche soll – auch dank der Einsparungen an anderer Stelle – investiert werden.

Dieses Vorgehen begrüßten Arbeitnehmervertreter am Donnerstag. "Es ist positiv, dass die SAP, im Gegensatz zu anderen Unternehmen in der Branche, nicht mit der Sense durch das Unternehmen schreitet, sondern Personalentscheidungen entlang des Portfolios ausrichtet", erklärte Andreas Hahn, Vorsitzender des europäischen Betriebsrats der SAP SE. Für den Abbau an sich zeigte er allerdings kein Verständnis: "Bei einem trotz widrigster Umstände so guten Ergebnis einen Personalabbau durchzuführen, halte ich für falsch", sagte er. "Hier werden diejenigen bestraft, die dieses Ergebnis erwirtschaftet haben." SAP habe "einen extrem hohen Anteil an hochtalentierten und motivierten Mitarbeitenden", die sicherlich neue Aufgaben bei SAP finden könnten. "Für unseren Weg in die Cloud werden wir genau solche Talente benötigen", so Hahn.

Anders als bei zurückliegenden Umstrukturierungen bietet SAP dieses Mal keine Vorruhestandsregelungen an. Bei der letzten Sparrunde im Jahr 2019, bei der 4400 Beschäftigte weltweit gehen sollten, setzte der Konzern auf Abfindungen und Vorruhestandsregelungen. Fast eine Milliarde Euro nahm SAP dafür in die Hand. Bei vielen Beschäftigten kamen diese recht großzügigen Angebote gut an.

Allerdings wurde immer auch Kritik laut an diesen Programmen. Befürchtet wurde der Verlust von Wissen, wenn viele erfahrene Kolleginnen und Kollegen das Unternehmen verlassen. Ähnlich argumentierte nun auch Klein: Um erfolgreich zu sein, brauche SAP auch die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagte er. "Wir müssen divers sein."

Für den geplanten Stellenabbau rechnet Finanzchef Luka Mucic mit Kosten in Höhe von 250 bis 300 Millionen Euro. Ab 2024 soll er pro Jahr 300 bis 350 Millionen Euro einsparen. Zur in Aussicht gestellten Verbesserung des operativen Ergebnisses dürften die Stellenstreichungen in diesem Jahr allerdings noch nicht viel beitragen, sagte Mucic.

Im Jahr 2022 machte SAP im eigentlichen Geschäft am Ende noch etwas Boden gut. Der Umsatz legte auch dank der anziehenden Geschäfte mit Cloudsoftware zu. Doch sackte der Nettogewinn – aufgrund höherer Ausgaben für Forschung und Entwicklung und wegen des Rückzugs aus Russland – um gut zwei Drittel ab und blieb unter den Erwartungen der Analysten. An der Börse kamen die Zahlen nicht gut an, die Aktie verlor fast 2 Prozent.


Überraschend hat der Softwarekonzern SAP für das laufende Jahr einen Stellenabbau angekündigt: Demnach sollen rund 3000 der weltweit fast 112 000 Arbeitsplätze wegfallen, wie der Softwarekonzern am Donnerstag mitgeteilt hat. In Deutschland, wo das Unternehmen zuletzt gut 24 460 Menschen beschäftigte, sind den Angaben zufolge rund 200 Stellen betroffen. Durch den Abbau will das Management die jährlichen Kosten um rund 350 Millionen Euro senken. Von einer "schwierigen Entscheidung" sprach Konzernchef Christian Klein bei der Bilanz-Pressekonferenz in Walldorf. Doch will er seinen Ausführungen zufolge den Konzern schlanker aufstellen und mehr Investitionen ins Kerngeschäft ermöglichen.

> Keine betriebsbedingten Kündigungen in Deutschland: Die Mehrheit der Stellen, die in Deutschland abgebaut werden sollen, werde auf den Standort Walldorf und St. Leon-Rot entfallen, wo derzeit rund 18 260 Menschen beschäftigt sind, wie Cawa Younosi, Personalchef der SAP in Deutschland, erklärte. Allerdings wies er darauf hin, dass SAP im vergangenen Jahr in Deutschland knapp 800 Stellen zusätzlich geschaffen habe.

Betriebsbedingte Kündigungen schloss Younosi aus. Man gehe davon aus, für alle Betroffenen eine vergleichbare andere Tätigkeit zu finden. In Einzelfällen könne man sich auch bei beidseitigem Einverständnis Aufhebungsverträge vorstellen. Der Betriebsratsvorsitzende der SAP SE, Eberhard Schick, sprach von 165 Angestellten, die betroffen seien. Auch er geht davon aus, dass sie alle an anderer Stelle im Unternehmen untergebracht werden können.

> Keine Vorruhestandsregelungen: Anders als bei früheren Restrukturierungsprogrammen des Softwarekonzerns sind dieses Mal keine Vorruhestandsregelungen vorgesehen. Solche hätten allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angeboten werden müssen, erklärte Finanzchef Luka Mucic am Donnerstag. Doch handle es sich nun um ein "gezieltes Restrukturierungsprogramm", das in "ausgewählten Bereichen des Unternehmens" durchgeführt werde, wie die Manager betonten. Ziel ist es demnach, den Fokus stärker auf strategische Wachstumsbereiche zu legen und den Wandel zum Cloud-Unternehmen voranzutreiben. Die Kosten für den geplanten Stellenabbau taxierte Mucic auf 250 bis 300 Millionen Euro.

> Kritik von Arbeitnehmerseite: Kritik an den Plänen des Managements kam von Arbeitnehmervertretern. "Es ist positiv, dass die SAP, im Gegensatz zu anderen Unternehmen in der Branche, nicht mit der Sense durch das Unternehmen schreitet, sondern Personalentscheidungen entlang des Portfolios ausrichtet", erklärte etwa Andreas Hahn, Vorsitzender des europäischen Betriebsrats der SAP SE. Dennoch wandte er ein: "Bei einem trotz widrigster Umstände so guten Ergebnis einen Personalabbau durchzuführen, halte ich für falsch."

> Qualtrics soll verkauft werden: Im Bemühen, den Softwarekonzern schlanker aufzustellen und den Fokus stärker auf die Kerngeschäfte zu legen, plant SAP auch den Verkauf der US-Tochter Qualtrics. Das Marktforschungsunternehmen hatte Kleins Vorgänger Bill McDermott 2018 für rund acht Milliarden US-Dollar übernommen. Anfang 2021 wurde Qualtrics an die Börse gebracht. Laut Finanzvorstand Mucic halten die Walldorfer derzeit nominal noch 71 Prozent der Anteile an Qualtrics.

> Gehälter der Mitarbeiter steigen um 3,7 Prozent: Die Gehälter der knapp 25 000 Mitarbeiter der SAP in Deutschland werden im Frühjahr um durchschnittlich 3,7 Prozent steigen. Das teilte Deutschland-Personalchef Younosi am Donnerstagabend mit. Zusätzlich gibt es eine Inflationsprämie von 1500 Euro. Die Arbeitnehmerseite hatte deutlich mehr erwartet.

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